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Es war einmal - Ich erinnere mich!

H

12.02.2023 22:48 • x 1 #31


H
Hey, weisst du noch damals…?


Februar 1995. An diesem Abend kann ich mich sehr gut erinnern.

Ich erinnere mich, wie ich früher als üblich nach Hause kam. Es war kurz nach neun und ich wollte früh ins Bett, weil wir am nächsten Tag sehr früh mit der Klasse ins BIZ gehen wollten.

Als ich nach Hause kam, saß mein Vater im Wohnzimmer und schaute Fern.
Ziehe deine Schuhe aus, setz dich hierhin und zeigte dabei auf das andere Sofa neben ihm, in dem er saß.

Was gibt's?
Im Sommer fahren wir nach Griechenland und werden ein Familienmitglied besuchen, das du noch nicht kennst.
Ich dachte mir, okay, es gibt viele die ich nicht kenne. So viele Cousinen und Cousins, die ich habe, ist es unmöglich alle zu kennen. Bedenkt man die Tatsache, dass ich sehr jung war als ich aus Griechenland gekommen bin.
Und wer ist das? Fragte ich.
Es ist dein Bruder!

Wie ich euch schon erzählt habe, waren wir sehr arm. Meine Mutter wurde mit meinem Bruder schwanger nach mir.
So trafen sie eine schwere Entscheidung und gaben das Kind zur Adoption an eine besser betuchte Familie, die keine finanziellen Probleme hat frei.

Der Vater meines Bruders bekam nach vielen Jahren Krebs und die Schmerzen waren so stark dass er sich das Leben nahm. Sie hatten eine Scheune und dort hängte er sich auf. Als eines Nachmittags mein Bruder von der Schule kam, ging er in die Scheune und fand ihn dort hängend.
Seine Mutter erzählte ihm dann von der Adoption und fragte ihn ob er seine leibliche Eltern kennenlernen möchte. Er sagte ja.

Ich war erst schockiert und konnte es nicht verarbeiten. Es hat eine Zeit gebraucht, bis ich mit dem Gedanken zurechtkommen konnte, was da gerade passiert ist.

Die Monate vergingen, die Schwangerschaft von Nadine hielt ihre Eltern nicht davon ab weiter gegen mich zu wettern und meine Eltern waren auch nicht besser. Jeder schien gegen uns zu sein, doch wir verstanden nicht warum. Wir liebten uns doch und wollten zusammen sein. Einfach nur zusammen sein.

Ich erinnere mich an den Juli 1995. Es war Nachmittag und ich war alleine zuhause, als das Telefon klingelte.

Herakles?
Ja?
Ich bin's, Sandra. Nadine ist im Krankenhaus und hat das Kind bekommen.
Was? Warum habt ihr mir vorher nicht bescheid gesagt?
Ihre Eltern wollten nicht dass du dabei bist. Ich bin gerade hier und habe das mitbekommen. Bitte erzähle ihnen nicht dass ich dich informiert habe.

Ich legte den Hörer auf und rannte los. Wie ein Sprinter sprang ich über jedes Hindernis dass sich mir in den Weg stellte und eilte zum Krankenhaus. Endlich war ich da und ich lief in ihr Zimmer. Meine Tochter lag bei Nadine in den Arm, die Mutter von Nadine saß daneben.

Ich erinnere mich, wie ich zu ihr ging und das erste Mal die Kleine hochheben wollte, bis ihre Mutter plötzlich aufstand und meine Hände weg schob. Sie nahm die kleine und sagte:
Ich nehme sie zuerst. Immerhin muss ich für das Kind gerade stehen. Du wartest.

Fortsetzung folgt…

13.02.2023 08:46 • x 10 #32


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Es war einmal - Ich erinnere mich!

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Hey, weisst du noch damals…?


Der Moment der Wahrheit war gekommen. Ich ging mittlerweile in die 10te Klasse und als ich eines Nachmittags von der Schule kam, lag ein Brief auf den Küchentisch.
Das Jugendamt!

Es ging um die Vaterschaftsanerkennung und das ich an einem bestimmten Datum mit meinen Eltern dort erscheinen müsse.
Mein Vater und meine Mutter waren nicht gerade begeistert, mit ihrem 17-jährigen Sohn einen solchen Schritt zu machen.

