Guten Tag,
ich bin eigentlich kein Mensch, der seine Sorgen und Gefühle anderen preisgibt. Dies war möglicherweise auch genau das Einfallstor, in dem ich in den vergangenen 9 Jahren meiner Ex-Freundin mein Leben anvertraut habe.
Kurz zur Vorgeschichte - wobei kurz vielleicht gar nicht so einfach ist. Ich bin 40 Jahre und habe meine Ex im beruflichen Kontext vor 9 Jahren kennen gelernt. Zu diesem Zeitpunkt war ich (31) bereits 6 Jahre verheiratet und Vater eines Sohnes. Bereits die ersten richtigen Kontakte mit ihr (damals 20) hatten tiefe Gespräche über das Seelenleben meiner Partnerin zur Folge. Dies war deshalb logisch, da ich im Beruf ihre Vertrauensperson war. An dieser Stelle beschrieb sie recht offen, dass sie eine Borderline-Störung diagnostiziert habe und auch einige Male eine Selbsthilfegruppe besucht hatte. Ritzen war in dieser Phase immer mal wieder Thema. Ansonsten ist sie in ihrer Ausprägung allerdings das was man eine stille Borderlinerin nennt. Extrem beliebt, anziehend und Fremden und Autoritäten gegenüber überangepasst. In all den Jahren kam es nie zu Gewalt gegen andere, sondern im Gegenteil lehnt sie dies vehement ab. In Konfliktsituationen erfolgt ein innerer Rückzug, bis hin zur einem apathischen Verhalten.
Ich begleitete Sie für etwa 1,5 Jahre recht engmaschig und initiierte auch eine teilweise Ablösung vom Elternhaus. Sie zog als Hilfskraft auf einen mir gut bekannten Reiterhof. Da zu diesem Zeitpunkt die Beziehung zu meiner Ehefrau wirklich schwierig war und sie dies unter anderem mit meinem Kontakt zu meiner jetzigen Ex-Freundin in Verbindung brachte, brach ich den Kontakt ab, um mich anschließend um meine Familie kümmern zu können.
In mir blieb aber ein Gefühl, des Verlustes und der unerfüllten Verantwortung. So nahm ich von mir aus den Kontakt etwa 4 Monate später auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich dann schnell das Gefühl, dass meine Ex Freundin reifer und selbstbewusster geworden war. Aus der Beziehung wurde ein Miteinander auf Augenhöhe und bald eine (aus meiner Perspektive) innige Liebe.
Fortan lebte ich weiter in meiner Ehe (allerdings ausschließlich distanziert und aus Pflichtgefühl), in der keine Zärtlichkeiten mehr stattfanden. Die Beziehung zu meiner Ex Freundin blieb allerdings im Verborgenen.
Sie machte ihre Ausbildung zur Erzieherin mit Bravour und ging dann vor 3 Jahren im Anschluss noch einmal in Festanstellung auf den Reiterhof.
In den Jahren 1-4 unserer Beziehung hatten wir (durch meinen Beruf) regelmäßig (1x im Monat) wochenweise intensive Phasen miteinander, in denen wir gemeinsam arbeiteten, lebten, reisten. Diese Zeit empfinde ich noch heute als die glücklichste in meinem Leben, auch wenn wir nie den Schritt gingen wirklich ein gemeinsames Leben zu führen. Immer war einer skeptisch, aus meiner Perspektive meistens sie.
Die vergangenen 3 Jahre waren nun geprägt von Schwierigkeiten. Corona machte die gemeinsamen Momente sehr rar, vor 2 Jahren starb ihr Vater, plötzlich und unerwartet. Ihr Bruder, dem sie sich symbiotisch verbunden fühlt, entwickelte eine Epilepsie und in meiner Ehe wurde die Beziehung zu ihr public. Ein Jobwechsel meinerseits zu Anfang des Jahres, machte gemeinsame Zeiten noch rarer. In den ersten 4 Jahren gab es bereits zwei Trennungsphasen (jeweils in psychischen Belastungssituationen) und im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters eine weitere. Die stets von mir ausdauernd und mit Einfühlungsvermögen für ihre Situation innerhalb weniger Wochen wieder zusammen geführt wurden.
Dennoch hielten wir aneinander fest, schworen uns ewige Liebe und sie kündigte ihre Anstellung auf dem (200km entfernten) Reiterhof im Februar. Hier könnte man nun meinen, dass alles ein Happy End haben könnte. Leider ist dem nicht so. Ich spürte in all ihren Aktionen den Schmerz über den Verlust des Arbeitsplatzes mit den Pferden und Kindern, sie schickte (aus meiner Wahrnehmung) halbherzige Jobangebote und Wohnungsinserate. Ich sagte ihr, dass ich das Gefühl habe, dass sie gar nicht wirklich mit mir leben will und bot ihr an ihre Zeit dort zu verlängern. Aus Angst, dass die Ablösung von ihrem zweiten Zuhause ein zu große Hypothek für eine gemeinsame Zukunft ist. Heute weiß ich, dass sie meine abwartende Haltung als Abwehr und Fallenlassen deutete. Hinzu kamen Differenzen in der Zukunftsplanung (Kinderwunsch), die sie dazu veranlassten, die Beziehung als solche nicht mehr zu wollen.
