Liebe GTI,
bei mir ist es etwas länger her als ein Jahr. Auch bei mir vergeht nach wie vor kaum ein Tag, an dem ich nicht an ihn denke, aber ich träume kaum mehr von ihm und wenn ich an ihn denke, dann bin ich meist nicht mehr traurig, sondern mit jedem Tag ein Stück unbeteiligter. Er wird mir zunehmend egal. Ich vermisse ihn schon lange nicht mehr in meinem Leben. Mir geht es besser ohne ihn.
Lange Zeit hatte ich geglaubt das sei die Beziehung meines Lebens gewesen - mittlerweile glaube ich das nicht mehr. Ich dachte diese Beziehung sei ach so viel besser gewesen als die beiden davor - auch das glaube ich nicht mehr. Das Problem war dass mein Selbstwert einfach zu niedrig war und ich mich mit Täuschungen zufrieden gegeben habe. Heute würde ich mich nicht mehr von hohlen Worten täuschen lassen, sondern gucken was jemand real TUT. Und was er tat war alles andere als eine gute Beziehung!
Egal wie eins ich mich auch mit gefühlt haben mag - das waren meine Gefühle, die von Manipulation beeinflusst waren, aber real waren wir nie eins! Das musste ich lernen anzuerkennen und viel trauern. Viel weinen und klagen. Freundinnen vollheulen, Tagbuch schreiben bis zum umfallen. 5 Tagebücher habe ich vollgemacht im letzten Jahr (zum Vergleich im Jahr davor nichtmal eines)
Liebe GTI, ich kann mir nicht vorstellen dass bei euch alles wirklich so rosig aussah, oder warum sonst bist du in diesem Forum gelandet?
Ich habe Listen lange geschrieben, alle Verletzungen, alle schlimmen Dinge, die er mir gesagt hat und die meinen Selbstwert angriffen (auch mir sagte er übrigens während dem S. so einiges...), ... alles was ich mir von ihm gewünscht hatte worauf er nie eingegangen ist, alle Vorwürfe die er mir zu Unrecht gemacht hatte und für die er sich nie entschuldigt hatte, die übertretenen Grenzen, die dann doch herausgekommenen Lügen, alle Male wo er mich hängen liess wenn ich ihn gebraucht hätte, alle Male die er mich versetzte und warten liess, usw, alles alles aufgeschrieben. Wenn ich wieder zu positiv an ihn dachte kramte ich einfach diese Liste raus und wusste wieder woran ich war.
So bin ich in die Wut gekommen. Wut über ihn, auch über mich selbst und die ganze Welt.
Ich habe meine Wut an Kopfkissen ausgelassen und sehr sehr viel geweint. Immer wieder.
Ich habe Gedichte geschrieben.
Ich hab kleine Rituale für mich selbst gemacht: zB mit einer Freundin an einen Fluss gehen, ein kleines Floß basteln und meine Wünsche die ich mit dieser Beziehung verband in Form von Zapfen und Zweigen symbolisch auf das Floß setzen, es ziehen lassen und ihm hinterhersehen und weinen. Eine Figur aus Stroh basteln, wie eine Voodoo Puppe, die ihn symbolisch darstellt, und ihn bei Regen in den Sturm setzen (da ging es darum meine Verantwortlichkeit ihm gegenüber über die ich mich begonnen hatte zu definieren loszulassen).
Meine Gefühle gemalt. Bücher über Narzissmus gelesen.
In diesem Forum geschrieben. Meine Therapeutin vollgeheult, und mich endlos wiederholt.
Zeitweise hatte auch ich das gefühl dieses Thema nimmt mein komplettes Leben ein, wird zu meinem Leben. Keine Konzentration auf mein damaliges Praktikum mehr möglich. Manchmal bin ich dort einfach auf der Couch in der Teamküche eingeschlafen. Gott sei Dank hatte ich einen sehr verständnisvollen Chef dort... ich hab mir den raum dafür genommen und auch den Raum dafür krank zuhause zu bleiben wenn es nicht anders ging.
Alles was ich wegen ihm nicht mehr gemacht habe weil er es nicht leiden konnte hab ich bis zum Exzess gemacht und mich bewusst darüber gefreut das endlich wieder machen zu können (zB Kartoffeln bis zum umfallen essen und singen singen singen egal wie schräg es klingt!)
