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Es ist Nacht

Charla
Es ist Nacht

Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

Christian Morgenstern, 1908

04.02.2023 00:08 • x 15 #1


W
Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.
Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.

*

An der Brücke stand
jüngst ich in brauner Nacht.
Fernher kam Gesang:
goldener Tropfen quoll’s
über die zitternde Fläche weg.
Gondeln, Lichter, Musik —
trunken schwamm’s in die Dämmrung hinaus…

Meine Seele, ein Saitenspiel,
sang sich, unsichtbar berührt,
heimlich ein Gondellied dazu,
zitternd vor bunter Seligkeit.
— Hörte Jemand ihr zu?…

F. Nietzsche

04.02.2023 03:52 • x 6 #2


A


Es ist Nacht

x 3


L
Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt – in eine tiefe Gruft versenkt – wüst und einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen.

Novalis

28.03.2024 19:10 • x 4 #3


Jetti
Die Nacht, in der das Fürchten wohnt,
hat auch die Sterne und den Mond“

Mascha Kaléko

28.03.2024 20:11 • x 6 #4


Charla
Einsame Nacht

Die ihr meine Brüder seid,
Arme Menschen nah und ferne,
Die ihr im Bezirk der Sterne
Tröstung träumet eurem Leid,
Die ihr wortelos gefaltet
In die blass gestirnte Nacht
Schmale Dulderhände haltet,
Die ihr leidet, die ihr wacht,
Arme, irrende Gemeinde,
Schiffer ohne Stern und Glück -
Fremde, dennoch mir Vereinte,
Gebt mir meinen Gruss zurück.

- Hermann Hesse, 1902 -

28.03.2024 20:44 • x 4 #5


Klio
Pegasos,
Mit einer Mondsichel auf der Stirn
leg ich meine Hand darauf
Sammel die Sterne auf meinem Kleid,
Nehme sie mit
An einen Ort, an dem sich Himmel und Meer berühren
Und schaue hinab auf meine vom Leben gezeichneten Füße
Hinab auf meine Schiffchen, die brennen und leuchten im tosendem Meer
Ich werf die Sterne darauf,
die mich leuchten
Umhülle mich mit dem Dunkel der Nacht

Setze einen Fuß Richtung Meer
Und erinner
Einmal gab es jemanden,
Der war mir lieber als das Meer
Lieber als die Sterne unter meinen Füßen,
Auf meinen Haar,
Meinem Kleid

Ich werf die Sterne ins Meer
Und setze einen Fuß nach vorn
Ich schwimme mit meinen brennenden Schiffchen
An einen Ort, an dem sich Himmel und Meer berühren
An dem alles verschwimmt

Ich tanze mit meinen leuchtenden Schiffchen im Meer
Und schaue nach oben
Pegasos,
Du fliegst so frei
Mir leuchtend mit deiner Sichel auf der Stirn

Ich schwimme mit meinen tanzenden Schiffchen im Meer
An einen Ort, an dem sich Meer und Himmel begegnen
Du fliegst so frei
Pegasos
In der Nacht

28.03.2024 21:27 • x 3 #6


Charla
Abenddämmerung

Am blassen Meeresstrande
Saß ich gedankenbekümmert und einsam.
Die Sonne neigte sich tiefer und warf
Glührote Streifen auf das Wasser,
Und die weißen, weiten Wellen,
Von der Flut gedrängt,
Schäumten und rauschten näher und näher –
Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,
Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen,
Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen –
Mir war, als hört ich verschollne Sagen,
Uralte, liebliche Märchen,
Die ich einst, als Knabe,
Von Nachbarskindern vernahm,
Wenn wir am Sommerabend,
Auf den Treppensteinen der Haustür,
Zum stillen Erzählen niederkauerten,
Mit kleinen, horchenden Herzen
Und neugierklugen Augen; –
Während die großen Mädchen,
Neben duftenden Blumentöpfen,
Gegenüber am Fenster saßen,
Rosengesichter,
Lächelnd und mondbeglänzt.

- Heinrich Heine , 1826 –

29.03.2024 00:26 • x 4 #7


L
Zum Einschlafen zu sagen

Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüßte: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf dich gelegt;
und sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.

