Wir haben keine Kinder.
Es ist alles da. Das wundervolle Zweisamkeitsgefühl, Liebe, Zukunft, sogar frische Verliebtheit, Kompromissbereitsschaft, Wärme. Ich bin so gerne für sie da, ich gehe dabei einfach auf. Für mich ist es das, was ich unter Liebe verstehe.
Wenn es gut ist, ist es gut. Selbst wenn ich versuche, es in Frage zu stellen, ist es immer noch gut. Dies ist zu einem Fundament herangewachsen, das, wenn ich darauf zurückfalle, mir Sicherheit in meinen schlechten Zeiten gibt. Nur leider gibt es auch die andere Seite. Und schon weiß ich nicht mehr ob sie mir nicht genug ist, oder ich mir selbst. Dazwischen kann ich einfach nicht unterscheiden. Diese Frage quält mich auch.
Ich habe Schwierigkeiten in Beziehungen. Meine vorherigen Beziehungen, falls ich das so nennen kann, waren kurzeitig. Erst jetzt, seit ich mit meiner Partnerin zusammen bin, verarbeite ich all dies, was früher geschah. Ich verstehe erst jetzt, warum mein voriges Leben so verlief. Ich habe mich in den letzten Jahren so gut kennengelernt, wie nie zuvor.
Ich habe als Kind schon nicht gelernt, Menschen zu vertrauen. Ich wurde verstoßen, ausgegrenzt und als nicht richtig behandelt. Als sich meine Eltern scheiden ließen, bekam ich dies im Kindesalter mit, vor allem der Streit zwischen Ihnen. Ich war noch ein Kleinkind, deswegen sind die Erinnerungen schleierhaft, aber nicht weniger verständlich - also jetzt, im Nachhinein. Die Beziehung zu meiner psychisch labilen, alleinerziehenden Mutter war - im Nachhinein gesehen - unangenehm eng. Ich war eine Art Partnerersatz, für die ich herhielt. Diesen Part übernahm ich als Kind, was ich erst jetzt im Erwachsenenalter vertehe.
So lernte ich auch all die Ängste meiner Mutter kennen, so dass ich mich als Kind um sie sorgen musste. Teilweise hatte ich schreckliche Todesangst um sie. Wenn sie mich schlug, tat ihr das kurz danach so leid, dass sie mich darauf hin in den Armen hielt, nur um mich dafür zu benutzen, damit sie sich trösten kann. Es ist bis heute das ekelhafteste, erniedriegendste Gefühl, was ich je erlebt habe. Ich bin in ihren Armen bei lebendigem Leibe verbrannt. Emotional wurde ich missbraucht.
Ich wurde ein schwieriges Kind, was eigentlich nur geliebt werden wollte. Und von diesem Zeitpunkt an, wurde ich immer auffälliger im Verhalten, nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen, nur, um überleben zu können. Mich sah ja keiner, bzw. es war schon zu spät um etwas zu retten.
Mit meinem auffälligen Verhalten kam meiner Mutter nicht klar. Ich wurde hin und her geschoben, war auf Schulen für schwer Erziehbare, wurde geschlagen und eingesperrt und psychisch bestraft. Ich wurde hin und her gereicht, von einer Einrichtung in die nächste, wie ein Paket, wie ein Ding. Ich wurde mit Medikamenten ruhiggestellt und als AD(H)S-Kind abgestempelt. Furchtbar, ich wurde als etwas behandelt, was gar nicht so war. Ich wollte doch nur geliebt werden.
Als ich ins heilpädagogische Kinderheim kam, erfuhr ich das Wegreißen von meiner Mutter, obwohl sie mir ja schadete. Das Wegreißen fühlte sich wie Sterben an, aber man stirbt nicht.
Es ist verrückt, aber als Kind liebt man seine Mutter, auch wenn sie das Schlimmste mit ihrem Kind tut.
Ich denke, man kann sich nun gut zusammenreimen, wie schwer der weitere Verlauf meines Lebens sein würde. Ich drehte lange meine Runden, habe über 10 Jahre übermenschlisch, exzessiv gesoffen. Ich habe mir selber das zugefügt, wie ich es gelernt habe. Und von Beziehungen habe ich - wie oben erwähnt - etwas Krankes vermittelt bekommen. Ich kenne es nur so. Jetzt trinke ich seit knapp 10 Jahren keinen Alk. mehr. In den 10 Jahren merkte ich aber, wenn etwas wegfällt, muss auch was anderes dafür wieder her. Und es wird auch noch sehr lange dauern, bis ich glücklich bin.
Mir ist nach vielen, unterschiedlichen Therapien nun klar, was in meinem Leben schief gelaufen ist. Ich verstehe ganz genau, was mir damals wiederfahren ist. Es ist ok, denn eigentlich bin ich völlig ok. Ich mag einiges an mir, andere auch. Ich bin ja auch ein ganz normaler Mensch, halt nur einer, der viel Mist erlebt hat.
Das einzige Problem ist, dass ich damit noch nicht so gut umgehen kann. Wenn ich mich durch meine Partnerin getriggert fühle, geht es noch oft schief, Streits bzw. Verletzungen sind die Folge. Erst hinter merke ich, was passiert ist. Aber ich weiß immer besser zwischen mir und meiner Partnerin zu unterscheiden, sie kann nichts für meine Vergangenheit und es tut mir unendlich Leid, wenn sie dafür alles abbekommt.
Wir gehen damit auch offen um, sie und ich wissen - sie ist ja auch quasi mein Gegenpart, aber um sie geht es hier nicht - worauf wir uns einlassen. Das ist aber keine Entschuldigung für unfaires Verhalten. Schwierig wird es, wenn wir uns beide getriggert fühlen, das ist dann nicht mehr aufzuhalten. Es folgt großes Leid, viel Trauer, Enttäuschung, Unsicherheit mir und ihr Gegenüber, viele Schuldgefühle, als wenn sich einfach alles auflösen würde. Einfach ein Scherbenhaufen.
Es gibt gute und schlechte Tage, heute war es ein schlechter.
Es ist jetzt ziemlich weit ausgeholt. Ich habe keine Probleme über meine Vergangenheit zu sprechen. Dies diente aber mehr dem Verständnis, um das zu verstehen, was HEUTE ist.
20.08.2021 22:53 •
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