Die Gesetzeslage 1995 war in solchen Fällen folgendermaßen.
Wird ein Kind unehelich geboren, hat der Vater keine Rechte. Absolut keine.
Ist es wie in diesem Fall sogar so, dass die frischgebackenen Eltern minderjährig sind, so bekommen die Eltern der Mutter die Vormundschaft und das Sorgerecht behält das Jugendamt bis zur Volljährigkeit der Mutter.

Der Beamte vom Jugendamt war ein sehr unfreundlicher und unsympathischer Mann.
Er belehrte mich aufs Schärfste und machte mir immer wieder deutlich, dass ich nichts zu sagen habe.
Wenn Sie die Vaterschaft nicht anerkennen, müssen wir klagen und dann wird ein Vaterschaftstest gemacht. Ist dieser positiv, kostet sie das 5000 DM, weil es nur zwei Institutionen in Deutschland gibt, die solche Tests durchführen.!
Natürlich unterschrieb ich die Vaterschaftsanerkennung und ich zweifelte auch nicht daran. Trotzdem war dieser Mann mir gegenüber, damals noch ein Kind, sehr respektlos. Auch deshalb, weil meine Eltern dabei waren, somit hatte er keinen Respekt ihnen gegenüber.

Ab da ging es nur bergab.
Meine und die Eltern von Nadine taten alles, um uns auseinander zu bringen. Es vergingen ungefähr sechs Monate als ich eines Abends bei ihr war, die kleine in ihrer Wippe, es war bereits dunkel und Nadine wollte wieder mit mir reden.

Ich mache Schluss!
Was? sagte ich, Aber warum, wieso?
Ich liebe dich nicht mehr und es ist vorbei. Ich will, dass du jetzt gehst. Meine Eltern möchten nicht, dass du noch mal herkommst.
Für einen Moment brach wieder in meinem kurzen Leben eine Welt zusammen. Gerade 17 Jahre alt, und doch soviel Schmerz erfahren zu müssen war echt hart.
Kann ich wenigstens die kleine weiter sehen? Dabei schossen mir die Tränen nur so aus den Augen…mein Herz raste ununterbrochen. Ich dachte, es stoppt in jeden Augenblick.
Nein! Du kannst die Kleine nie wieder sehen.

Fortsetzung folgt…

13.02.2023 20:55 • x 10 #33


H
Hey, weisst du noch damals…?

Der Februar 1996 hatte etwas besonderes. Nachdem die Beziehung mit Nadine vorbei war vor ca. zwei Monaten, lief mein Leben weiter wie gewohnt.
Ich traf mich weiterhin im Park mit unseren Freunden und an einem Abend gingen mein bester Freund und ich zur Fahrschule und meldeten uns für den Führerschein an.

Ich erinnere mich, wie wir beide im Anschluss zu unserem Freund aus der Clique gegangen sind und die freudige Botschaft verkündet haben. Johann und ich werden im Sommer endlich Auto fahren. An diesem Abend bei Robert, war auch ein anderes Mädchen da, dass ich vom Sehen her kannte. Sie war die beste Freundin von Roberts Schwester, blond, sehr hübsch und hatte ein unglaublich schönes Lachen. Sie kam aus Polen und hatte noch zwei Brüder, die ebenfalls bei uns zur Schule gingen.
Ihr Name war, Annette.

Nachdem ich das letzte mal im Januar mit Nadine telefonierte um etwas zu bewirken und meine Tochter doch noch weiter zu sehen und ihre Mutter aus dem Hintergrund rufen hörte, wenn du mit ihm noch einmal zusammen kommst, nehme ich dir das Kind weg schloss ich das Kapitel für einen Moment ab.
Der Moment, als ich Annette traf, war irgendwie schön. Sie war mir gegenüber sehr distanziert und weckte irgendwie meinen Jagdinstinkt.

Ich erinnere mich, wie Annette an diesem Abend nach Hause ging.
Ist Annette schon weg, wann ist sie gegangen?
Gerade eben, sagte Gisela, sie ist vor fünf Minuten raus.
Scheîße, in welche Richtung?
Die Straße hoch.

Ich rannte sofort raus und ich erinnere mich, dass es geregnet hatte. Annette ging zum Glück langsam und ich konnte sie noch einholen.

