Hallo nochmal,
Du siehst, du bist hier nicht allein damit.
Ein Psychiater ist Mediziner und Psychologe, ein Psychologe eben Psychologe. Ersterer kann also quasi Hard- und Software und wäre deshalb genau das Richtige, um deine Beschwerden mit dir anzugehen.
Wenn du kein Vertrauen zu deiner HA hast, ist das nicht gut. Such dir einen anderen, dem du dich öffnen möchtest, der kann dann dafür sorgen, dass du schnell einen Termin beim Psychiater bekommst. Oder wie gesagt, geh akut hin, dann wirst du nicht abgewiesen.
Ich kann dich sehr gut verstehen, ich habe ähnliches und schlimmeres erlebt. Der Vater meines Kindes hat mich mehrfach betrogen. Das Kind war noch ein Säugling, als es anfing. Ich habe mich mehr oder weniger alleine um das Kind und den Haushalt gekümmert, das Familieneinkommen bis auf seinen Minijob alleine erwirtschaftet und nebenher noch mein Studium abgeschlossen. Während er anfing regelmäßig feiern zu gehen, mich extrem schlecht behandelt hat und ich jeglichen Zugang zu ihm verloren habe. Wenn ich versucht habe, mit Gesprächen an ihn ranzukommen, hat er mir gesagt, ich würde mir Dinge einbilden.
Ich habe mich dann nur noch um Kind um Haushalt gekümmert, nachts gearbeitet, weil ich trotz Erschöpfung sowieso nicht schlafen konnte, noch mehr Scheine im Studium gemacht und stumm gelitten.
Mir ist eine Bandscheibe rausgeknallt, ich habe eine Neurodermitis entwickelt, ich hatte ständig Infekte, ich war schlaflos.
Nur mein Kind hat mir viel Freude bereitet und das war auch (fast) der einzige Mensch, den ich an mich herangelassen hab in meinem Leid.
Freunde und Familie haben sich Sorgen gemacht und die Veränderungen gesehen. Aber wie du konnte und wollte ich nicht darüber sprechen. Ich mag die Opferrolle nicht, hatte Mitgefühl mit dem Vater des Kindes, weil er überfordert schien, wollte ihn nicht bloßstellen, wollte das Kind schützen, er hatte selbst eine sehr schwierige Kindheit, schon seine Eltern waren promiskuitiv in ihren Beziehungen, es gab unzählige Gründe, das mit mir allein auszumachen.
Irgendwann hat ein Freund mir dann einige Eskapaden berichtet. Ich war dankbar und erleichtert, weil ich nun wusste, dass mein Bauchgefühl mich nicht im Stich gelassen hatte und trennte mich. Auch das habe ich zum Schutz des Kindes und auf Druck des Kindsvaters lange für mich behalten.
Das endgültige Lösen und den Schritt zur offiziellen Trennung war für mich ein langer Weg. Der Kindsvater ist selbst schwer traumatisiert aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte, war aber nicht in der Lage, es besser zu machen als seine Eltern. Irgendwann hat er dann auch eingeräumt, dass er Monogamie für widernatürlich hält und eigentlich gar kein klassisches Beziehungsmodell anstrebt.
Ich hätte vielleicht nicht so überrascht sein dürfen, er hatte auch seine Freundinnen vor mir betrogen, was ich wusste. Er meinte, er hätte sie nur betrogen, weil sie ihn auch betrogen hatten, behauptete aber zu dem Zeitpunkt noch, dass er eine Monogamie Beziehung mit Offenheit und Vertrauen anstreben würde...
Ich hatte dem damals nichts entgegenzusetzen, ich bin als Nicht-Scheidungskind aufgewachsen, meine Eltern haben gut kooperiert und sich nie betrogen. Ich selbst wurde bis dahin nie betrogen und hatte immer Beziehungen, in denen man einfach gut mit- und zueinander war.
Meine körperlichen Symptome habe ich sehr lange verdrängt und alles mit mir selbst ausgemacht.
Ich habe alle Energie auf das Wohlergehen meines Kindes konzentriert.
Inzwischen habe ich das für mich bearbeitet. Es hat runde 10 Jahre gedauert, bis ich jetzt sagen kann, meine Wunden aus dieser Geschichte sind verheilt und ich bin daran gewachsen und gestärkt daraus hervorgegangen.
Meinem Kind geht es gut. Ich habe nicht locker gelassen für sie und durch meine Hartnäckigkeit haben auch der Kindsvater und seine Eltern ihre Themen inzwischen etwas aufgearbeitet, was meinem Kind wiederum zugute kommt.
Ich bin dankbar für vieles an Unterstützung, die ich in dieser Zeit von unterschiedlichen Menschen bekommen habe, ohne dass sie wussten, was mich beschwerte, einige wenige, die wussten, was mich beschwerte, andere, die Teile beobachten konnten und nicht mit Fragen in mich gedrungen sind sondern einfach da waren, sogar wenn ich mich zeitweise vor Erschöpfung und aus Wortlosigkeit zurückgezogen hatte.
Warum erzähle ich dir das alles?
Es lohnt sich, für dich zu kämpfen. Für dein Kind zu kämpfen.
Und ja, du kannst wieder heilen. Du wirst nie wieder derselbe sein, der du vorher warst.
Aber du kannst dadurch stärker werden und daran wachsen.
Ob es dauerhaft Sinn macht, mit deiner Frau zusammen zu bleiben nach dieser Erschütterung, wirst du vielleicht erst mit der Zeit herausfinden. Das Wichtigste ist, dass du dein Selbstvertrauen und deine Gesundheit wieder findest. Nur wenn man sich selbst vertraut, hat man die Chance, jemand anderem wieder vertrauen zu können.
Die Frage ist, ob du ihr überhaupt wieder vertrauen möchtest, ganz tief in dir drin.
Auch in der Art zu lieben reift man durch solche Erfahrungen. Man kommt, wie Erich Fromm sagen würde, vom Haben zum Sein.
Such dir Menschen, um dich auszutauschen und von ihnen zu lernen und hol dir dazu Gedanken von anderen. Es ist jetzt an dir, zu wachsen, zu reifen, stärker zu werden. Und zu heilen.
In jeder Krise liegt auch eine große Chance.
Ich wünsch dir und deinen Lieben alles Gute!