Rainer Maria Rilke

29.03.2024 13:22 • x 4 #8


Charla
Nachts

Ich wandre durch die stille Nacht,
Da schleicht der Mond so heimlich sacht
Oft aus der dunklen Wolkenhülle,
Und hin und her im Tal
Erwacht die Nachtigall,
Dann wieder alles grau und stille.
O wunderbarer Nachtgesang:
Von fern im Land der Ströme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Bäumen –
Wirrst die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.
- Joseph von Eichendorff - 1826 -

30.03.2024 10:13 • x 2 #9


Jetti
Nacht ist schon hereingesunken,
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd,
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.

Johann Wolfgang von Goethe
(1749 - 1832)

30.03.2024 19:29 • x 2 #10


Charla
Nacht ist schon hereingesunken,
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd,
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.

- Johann Wolfgang von Goethe -

15.04.2024 21:29 • x 2 #11


LaSirène
Ode an eine Nachtigall ~ John Keats

Mein Herz tut weh, taube Benommenheit
lähmt meinen Sinn, als wär ich schierlingstrunken,
hätt trübes Opiat just eben heut geleert
und wär schon lethewärts gesunken:
’s ist nicht aus Mißgunst auf dein Glück, ’s ist bloß
zu viel des Glücks, dein Glücklichsein zumal,
daß du, daß die Dryade leicht beschwingt
am lauschigen Orte, wo’s von Buchen grünt
und Schatten ohne Zahl, aus voller Kehle
mir vom Sommer singt.

O ein Zug alten Weines! tief gekühlt
ein Lebensalter lang im Schoß der Erde,
in dem ich Flora, Freude, die man fühlt,
Tanz und Gesang und Sonne schmecken werde.
O einen Becher voll des Südens und
voll wahren roten Weins der Hippokrene,
der Rand beperlt, ein fröhliches Gefunkel
umspielt den Purpurmund, auf daß ich trinke,
Welt nicht mehr erwähne und mit dir schwinde
weg ins Waldesdunkel.

Weit weg - mich löse, schwinde, ganz vergesse,
was dir, im Laub versteckt, nie widerfährt,
die Müdigkeit, das Fieber, das Zerfressen -
sein hier, wo Mensch den Menschen stöhnen hört;
wo Gicht die Haare rauft, die letzten grauen,
wo Jugend bleich, gespensterdünn verscheidet,
wo nur zu denken heißt: voll Sorgen sein
und keiner Hoffnung trauen, wo Schönheit
ihre schönen Augen einbüßt,
oder neue Liebe endlos leidet.

Weit weg! weit weg zu dir! ich fliege nicht
mit Bacchus auf dem Leopardenkarren
auf unsichtbaren Schwingen im Gedicht,
ist auch mein Kopf perplex und möcht verharren:
Schon bin ich bei dir! Zärtlich ist die Nacht!
Zum Glück sitzt Cynthia schon auf ihrem Thron,
umringt von ihren Sternenfeen
dagegen ist hier kein Licht gemacht,
nur was vom Himmel mit dem Wind entflohn
durch dunkles Grün auf moosverwundenen Wegen.

Ich kann nicht sehn, was blüht zu meinen Füßen,
noch was da duftend in den Zweigen hängt,
erahn im Dunkel nur den Hauch des Süßen,
mit dem die Jahreszeit das Gras beschenkt,
das Dickicht und den wilden Pflaumenbaum*;
Weißdorn und Heckenrosen in der Au;
die laubbedeckten schnell verblühten Veilchen;
und, Maikind, dich, die kaum erblühte Moschusrose
voller Tau, fliegenumsummt am Abend noch ein Weilchen.

Im Dunkel lausch ich; liebe im geheimen
den leichten Tod, ich rief ihn manches Mal
beim Kosenamen, sollt aus meinen Reimen
mich in den Äther nehmen ohne Qual;
und mehr als je wär jetzt zu sterben süß,
zu scheiden mitten in der Nacht, wo du,
ganz außer dir, ausgießest deine Seele,
die Welt ein Paradies, und weiter sängst
ich hörte dir nicht zu beim Requiem
in meiner Grabeshöhle!