Hi.
Hi, lächelte sie und schien sehr verwundert, was machst du? Warum rennst du mir hinterher?
Du gehst in die neunte, stimmt das?
Ja, meine Klasse ist zwei Türen neben deiner. Schön dass es dir bis heute noch nicht aufgefallen ist.
Doch, doch das ist mir aufgefallen. Ähm, hast du Lust wenn wir beide mal was machen? Ich bin morgen mit der Clique im Park. Komm einfach vorbei.
OK, vielleicht. Mal schauen.

Ich erinnere mich in meinem Leben, dass ich noch nie die Liebe auf den ersten Blick getroffen habe. Bis heute ist es mir nicht gelungen, eine Frau zu treffen und zu sagen, boah, mein Herz rast vor Glück, ich habe mich sofort verliebt. Nein, es war mehr eine Entwicklung. Erst nach ein paar Treffen oder gemeinsamen Zeit verliebte ich mich, und später wurde es Liebe.
Wer weiß, vielleicht darf ich das auch irgendwann erleben, auf die Frau zu treffen, die eine, die mein Herz von der ersten Sekunde an schon fast zum Stillstand bringen wird.

Am nächsten Abend verabredeten wir uns im Park. Es war Valentinstag und ich hatte mit meinem Taschengeld eine kleine Rose gekauft, die ich in der Innenseite meiner Lederjacke versteckte.
Ich wusste natürlich nicht ob sie kommt und ich war sehr gespannt.

Meinst du, die kommt? Fragte ich Johann.
Keine Ahnung. Ihr Bruder hat mir heute gesagt, dass sie einen Freund in Polen hat.
Echt? Das finde ich raus. Und wenn schon, was will sie mit jemanden in Polen? Ich bin doch hier, hallo?
Johann lachte und sagte,
Herakles wie er leibt und lebt…

Plötzlich kam sie vom unteren Ende in den Park. Sie sah uns und winkte uns zu. Ein riesen großes Lachen konnte ich erkennen.

Das ist für dich, sagte ich und übergab ihr die Rose. Die anderen schauten zu und erwarteten gespannt auf ihre Reaktion.
Dankeschön, dabei roch sie an ihr sie riecht gut.

Es vergingen zwei Wochen wo ich täglich um Annette warb. Am 26.02.1996, wurden wir ein paar und das für die nächsten sechs Monate.

Fortsetzung folgt…

13.02.2023 21:46 • x 7 #34


H
Hey, weisst du noch damals…?

Ich erinnere mich, dass Annette zu fast jedem Training von mir beim Kickboxen dabei war. Sie saß einfach auf der Bank und schmachtete mich an, was mich dazu veranlasste, mir noch mehr Mühe zu geben um sie zu beeindrucken.

Mit ihren Freund in Polen hatte sie per Brief im März Schluss gemacht. Ob er ihr zurückgeschrieben hat weiß ich nicht, aber irgendwann fingen wieder die Sommerferien an und der Zeitpunkt für den Urlaub mit ihren Eltern. Sie wollten nach Polen, in ihre Heimat und Annette wollte sich mit mir alleine im Park treffen um sich für die nächsten vier Wochen zu verabschieden.

Hi, grüßte sie ich kann nicht lange bleiben, muss meine Mutter noch helfen.
Echt? Wir werden uns lange nicht sehen.
Herakles, ich muss dir etwas sagen. Es tut mir leid, aber ich werde meinen Exfreund in Polen treffen und ich möchte mit dir jetzt schluss machen.
Wie jetzt?

In diesem Moment legte sich bei mir ein Schalter um. Es war so, als ob plötzlich alle Programme in meinem Gehirn mit einem Wimpernschlag gelöscht wurden. Sie wollte mir einen letzten Abschiedskuss geben, doch ich blieb kalt, regungslos, gefühllos.
Ich drehte mich einfach um und ging. Keine Tränen, keine Trauer. Nur Wut, Enttäuschung, Verachtung.
Dieser eine Moment erweckte in mir einen ganz neuen Menschen, einen Menschen, an den ich mich nicht gerne erinnere.
Aber für euch werde ich es tun, denn es wäre nicht fair von mir euch beim Glauben zu lassen, ich wäre immer so gewesen wie ich heute bin. Bei weitem nicht, ganz und gar nicht.

