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Es braucht keine Diagnose, um loszulassen

J
@WhiteScarlett

Wenn ich dich richtig wahrnehme, sprichst du dich hier gegen die Stigmatisierung von PS und laienhaft gestellten Diagnosen aus, wobei u.a. die narzisstische PS in den Fordergrund gestellt wird. Da Du ja lt. eigenen Angaben Erfahrungen in dem Bereich gemacht hast, hätte ich hier eine Frage an Dich:
Wieviele Menschen mit einer gesicherten narzisstischen Diagnose kennst Du, die sich aufgrund von Leidensdruck und dem Wunsch nach Veränderung bzgl. ihrer Symptome in eine Therapie begeben haben? Auf Deine Antwort wäre ich sehr gespannt.

Auch wenn es nicht repräsentativ ist, habe ich für mich überlegt, wieviele mir bekannt sind und mir ist nicht ein einziger Mensch eingefallen bzw. in Erinnerung geblieben, der aufgrund von Leid, einem Schlüssel-Erlebnis, Schuld, Verbesserung von Lebensqualität, Integration, für Familien/ Mitmenschen oder ganz elementar- für sich selbst- etwas tun wollte.
Menschen mit dieser gesicherten Diagnose habe ich in psychiatrischen Institutionen erlebt. Die Ursache der Einweisung war zum größten Teil eine Fremdgefährdung oder einer Depression, welche aufgrund von vorangegangenen Kränkungen durch den Patienten selbst gestellt wurde. Hauptursachen waren hier zu einem enormen Teil die Trennung durch den Partner.
Im ersten Fall kam es durch angepasstes eloquentes Verhalten häufig zu einer schnellen Entlassung.
Im zweiten Fall dauerte die Behandlung länger, wobei auch hier Schwerpunkte zu erkennen waren, wohin das Ziel der angestrebten Therapie münden sollte. Man konnte beobachten, dass der Partner zu einer unbedingten Rückkehr bewegt werden sollte oder aber die eigene Vulnerabilität war solange Dauerthema bis man die Umwelt überzeugt hatte, dass es gar keinen Grund für ein eigenes Unrechtsbewusstsein geben kann, da niemals Unrecht von Seiten des Patienten statt fand.

Wie sind Deine Erfahrungen?

10.02.2022 00:39 • x 2 #91


Nachtlicht
Zitat von Johanna15:
hätte ich hier eine Frage an Dich:


Ganz ähnliches hat @Hola15 in #78 auch gefragt

Zitat von Hola15:
Darf ich dich mal fragen wieviele Menschen mit diagnostizierter narzisstischer PS (und ich meine in dem Fall nur die und nicht etwa auch die im Spektrum vertretenen Borderliner) dir persönlich bekannt sind?!
Also welche die sich eigenständig auf die Suche nach einer Diagnose begeben haben und nicht in irgendeiner Form gezwungen wurden.

Das würde mich ehrlich interessieren.


und wurde von WhiteScarlett in #79 so beantwortet:

Zitat von WhiteScarlett:
Klar kannst du das, aber daraus lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. In meinem Fall sind das zwei - übrigens beide im näheren bis entfernteren Bekanntenkreis, nicht im professionellem Setting, aber das hat strukturelle Gründe (die Leute mit denen wir arbeiten sind meistens nicht an dem Punkt, an dem sie eine PS diagnostiziert bekommen würden, so etwas dauert im Regelfall dann doch einige Jahre). Keiner von diesen Menschen wurde gezwungen, da keine Gefährdung für Leib und Leben bestand, der Gang zum Psychologen erfolgte aus störungstypischen Problemen, die leider wenig diskutiert werden. Nur was sagt dir das jetzt? Soll ich auch die Leute auflisten, die an anderen Erkrankungen leiden, damit sich ein Verhältnis ergibt?

Es ist übrigens ein wenig schwierig, Leute zu finden, die nichts als eine PS in der Akte stehen haben. Mich hat das früher immer geärgert, dass man am Ende einen ganzen Katalog an Diagnosen vorfindet, aber das hat seine Gründe. Eine PS ist eine große Einschränkung, nicht nur im persönlichen sondern auch im juristischen Sinne. Gute Therapeuten sind da vorsichtig. Im Bezug auf deine Frage bin ich nun von der Enddiagnose ausgegangen.