Dir, Vogel, ward der Tod nicht zugedacht,
dich tritt nicht Hunger, tritt nicht Nachwelt nieder!
Die Fürst und Narr schon hörten diese Nacht
bringt sie zurück, ich hör die Stimme wieder:
dasselbe Lied vielleicht, das einen Pfad
ins schwere Herz der Ruth fand, als in Tränen
sie krank vor Heimweh stand in fremdem Korn,
dasselbe wars, es hat magische Fenster aufgetan
zu jenen umschäumten Seen im Feenland, verlorn!

Verlorn! Dies Wort gleicht einer Glocke, die
zurück mich ruft, daß ich mir selber helfe!
Adieu! Die Phantasie trügt nicht so, wie
ihr Ruhm ihr nachsagt, trügerische Elfe.
Adieu! Adieu! Dein Klagelied, es flieht
die Wiese lang über den stillen Bach
den Hang hinauf, und nun begräbts den Kummer
im nächsten Tal: dies Lied, war es Vision?
War es ein Wachtraum? Ach, die Weise floh -
bin ich denn wach im Schlummer?

10.05.2024 00:42 • x 4 #12


F
Die Nacht,
In der
Das Fürchten
Wohnt,

Hat auch
Die Sterne
Und den
Mond

Mascha Kaleko

10.05.2024 01:02 • x 4 #13


W
Das Nachtlied.

Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.

Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.

Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir; das will laut werden. Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe.

Licht bin ich: ach, dass ich Nacht wäre! Aber diess ist meine Einsamkeit, dass ich von Licht umgürtet bin.

Ach, dass ich dunkel wäre und nächtig! Wie wollte ich an den Brüsten des Lichts saugen!

Und euch selber wollte ich noch segnen, ihr kleinen Funkelsterne und Leuchtwürmer droben! — und selig sein ob eurer Licht-Geschenke.

Aber ich lebe in meinem eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen.

Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht; und oft träumte mir davon, dass Stehlen noch seliger sein müsse, als Nehmen.

Das ist meine Armuth, dass meine Hand niemals ausruht vom Schenken; das ist mein Neid, dass ich wartende Augen sehe und die erhellten Nächte der Sehnsucht.

Oh Unseligkeit aller Schenkenden! Oh Verfinsterung meiner Sonne! Oh Begierde nach Begehren! Oh Heisshunger in der Sättigung!

Sie nehmen von mir: aber rühre ich noch an ihre Seele? Eine Kluft ist zwischen Geben und Nehmen; und die kleinste Kluft ist am letzten zu überbrücken.

Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehethun möchte ich Denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten: — also hungere ich nach Bosheit.

Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt; dem Wasserfalle gleich zögernd, der noch im Sturze zögert: — also hungere ich nach Bosheit.

Solche Rache sinnt meine Fülle aus; solche Tücke quillt aus meiner Einsamkeit.

Mein Glück im Schenken erstarb im Schenken, meine Tugend wurde ihrer selber müde an ihrem Überflusse!

Wer immer schenkt, dessen Gefahr ist, dass er die Scham verliere; wer immer austheilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austheilen.

Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham der Bittenden; meine Hand wurde zu hart für das Zittern gefüllter Hände.

Wohin kam die Thräne meinem Auge und der Flaum meinem Herzen? Oh Einsamkeit aller Schenkenden! Oh Schweigsamkeit aller Leuchtenden!

Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte, — mir schweigen sie.

Oh diess ist die Feindschaft des Lichts gegen Leuchtendes, erbarmungslos wandelt es seine Bahnen.

Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen: kalt gegen Sonnen, — also wandelt jede Sonne.

Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre Bahnen, das ist ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.

Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern!

Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste!

Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!

Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen, — nach Rede verlangt mich.

Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.

Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden. —

Also sang Zarathustra.

Friedrich Nietzsche

10.05.2024 01:10 • x 4 #14


I
Zitat von Charla:
Es ist Nacht

Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

Dein Herz das kam zu dem meine, ist so rein wie auch das Deine.
Silbern in des Mondes Schein, erhellt unser Zweisam sein.
Langsam schlagen unsre Herzen, um des Tages Wirren auszumerzen.
Schlag um Schlag fallen die Äuglein zu, gemeinsam kommen wir zur Ruh.

Englein und das Firmament, wachen über unsren Schlaf,
erholt werden wir sein für den nächsten Tag.
So soll es sein bis ans Ende aller Tage,
so wollen es unsere Herzen, meines so auch das Deine.

Inexplicitus 2024

10.05.2024 01:34 • x 3 #15


A


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