Fortsetzung folgt…

13.02.2023 22:33 • x 10 #35


VictoriaSiempre
Ich finde es ja durchaus interessant, Deine Erinnerungen zu lesen. Aber ich hoffe irgendwie, dass Annette nicht Annette hieß, auch nicht aus Polen kam und nicht in Deiner Parallelklasse war. Oder dass Du mit ihr einvernehmlich geklärt hast, auch ihre Lebensgeschichte bzw. einen Teil davon hier auszubreiten.

Gilt für alle anderen, die Du (vor)namentlich hier nennst, für mich übrigens auch.

Für mich wäre es überhaupt nicht okay, wenn mich jemand - auch wenn es durchaus wertschätzend geschrieben ist - ohne Rücksprache in seinen Memoiren in einem öffentlichen Forum erwähnt.

13.02.2023 22:48 • #36


H
Zitat von VictoriaSiempre:
Ich finde es ja durchaus interessant, Deine Erinnerungen zu lesen. Aber ich hoffe irgendwie, dass Annette nicht Annette hieß, auch nicht aus Polen ...

Die Namen (bis auf den meiner frau) sind nicht die echten! Ich kenne mich mit dem Gesetz ganz gut aus, danke aber für den Hinweis.
Meine Frau hat mir ihre Erlaubnis dazu gegeben.

13.02.2023 22:50 • x 6 #37


H
@VictoriaSiempre noch etwas möchte ich hinzufügen.
Diese Frage zum Beispiel die du gestellt hast, was durchaus eine berechtigte Frage und ein Hinweis ist, hätte man per pn klären können.

13.02.2023 22:52 • x 8 #38


H
Eine kurze Zwischenmeldung für alle!

Das was ich hier tue, ist eine Therapie für mich selbst, um Dinge zu verarbeiten die in meinem leben passiert sind.

Die Dinge und die Situationen die ich beschreibe, sind Tatsachen die so passiert sind, jedoch die Namen wurden geändert. Alle bis auf Nadine, den von ihr habe ich die Erlaubnis diesen zu nutzen.

Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, dürft ihr mich gerne freundlich anschreiben, und ich werde euch gerne freundlich antworten.

Ich hoffe das klärt so manche Fragen.

Nein, ich will kein Buch schreiben und Geld damit verdienen.

Nein, ich brauche kein Mitleid und keine Anerkennung.

Es ist für mich. Ich könnte es in einen Computer eingeben, habe ich aber nicht gemacht. Ich habe diesen Weg gewählt, weil ich es einfach so möchte.

Wem das auf die Nerven geht, oder er sich in irgendeiner Art und Weise von mir getriggert fühlt, oder er mag mich nicht, oder, oder, oder.

Bitte den Thread auf ignorieren setzen, diese Möglichkeit besteht.

Das ist jetzt allgemein gemeint und nicht auf die Frage vorhin. Nur falls noch mehr kommen sollten, sie stören mich hier bei der Aufarbeitung.

Vielen Dank

13.02.2023 23:06 • x 12 #39


H
Hey, weisst du noch damals…?

Die Sommerferien von 1996 hatten begonnen und meine Eltern fuhren wie gewöhnlich für sechs Wochen nach Griechenland. Dieses Mal blieb ich hier und ich erinnere mich was das für eine Überredungskunst gewesen ist, bis sie zustimmten und nur meine Schwester mitnehmen. Sechs ganze Wochen sturmfrei. Dieser Sommer blieb bis heute unvergessen und das nicht nur im positiven Sinne.

Ich erinnere mich dass ich anfing mich auszutoben, aber im warsten Sinne des Wortes. Ich ließ nichts unversucht, dro., Alk., S.. Fast täglich fand bei mir zuhause eine Party mit ca. 20 Leuten statt. Jeden Tag kamen zum Teil neue weil jeder mal nen Freund oder Freundin mitbrachte. Aber es waren jedesmal so um die 20 Personen im Haus. So kam es dazu, dass sich bei mir Eskapaden stattfanden, die man lieber unerwähnt lässt.

Ich erinnere mich an meinen 18ten Geburtstag, August 1996. Johann, der einen Monat zuvor seine Führerscheinprüfung bestanden hatte, kaufte sich einen Golf 2 und holte mich ab um feiern zu gehen.
Wir standen an einer großen Kreuzung hier in Solingen, die Fenster runter, alle cool gekleidet, Musik laut aufgedreht und hinten saßen noch drei andere Freunde aus unserer Clique, unter anderem Robert.
Während wir an dieser Ampel standen, schaute ich nach links. Neben uns stand ein anderes Auto mit vier Männern drin, alle zwischen 25-30 Jahre alt.
Doch den Mann, der auf den Beifahrersitz saß, erkannte ich. Meine Laune Schoß in den Keller. Ich schnallte mich ab!