Mich würde auch interessieren, wie das bei Borderlinern aussieht. Ich kenne es aus persönlichem Umfeld, dass jemand mit Borderline sich aufgrund Leidensdrucks wegen Depression/Ängsten in Behandlung begibt, aber nicht aufgrund der Motivation, seinem Umfeld das Leiden an seiner Störung zu ersparen (da im Selbstbild ja das Umfeld Schuld an den Ängsten war und die problematischen Verhaltensweisen zu Recht gezeigt wurden).

10.02.2022 09:47 • x 2 #92


A


Es braucht keine Diagnose, um loszulassen

x 3


Cocolores
Zitat von Plentysweet:
Der Leidensdruck muss hoch genug sein und der unbedingte Wille und die Bereitschaft dazu da sein. Die Motivation muss aus dem Menschen selber kommen (intrinsich).

Ist aber die Frage, ob und wie der Betroffene wirklich leidet? Narzissten leiden oft nicht wirklich und merken auch nicht, ob sie andere verletzen bzw. es ist ihnen völlig egal. Ich habe dazu auf YouTube ein interessantes Interview mit einem Narzissten (in Therapie) gesehen, kann das später auch mal verlinken.

Mein Ex (Borderline) hat schon auch gelitten, aber er wollte seine Komfortzone auch nicht verlassen, bzw. sich seinen Dämonen auch nicht stellen. Sein Weg war sich in Parallelwelten zu verstecken, in Form von Online-Spielen, Alk- und Medikamentenmissbrauch. Ich denke schon, dass ihm (inzwischen) auch einiges bewusster ist, was er sich so geleistet hat, aber auch nicht soweit, als dass ihm das wirklich leid täte. Nach einem extremen Alk. hat er nach mir getreten und geschlagen - streitet er bis heute ab. Auch dass ich mehrfach den Krankenwagen holen musste lag ganz sicher nicht daran, dass er zuviel konsumiert hatte - neee, ich habe ihn abholen lassen. Aus reiner Boshaftigkeit. Da wird dann schon alles so gedreht, dass es wieder paßt und man sich selbst eben nicht mit der unbequemen Wahrheit auseinandersetzen muss.

Deswegen ist es ja wie es ist: die wenigsten sind wirklich diagnostiziert, weil sie keinen Sinn darin sehen überhaupt zum Arzt zu gehen. Und/oder gar keine Lust haben etwas zu verändern, weil es unbequem ist. Oder letztendlich ja doch alle anderen Schuld sind oder alles völlig falsch sehen.

10.02.2022 11:15 • x 2 #93


Tatiana
Interessant- würd mich interessieren, das Interview. Zufällig Sam Vaknin? Der ist auf jeden Fall auch sehr interessant

10.02.2022 17:01 • #94


Plentysweet
Zitat von Cocolores:
Ist aber die Frage, ob und wie der Betroffene wirklich leidet?

Ja klar, das ist natürlich die Voraussetzung und dieses Phänomen findet man vielleicht auch nur bei gemäßigten Narzissten . Ich wollte eigentlich nur darauf hinaus, zu sagen, dass ein Änderungswunsch von der Umgebung meist nicht ausreichend ist als Triebfeder für eine Therapie. Weil, 1. ist der Mensch von Natur aus bequem und 2. wie Du sagst, Komfortzone und so, à la: Warum soll man was ändern, wenns auch so geht.

10.02.2022 17:35 • x 1 #95


Cocolores
Das Interview was ich meine finde ich spontan nicht, das ist auch nicht schlecht, aber recht kurz:

10.02.2022 17:41 • #96


S
Zitat von Cocolores:
Das Interview was ich meine finde ich spontan nicht, das ist auch nicht schlecht, aber recht kurz

Danke für den Link. Der Mann in dem Interview wirkt auf mich - gemessen an anderen beruflich erfolgreichen Menschen - eigentlich völlig normal bzw. vergleichsweise reflektiert. Da kenne ich wesentlich schlimmere. Es ist mMn heutzutage nicht möglich, mit redlicher Arbeit ein grosses Vermögen aufzubauen. Folglich gehe ich persönlich stets davon aus, dass bei grossen Vermögen wohl Unredlichkeit ein essentielles Charaktermerkmal desjenigen sein wird. Wenn der Mann tatsächlich ein Narzisst ist, würden mir ein Dutzend anderer, die ich kenne, einfallen, die noch wesentlich egoistischer und rücksichtsloser wirken. Bin jetzt etwas erstaunt.

