Ich lese hier schon seit einigen Tagen, gestern sehr intensiv. Und dann merkte ich, dass ich auf einmal ganz ruhig wurde. So ruhig, dass es sich komisch, nicht normal anfühlte. Als hätte ich die Gefühle abgestellt.
Mir werden immer mehr Dinge bewusst. Alles, was er, ich, wir falsch gemacht haben. Was bei mir nicht rund läuft. Mir wird jetzt erst klar, wie sehr ich mich abgekapselt habe. Dieses Verhalten war ja nicht auf einmal da, es wuchs langsam und fühlte sich somit normal an. Und ich kotze mich selbst gerade so sehr an.
Er hat es immer wieder angesprochen und ich bin einfach drüber hinweg gegangen. Habe (wollte?) es nicht gesehen. Dass es Gründe für mein Verhalten gibt, weiß ich. 2014 wurde bei mir eine reaktive Major Depression diagnostiziert, nachdem meine beiden Eltern, beide Großeltern, mein Bruder und 3 Freunde innerhalb von 2 Jahren (alle unabhängig voneinander und teilweise nur mit einem Abstand von wenigen Wochen) starben. Und nur durch sein ständiges Antreiben, habe ich eine zeitlich begrenzte Therapie gemacht. Dort ging es erstmal nur um Auffangen, bewusst werden, Verhalten ändern. Und es wurde dringend geraten, danach eine 'richtige' Therapie zu machen. Aber nee, mir ging es ja gut, oder? Nach zwei Jahren setzte ich das Antidepressivum ab und es funktionierte. Dachte ich, bis jetzt.. Ich habe offenbar gar nichts gelernt.
Jetzt stehe ich vor dem Scherbenhaufen und weiß? ganz tief im Inneren, dass zu viel kaputt gegangen ist. Dass es 'nie wieder' was mit uns werden wird, weiß ich nicht. Rede mir wohl nur ein, es zu nicht zu wissen. Da ist das Bauchgefühl, diese Ahnung. Es mir selbst gegenüber aussprechen, kann ich nicht. Immer wieder denke ich, dass wenn er nachhause kommt, irgendein Wunder passiert ist, und er sagt, dass alles wieder gut wird. Er sagt, dass er genau das hofft, den ganzen Tag an nichts anderes denken kann, wie man eine Lösung finden kann. Sagt, dass er immer wieder drauf und dran ist, mich in den Arm zu nehmen, zu sagen, alles ist wieder gut. Er aber weiß, dass das nicht die Lösung ist.
Wir wohnen noch zusammen, schlafen im selben Bett. In unserer Wohnung, für die wir hart und lange kämpften, aus der wir nie wieder ausziehen wollten. Unser Nest, wie er immer sagte. So schnell findet sich keine neue Wohnung, war der Stand gestern. Aber heute hat er noch mal gesucht und schaut sich vielleicht am WE eine Wohnung an.
Ich vermisse ihn schrecklich, wenn ich aufstehe und ihn nicht sehe. Wenn er nachhause kommt, reden wir, drehen uns dabei im Kreis, finden keine Lösung. Er sieht die Trennung als Lösung, weil er meint, dass einer von uns beiden immer unglücklich sein würde. Er sagt, er fühlt nichts, außer Schmerz. Weil er mich liebt und das eigentlich nicht will und sich ein Leben ohne mich auch nicht vorstellen kann. Nicht weiß, ob es die richtige Lösung ist. Natürlich nährt das bei mir immer wieder die Hoffnung, dass er sich noch umentscheidet. Dabei vergesse ich dann das, was für mich eigentlich das Schlimmste sein müsste: Ich kann Dir einfach nicht garantieren, dass ich Dich nicht wieder betrügen werde. Ich vergesse das einfach?!
Er will mir fast alles hier lassen. Wir haben zwar das meiste zusammen bezahlt, aber er sagt, dass irgendwie alles meins sei. Aber das stimmt nicht, wir haben doch alles gemeinsam ausgesucht. Und es tat irgendwie weh, dass er das gesagt hat. Ich habe vor ein paar Jahren geerbt und ja, so ein paar teurere Sachen hier in der Wohnung habe ich bezahlt. Aber ausgesucht haben WIR es. Er hat dann auch geerbt und auch viel bezahlt. Hauptsächlich Elektronik, das Auto. Diese Sachen nimmt er mit, ich behalte den Rest.
Dann stehe ich hier, sehe mich um. Das ist hier ist wir, nicht ich oder er. Wir haben uns unser Nest gebaut, alles ist miteinander verwoben, irgendwie gar nicht auszusortieren. Würde ich alles wegpacken, was mich an ihn, an uns erinnert, würde ich in einer komplett leeren Wohnung sitzen.
Und dann gibt es etwas, was mir so sehr zu schaffen macht, dass ich es am liebsten sofort so weit weg befördern möchte, dass ich nie wieder daran denken muss. Nach dem Tod meiner Mutter haben wir ihre Katzen aufgenommen, zusätzlich zu unseren. Eine davon wurde per Hand aufgezogen und ist komplett auf Menschen fixiert. Wenn es nach ihr ginge, würde sie auf dem Menschen leben. Das kann recht stressig sein, aber er liebt sie dafür. Sagt, sie ist sein Ein und Alles.
Nun ist er superfair zu mir, lässt mir die Wohnung, fast die gesamte Einrichtung. Und ich? Ich kriege mich nicht dazu, sie ihm mitzugeben. Wenn ich nur daran denke, fühlt es sich an, als würde Säure durch meinen Körper laufen. Ich bin da schon in mich gegangen, habe mich gefragt, ob ich hoffe, dass er deswegen nicht geht oder wiederkommt. Aber das ist es nicht, ganz sicher. Vielmehr macht sich eine Angst, nein schon Panik in mir breit, die mir den Magen von innen nach außen kehrt, die ich überhaupt nicht deuten kann. Alles in mir schreit: NEIN! Schon während ich das hier schreibe, muss ich immer wieder aufhören, kurz die Fäuste ballen und tief durchatmen.
Meine Mutter war und ich bin extrem tierlieb und die Katzen sind mit das Wichtigste auf der Welt für mich und waren es auch für sie. Ihr Mann sagte mal zu mir: auch wenn die Katze manchmal nervig ist - genieße sie, das ist das letzte was Du von Deiner Mutter hast und das wird nie wiederkommen.
Wenn er weg ist, ist sie die Einzige von allen, die ich tatsächlich auf, in die Arme nehmen kann und die auch dort bleibt. Aber er braucht das doch auch und er liebt sie so sehr.
16.08.2018 02:38 •
x 1 #7