Erinnern wir uns:
Zitat von Herakles:
Ich erinnere mich, dass ich nach einem solchen Abend die Disco um 22 Uhr verlassen hatte. Ich schlenderte so den Bürgersteig entlang in Richtung Heimat, als ich plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung einen heftigen und brutalen Fußtritt von der Seite ins Gesicht bekam.
Ich fiel rückwärts zu Boden und schlug mit meinem Hinterkopf auf den Bürgersteig auf. Mit meiner rechten Hand hielt ich in mein Gesicht und sah das viele Blut, dann kam ein weiter Tritt von links mit dem linken Fuß eines anderen Mannes. Es war so, als würde er gegen einen Fußball treten. Plötzlich kamen noch mehr und ich schützte nur noch meinen Kopf mit meinen Armen, drehte mich zur Seite und rollte mich zusammen.

Das reicht, lasst uns abhauen. hörte ich einen sagen.
Ich hörte sie weglaufen und ich raffte mich auf die Knie, den Körper nach vorne gebeugt, meine Hände auf den Asphalt und aus meinem Gesicht lief das Blut runter zum Boden. Dabei drehte ich meinen Kopf in die Richtung, in der sie wegliefen. Es waren vier Jugendliche, um die 18-20 Jahre alt. Sie bogen in die nächste Gasse, doch der letzte blieb kurz davor stehen und drehte sich zu mir um.
Ich erinnere mich wie er lachte, schaute mir in die Augen und zeigte mit den Finger auf mich. Ich kannte sie nicht. Weder ihn noch die anderen.
Aber wer hätte gedacht, dass das Stehenbleiben in diesem Moment, das sich umdrehen und sein Gesicht preisgeben, eine schicksalhafte Begegnung, vier Jahre danach haben würde. Er konnte nicht ahnen, dass er dafür vier Jahre danach mit fast gleicher Münze für seine Tat bezahlen würde.



Was machst du, wo gehst du hin?
Ich lief um das Auto herum und direkt auf den Beifahrer zu. Ich sah ihn direkt in die Augen, die ganze Zeit und ich sah in seinen, dass er mich erkannte. Vier Jahre ist das her. Vier Jahre hat es gedauert, bis ich auf ihn wieder traf.
Ohne jegliche Vorwarnung, ohne ein Wort oder ruf, schlug ich mit geballter Kraft und Faust ständig in sein Gesicht.
Er saß immer noch im Auto, seine freunde versuchten meine Schläge die mit meiner rechten Hand ununterbrochen kamen abzuwehren, doch ohne Erfolg. Sie waren schockiert, konnten mit der Situation nicht umgehen. So wie ich damals auch. Ohne Vorwarnung, ohne Schuld, einfach so.

Das ganze hat nur Sekunden gedauert. Wieder ohne ein Wort zu sagen lief ich zum Auto zurück, die Ampel war wieder auf rot und die Autos hinter uns wendeten nach diesen Anblick und fuhren schnell weg. Johann sprintete über rot los.
Ich habe den Mann nie wieder gesehen!

Fortsetzung folgt…

13.02.2023 23:34 • x 6 #40


Gorch_Fock
Wow, Herakles, toll Deine Geschichte zu lesen. Gerade wenn man fast im gleichen Alter ist. Aber halt das behütete Leben im westdeutschen NRW erlebt hat. Du hast da einiges mehr durch gemacht als gleichaltrige Deutsche. Erschreckend auch die ausländerfeindlichen Ationen Anfang der 90er (wir denken nur an die Brandanschläge in Solingen). Vermutlich hat Dich genau diese Szene damals attackiert. Fast überall gab es damals Szenekneipen in denen man Skins rumhängen sah. Das war nicht ohne. Was ich aber auch bei Freuden aus dem Arbeitermilleu gesehen habe: man konnte ein gutes Leben führen. Die Gesellschaft war deutlich nivellierter als heut zu Tage, die Schere zwischen arm und reich nicht so groß. Das ist heute deutlich sichtbarer. Spannend, bin auf weitere Geschichten gespannt.