Bin mit einer lieben Freundin in den Urlaub gefahren.
Neue Sachen ausprobiert, neuer Tanzkurs, Theater spielen. Mich selbst neu erlebt. Neue tolle Menschen kennengelernt. Zwei ganz wundervolle neue Freundschaften haben sich aus dieser Zeit entwickelt.
Ich habe angefangen alte Konflikte mit meinem Vater zu bearbeiten, so gut das mit diesem eben möglich ist. Es gab viele Parallelen und ich merke dass sich Knoten lösen - seit mit meinem Vater etwas beginnt sich zu bewegen (bzw in meiner Haltung zu ihm vor allem), vermisse ich meinen Ex deutlich weniger.
Alle Männer die ich kennenlerne beobachte ich jetzt genau und vergleiche, was für Seiten sie haben, die mich ansprechen, was mich an ihnen stört, und überlege ganz in Ruhe welche Kriterien mir wirklich wichtig sind. Wenn ich so ein aufgeregtes Flirren wahrnehme, das ich früher mit verliebtsein leichsetzte, bin ich besonders vorsichtig und gucke nochmal genauer hin. Meist stelle ich fest dass es eine Mischung aus Nervosität/Angst und Bewunderung ist, aber nichts mit Liebe zu tun hat. Ich beginne zu erkennen auf welche ungesunden Faktoren ich anspringe. Das betreibe ich fast mit wissenschaftlichem Ehrgeiz. Ich untersuche mich selbst und meine Muster mit Ehrgeiz und Leidenschaft, es ist so spannend! Anfangs war ich manchmal schockiert über mich, und sauer, aber mittlerweile bin ich mehr geduldig-belustigt
Lernen allein zu sein, mit mir selbst zu sein ist mein größtes Thema. Narzissmus (und Konarzissmus) ist das unbewusste Streben nach Einssein, nach Symbiose. Die narzistische Kollusion in der Partnerschaft hat genau dieses beiden Partnern unbewusste Thema. Keine Meinungsverschiedenheiten darf es geben, keine Unterschiede (J.Willi ist hierzu ganz interessant), daher keine Authentizität.
Wer bin ich ohne Beziehung? Worüber definiere ich jetzt mein Glück? Wie lerne ich alleine zufrieden zu sein und mir selbst die Bestätigung zu geben die ich in Beziehung gesucht habe? Wie kann ich aufhören nach Verschmelzung zu streben, gesunde Distanz zu wahren, Vertrauen langsam entstehen zu lassen statt in ein paar leere Worte und glänzende Augen hineinzuprojezieren?
Meditation hat mir viel geholfen. Zu lernen Gefühle wahrzunehmen ohne sich damit zu identifizieren oder darauf zu reagieren.
Hörspiele hören zum einschlafen ist schön und hilft.
Oder mir eine Massa. zu gönnen.
Vor allem: mich zu trauen ein Stück selbstgefälliger zu werden, ein bisschen mehr zu werden wie er - so doof das nach allem was er getan hat klingt. Ich versuche zu lernen was dieser Spinner hatte was mich angezogen hat, denn meist ist es ja eben das, was uns selber fehlt was wir deshalb suchen Ich übe also mich selbst andauernd zu loben, teils auch nur für irgendwelches belangloses Zeug dass ich geschafft habe. Oder sogar dafür, dass ich wenigstens erkannt habe, dass ich einen dummen Fehler gemacht habe. Und dann am besten gleich noch dafür loben, dass ich mich so toll gelobt habe. Und vielleicht auch noch dafür loben, dass ich mich gelobt habe mich gelobt zu haben. Hahahahahaha.
Das erstaunliche ist, dass das tatsächlich hilft.
Ich könnte diese Liste noch ewig fortsetzen, aber ich mag nicht noch mehr tippen. Ich hoffe es ist ein bisschen hilfreich und dass du Zugang zu der anderen Seite in dir finden kannst - die die diesen Dreckskerl und ganz zurecht hasst und in den Boden stampfen will!
10.02.2015 00:27 •
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