Am Ende einigten wir uns darauf, dass eine Trennung besser sei. Doch schon in den ersten 24 Stunden hatte ich das Gefühl, das absolut Falsche getan zu haben. Ich nahm ihre Vorwürfe zum Anlass meine Positionen zu überdenken und es folgte eine 4 wöchige Phase mit distanziertem Kontakt. Dennoch aber weiterhin begleitet von den ritualsmäßigen Nachrichten am Morgen und vorm Einschlafen. Eigentlich dachte ich da an eine Wiederannährung, aber in dieser Zeit lernte sie einen neuen Mann kennen.
Wieder vorrangig per WhatsApp und ohne gemeinsame Basis.
Dieser (33 Jahre, beruflich erfolgreich und mit eigener Wohnung) nahm von nun an meinen Platz ein, was die geschriebenen Nachrichten angeht. Und seit dem letzten Wochenende auch körperlich. Meine Ex Freundin sagt, dass er all das mitbringt, was sie sich wünscht. Finanzielle Unabhängigkeit, die Möglichkeit einer unvorbelasteten Hochzeit und das gemeinsame Ersterleben von Familienphasen.
Rational hat sie sicherlich Recht, emotional kann ich mir nur schwer vorstellen, dass der neue Partner ein adäquater Ersatz für das sein kann, was sich in 9 Jahren bei uns gefestigt hat. Ich weiß über all ihre psychischen Besonderheiten Bescheid und meine gut darauf reagieren zu können. Die Offenlegung dessen steht in der neuen Beziehung auf jeden Fall ja irgendwann noch an. Außerdem werde ich von ihrer Familie sehr geschätzt und habe viele Talente von denen ich weiß, dass sie ihr etwas bedeuten (handwerklich geschickt, gut organisiert, sprachlich gewandt, kreativ, romantisch, liebevoll, aufmerksam im Bett, sehr hilfsbereit) . Noch dazu habe ich sie in den letzten 9 Jahren bei fast allen wichtigen Dingen ge- und unterstützt. Wir haben durch den Beruf und die damit verbundenen gemeinsamen Reisen und Zeiten, sehr! viele sehr! besondere gemeinsame Erinnerungen und auch über all die Jahre viele gute gemeinsame Zeiten erlebt (die letzte erst vor 6 Wochen). Gewissermaßen habe ich sie in ihrem gesamten bisherigen Erwachsenenleben begleitet.
Ihr jetzige Beziehung ist aus meiner Sicht eine klassische Rebound Beziehung. Noch am Tag der Trennung haben wir gemeinsam gepicknickt, nachdem wir (zu zweit!) ihr Zimmer auf dem Reiterhof abgebaut und verladen haben. Ich habe den Hänger bis vor ihre Haustür gefahren, wo sie nun vorerst wieder bei der Mutter eingezogen ist (wie häufig sie beim neuen Freund ist weiß ich nicht). Sie sagt, dass er einfach da war und sie Angst hatte alleine zu sein. Nun sieht sie aber in ihm die Chance auf ein normales Leben. Diese Zerissenheit meine ich zu spüren, nämlich einerseits die weiterhin bestehende Verbundenheit zu mir (auch wenn ihre Gefühle auf Eis gelegt wurden): Es tut mir alles so leid. Aber eben auch ihre Angst davor, eine Chance zu verpassen, wenn sie nun bei mir bleibt.
Dies hat in den vergangenen Tagen zu sehr reduziertem Kontakt geführt (3 Nachrichten am Tag). Und bei mir zu intensiver Auseinandersetzung mit der Frage, ob ich nun loslassen muss, oder noch eine Chance besteht. Paradoxerweise habe ich auch viel mit meiner Ehefrau darüber gesprochen, die der festen Meinung ist, dass meine Ex-Freundin zu mir zurück kommen wird.
Ich bin mir aufgrund der Borderline Persönlichkeit nicht so sicher, auch wenn ich erleben musste, wie nach dem Tod des Vaters um die positiven Anteile getrauert wurde und noch immer wird. Aus meiner Sicht dürfte ich eigentlich mindestens einen vergleichbaren Stellenwert haben, da ihr gesamtes heutiges Leben ganz eng mit meinem verknüpft ist. Ich fühle mich auch icht abgewertet, sondern werde in der Kommunikation noch immer freundlich bedacht und sie war besorgt, als im am Wochenende einen Verkehrsunfall hatte. Letztlich ist allerdings auch die Lebenssituation des neuen Partners eine nicht zu unterschätzende Größe.
Unabhängig von meiner ungeklärten Wohnsituation frage ich mich daher, ob es noch eine Chance gibt wieder mit ihr glücklich zu sein. Ich verspüre den tiefen Wunsch danach und bin auch bereit die notwendigen Schritte zu gehen. Ob hier aber eine Kontaktsperre wirklich richtig ist weiß ich nicht. Insgeheim hoffe ich natürlich auf das Scheitern der Rebound Beziehung, durch die BL ist dennoch die Frage ob es nicht auch dort statt zur Trennung zu on-off kommen wird.
Ich würde mich freuen, wenn ich objektive Gedanken zu meinem Thema bekommen könnte und danke schon jetzt für's Lesen.
der Stefan
05.09.2022 14:02 •
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