13.02.2023 23:36 • x 5 #41


H
Zitat von Gorch_Fock:
Wow, Herakles, toll Deine Geschichte zu lesen. Gerade wenn man fast im gleichen Alter ist. Aber halt das behütete Leben im westdeutschen NRW erlebt ...

Danke dir. Bei den Brandanschlag damals war hier Ausnahmezustand. Ich war bei der Demo dabei....Es spielten sich aber auch durch die Demonstranten katastrophale Zustände ab. Es ist aber zuviel um alles aufzuschreiben.

13.02.2023 23:39 • #42


H
Hey, weisst du noch damals…?

Ich erinnere mich an den Tag meiner Führerscheinprüfung. Es war Oktober und das Wetter spielte mit.

Guten Morgen, ich bin ihr Prüfer heute. Da ich jetzt gerade frisch aus dem Urlaub komme, weiß ich nicht, wo welche Baustellen sind, deshalb werden die Anweisungen von Ihrem Fahrlehrer kommen. Also wie bei einer normalen Fahrstunde.
Jackpot, dachte ich mir. Noch besser kann es nicht laufen und ich bestand die Prüfung ohne Probleme.

Zu dieser Zeit arbeitete ich in einer Kernmacherei. Verdiente also mein Geld und wohnte noch zuhause bei meinen Eltern. Ein Auto hatte ich noch nicht, also borgte ich mir täglich den Audi 80 von meinem Vater. So lange, bis ich im April 1997 mein allererstes Auto kaufte. Einen roten Suzuki Swift GTi, mit über 100 PS. Mann war ich stolz. Ein Gefühl der Unabhängigkeit war plötzlich da. Ein besonderes Gefühl der Freiheit.

Mein Leben lief nur noch auf Party Modus ab. Täglich nach der Arbeit in unserem Stammcafe, außer an Trainingstagen, am Wochenende Party in der Disco und niemals alleine nach Hause zu gehen, war die Devise. Und so hielt es sich für mehrere Jahre. An fast jedem Wochentag und an jedem Wochenende.

Ich erinnere mich, als 1996 während des Trainings mein Coach auf mich zukam. Dabei hatte er einen Mann, Koreanischer Abstammung, wie es sich später herausstellen sollte bei sich.
Herakles, hör mal kurz auf, ich möchte dir jemanden vorstellen.
Hallo. grüßte ich den Mann.
Das ist Sensei Jong. Er hat eine Taekwondo Schule in Wuppertal.
Das ist der Junge, von dem ich dir erzählt habe, er hat eine gute Beinarbeit und ich glaube er wäre bei dir besser aufgehoben.
Hast du Lust, bei mir zu trainieren? fragte er mich und im ersten Moment wusste ich gar nicht, was ich sagen soll.
Ahm, ich kann es mir mal anschauen. Ich habe vorher noch nie Taekwondo gemacht.
Eine Woche später besuchte ich sein Dojo und was soll ich sagen. Eine neue Sport Ära begann. Taekwondo wurde für mich von einem Moment zum anderen, zu einem sehr wichtigen Teil meines Lebens.

Ich erinnere mich an mein erstes Turnier. Ich war ganze 30 Sekunden auf der Matte, bis ein gesprungener Drehkick mich voll auf die Zwölf traf und ich auf der Bank wieder aufwachte. Das werde ich niemals vergessen. Die Zeit war wirklich toll. Alle zwei bis drei Monate nahm ich an Wettbewerben und großen Turnieren teil.

Ich erinnere mich auch, wie kurz nach meiner 1. Dan Prüfung 2001, also mein Schwarzgurt, ich bei der Landesmeisterschaft ins Finale kam und den zweiten Platz belegte. Ein paar Monate später, das war im Juni 2001, schaffte ich bei der Deutschen Meisterschaft den ersten Platz. Ich bekam ein Riesenpokal, den ich gerne damals präsentierte. Eine wirklich tolle Zeit, doch ich brauchte etwas Neues. Eine neue Herausforderung, so verließ ich meinen Trainer und dem Sport und kam zum Karate!

Fortsetzung folgt…

14.02.2023 00:39 • x 6 #43


H
Hey, weisst du noch damals…?