12.02.2022 13:57 • #97


Hansl
Was solls.
Ich habe versagt,mein Glück zu ergreifen, somit bin ich ein Versager.
Wozu lange diskutieren?

12.02.2022 14:05 • #98


S
Zitat von Hansl:
Ich habe versagt,mein Glück zu ergreifen, somit bin ich ein Versager.


Mir fällt auf, dass in diesem Forum mit Begriffen wie "Glück" und "Liebe" in einer Weise hantiert wird, dass man den Eindruck gewinnen könnte, die Leute wissen gar nicht, was das ist. Da wird Liebe mit "Verliebtheit" gleich gesetzt oder mit der Erwartungshaltung "anhaltend lodernder Leidenschaft” oder Glück mit Euphorie, statt mit Zufriedenheit und Wohlbefinden. Das wirkt für mich äusserst seltsam und weird. So als ob vorausgesetzt wird, dass kurzfristige "Gefühlsspitzen" zum dauerhaften "Seinszustand" werden müssten ? Irgendwie seltsam.

12.02.2022 14:17 • x 1 #99


alleswirdbesser
@Seneca22 Da hast du aber den Falschen zitiert. Hansl liebt schon seit Jahren sehr hingebungsvoll eine Frau und kann nicht abschließen.

12.02.2022 14:23 • x 1 #100


Funkelstern
Zitat von Seneca22:
Mir fällt auf, dass in diesem Forum mit Begriffen wie Glück und Liebe in einer Weise hantiert wird, dass man den Eindruck gewinnen könnte, die Leute wissen gar nicht, was das ist. Da wird Liebe mit Verliebtheit gleich gesetzt oder mit der Erwartungshaltung anhaltend lodernder Leidenschaft” oder Glück mit Euphorie, statt mit Zufriedenheit und Wohlbefinden. Das wirkt für mich äusserst seltsam und weird. So als ob vorausgesetzt wird, dass kurzfristige Gefühlsspitzen zum dauerhaften Seinszustand werden müssten ? Irgendwie seltsam.


Danke !

Niemand ist dafür verantwortlich, dass er einen anderen glücklich macht.
Glück trägt man in sich und es ist die Aufgabe eines jeden selbst - sich glücklich zu machen.

Ein zufriedener Mensch strahlt diesen Zustand aus, aber deshalb ist er nicht rund um die Uhr in diesem Gefühlszustand - es sind Momente.

12.02.2022 14:27 • x 2 #101


S
Zitat von Funkelstern:
Niemand ist dafür verantwortlich, dass er einen anderen glücklich macht.
Glück trägt man in sich und es ist die Aufgabe eines jeden selbst - sich glücklich zu machen.


Ich vermeide den Ausdruck "Glück". Das ist mMn ein "sehr starkes" Wort, das viele überfordert. Zufriedenheit und Wohlbefinden scheinen mir da treffender zu sein und in der Regel auch mehr Beständigkeit auszudrücken. Glück ist mMn volatiler und eine (kurzfristige) Gefühlsspitze, aber kein lange währender Zustand.

12.02.2022 15:33 • x 3 #102


Hansl
@Seneca22

Mir fällt hier seit langem auf, das Wörter wie Verzeihen, Güte und Nachsicht so gut wie nie vorkommen.
Denn es sind ja sowieso immer der/die andere Schuld.

12.02.2022 15:35 • #103


S
@Hansl:
Ich gebe Dir recht. "Güte", "Nachsicht" und "Verzeihen" sind mMn in unserer Gesellschaft keine "Tugenden" mehr. Übt man sich in "Güte", "Nachsicht" und "Verzeihen" wird man womöglich auch noch als "deppert" im Sinne einer zu grossen Gutmütigkeit bzw Nachgiebigkeit angesehen. Unsere Gesellschaft und die "Werte" in unserer Gesellschaft haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten massiv in Richtung "Egoismus", "Hedonismus" gewandelt. Eine traurige Entwicklung.

12.02.2022 15:54 • x 2 #104


Funkelstern
Zitat von Seneca22:
Glück ist mMn volatiler und eine (kurzfristige) Gefühlsspitze, aber kein lange währender Zustand.


Genau...

12.02.2022 16:04 • #105


A


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