Ich möchte gerne einen Zeitsprung machen. Durch das Schreiben schießen uralte Erinnerungen von der Trennung mit Nadine im Winter 1995, bis zum Jahr 2000 hoch, die nicht so schön waren. Ich möchte sie hier auch nicht reinschreiben, weil sie zum Teil einfach zu heftig waren.
Ich kann nur soviel sagen, dass es eine sehr turbulente, abwechslungsreiche Zeit war. Es ging nicht immer legal zu, ich konnte mich an keine Frau mehr fest binden, ich flog mit 19 Jahren nach einem Streit mit meinem Vater an Silvester Nachmittag von zuhause raus und musste alleine neu beginnen. Die erste Nacht verbrachte ich im Auto. Es ist sehr viel einfach. Zu viel, für ein Leben!

Ich erinnere mich wie im Sommer 2000 mein Telefon zu hause klingelte. Es war mitten in der Woche und ich schaute in meiner kleinen 2 Zimmer Wohnung fern.
Herakles?
Ich erkannte seine Stimme sofort. Mich überkam ein kalter Schauer, mein Herz klopfte wie verrückt und ich wusste nicht was ich sagen soll.
Ja, sagte ich wie kommt es dass du mich anrufst nach knapp fünf Jahren? Und woher hast du meine Nummer?
Es war Nadine's jüngerer Bruder.
Die Kleine möchte dich sehen und Nadine hat sich nicht getraut dich anzurufen. Deine Nummer steht im Telefonbuch.
Da hätte ich trottel auch drauf kommen können. Wir machten ein Treffen für den folgenden Samstag aus.

Ich erinnere mich, dass meine Tochter damals in den Kindergarten ging. Dort sag sie andere Kinder die von ihren Väter abgeholt wurden, bei festen mit ihnen spielten und so kam es dazu das sie nach ihren eigenen Papa fragte.

In der Zeit der Trennung hatte Nadine ein ähnlich turbulentes Leben gehabt. Ich war wie von ihren Gedanken und Erinnerungen weggelöscht. Und auch ich habe nach der Aussage ihrer Mutter damals nie wieder Kontakt aufgenommen. Das hätte ich versuchen sollen. Das war ein sehr großer Fehler meinerseits damals. Ich war so dermaßen in meinem Tunnel, meine Welt, dass ich alles ausblendete.

Ihre Eltern waren damals immer noch nicht einverstanden dass ich das Kind sehe. Sie waren so dreist sogar, sie behaupteten überall, ich hätte sie verlassen. Aber auch Nadine stellte es damals nie klar.

Ich erinnere mich, wie wir uns immer regelmäßiger sahen, mehr Zeit miteinander verbrachten, ins Kino gingen, zusammen in die Disco und auch sehr viele Abende bei ihr auf der Couch.
So kam es wie es kommen musste und wir verliebten uns wieder ineinander.

Vier Jahre später, da war unsere zweite Tochter bereits geboren, haben wir geheiratet. Eine schöne standesamtliche Hochzeit hier in Deutschland und eine Kirchliche in Griechenland.
Das war ganz witzig, denn Nadine war nicht getauft. Sie musste in einem riesen Metallbecken steigen, um sich taufen zu lassen.

Wir haben viele Hürden bezwungen. Bauten uns sehr viel auf. 2006 kamen unsere Zwillinge auf die Welt, ein Junge und ein Mädchen. So war ich stolzer Vater von drei Töchtern und einen Sohn.

2018 landete ich dann hier unter dem Namen Odysseas und erzählte meinen Kummer. Nach relativ kurzer Zeit und die Entscheidung der Ehe noch eine Chance zu geben meldete ich mich ab.
Es verging einige Zeit, ich kam darüber hinweg und ich wollte mit meiner Erfahrung anderen hier helfen.
Leider war es nicht möglich mich mit den alten Usernamen neu zu registrieren, ich weiß nicht warum und so kam Herakles zustande.

Heute, 2023, sind meine Frau und ich getrennt. Es ist vorbei und das ist gut so.
Wir hatten eine sehr turbulente Zeit, schöne und schlechte Momente. Sehr viele Erinnerungen, die niemals verblassen werden.

Dieses Buch ist hier zu Ende. Ich fange ein neues an. Ich bin mal gespannt, wer alles darin vorkommen wird.

Vielen Dank fürs lesen!

14.02.2023 01:55 • x 15 #44


H
@Forenleitung

Könnt ihr den Thread bitte für mich schließen?

Dankeschön.

14.02.2023 01:56 • x 1 #45


A


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