@Arjuni
Hmm, ich habe jetzt seit gestern Abend überlegt, womit ich Beziehung denn wirklich assoziiere.
Offen gestanden komme ich zu keinem anderen Ergebnis, als bisher.
Diese Art Scheinehe-/beziehung, die ich in meinem Eingangsbeitrag geschildert habe, ist schon das, was mir Angst macht. Aber nicht, weil ich die durchschnittliche Beziehung damit assoziiere. Viel mehr, weil ich dieses Schema einfach in meinem Umfeld - auch im ganz nahen - schon hier und da gesehen habe und es einfach schrecklich finde.
Mein Bild von einer Beziehung war (und ist) bisher eigentlich immer ein recht positives. Je mehr Zeit vergeht, desto öfter frage ich mich allerdings, wieso sich einige Menschen für eine solche Zweckbeziehung entscheiden. Ob sie tatsächlich keinen Ausweg mehr sonst wussten. Weil sie sich tatsächlich irgendwann an einem Punkt befanden, an dem sie das Gefühl hatten, sich sowieso nie (wieder) zu verlieben. Ich sage zwar, dass ich solche Zweckbeziehungen schrecklich finde und war lange immer der Meinung, diese Menschen nicht verstehen zu können, die eine solche Beziehung eingehen. Aber langsam fange ich doch an, ihre vermutlichen emotionalen Beweggründe zu verstehen. Und genau das finde ich besorgniserregend. Dass ich es so langsam sogar teilweise verstehen kann, wieso man sich irgendwann für eine solche Beziehung entscheidet. Und dann ist eben die Angst da, dass es bei mir auch nicht mehr lange dauert, bis ich einfach anfange Beziehungen ohne Liebe einzugehen.
Ansonsten assoziiere ich mit ernsthaften Beziehungen, die aufs Leben angelegt sind, nur Dinge wie (was jetzt aber nicht wieder heißen soll, dass ich mir eine solche Beziehung als einen immer friedlichen Ponyhof vorstelle): gemeinsam Spaß haben, gemeinsam Probleme lösen, Freude am langweiligen Alltag finden, weil man eine Person hat, mit der man ihn gerne bewältigt, Interessen und Leidenschaften teilen, Akzeptanz und Rücksicht (auch, wenn man Interessen und Ansichten nicht teilt), weitestgehend gleiche oder sich ergänzende Werte, Respekt und ausnahmslose Treue/Ehrlichkeit, gegenseitige Unterstützung und Motivation, körperliche Harmoniekönnte sicherlich noch mehr derartiges aufzählen, wenn ich jetzt weiter nachdenke.
Ich glaube, irgendwo habe ich es auch hier geschrieben, dass da bei mir vieles mit meinem ich mache keine halben Sachen-Prinzip zusammenhängt und ich mich dadurch boykottiere. So blöd es jetzt vielleicht für aussenstehende klingen mag, ich denke es hängt mitunter damit zusammen, dass irgendwas in mir weiß, dass ich in dieser Stadt nicht auf ewig leben will. Ich hatte mich meine ersten Jahre dort wirklich sehr wohl und sehr zu Hause gefühlt. Wobei der Mann, in den ich mich verliebte, eine große Rolle spielte. Seine Gegenwart tat mir immer gut, ich hab Probleme oder Schwierigkeiten, die hier und da aufkommen, so ziemlich auf die leichte Schulter genommen. Hab mich auch von nichts durcheinander bringen lassen. Weil ich immer wusste, er ist in meinem Leben, wir verstehen uns gut, ich sehe ihn regelmäßig. Für ihn hätte ich entschieden, dort meine neue Heimat und mein neues Zuhause zu sehen und das wahrscheinlich ohne zweimal nachzudenken, wenn was richtiges draus geworden wäre. Weil ich in seiner Gegenwart genauso glücklich war, wie in meiner Heimat. Deshalb wollte ich ja unbedingt mehr mit ihm. Kaum brach der Kontakt und alles drumherum ab, kaum sahen wir uns nicht mehr, veränderte sich bei mir vieles. Ich hatte zu der Zeit (Ende 2018/Anfang 19) auch meinen Arbeitgeber gewechselt und denke nun seither daran, wieder zurück in die Heimat zu gehen. Und die Gedanken werden immer stärker. Und mittlerweile ist es eben tatsächlich so, dass ich ein bestimmtes Verhalten bei mir feststelle: ich vermeide Dates und neue Männerbekanntschaften, weil ich gedanklich schon längst wieder in meiner Heimat lebe. Ich bin momentan sehr häufig in der Heimat, arbeite hier im Homeoffice. Über meine Wohnung und die Stadt mache ich mir gar keine Gedanken mehr. Ich habe nicht mal mehr die Motivation, mir ein paar Blumen in die Wohnung zu stellen. Und wenn das schon so ist, wieso dann einen Mann kennenlernen, für den ich ggf. dort bleiben müsste? Das klingt vielleicht wirklich unsinnig für dich als Außenstehende. Ich war aber schon immer so. Beispiel Bachelorarbeit. Ich hatte zu Beginn nicht gleich alle Bücher, die ich fürs Schreiben gebraucht hatte, in der Bibliothek bekommen. Anstatt dann erstmal mit dem anzufangen, was ich habe, habe ich es ganz bleiben lassen. Weil mein Kopf mir sagte, ne, lass es. Fang erst an, wenn du komplett alles zusammen hast. Ich habe mal gelesen, dass das eine ziemliche Perfektionisten-Krankheit ist. Und so war es z.B. auch mit diesem Mann von 2017. Ich wäre mit ihm plötzlich für alles mögliche bereit gewesen. Weil einfach alles passte, alltägliche Problemchen konnte ich mit links lösen, alles war einfach rund und hat sich komplett angefühlt. Tolle Wohnung, neue Stadt, toller Job. Und dann er noch dazu, mit dem anfangs alles sehr hoffnungsvoll aussah. Und inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Ich bin jetzt schon länger unglücklich in meiner Wohnung, weil sie nur Ärger bereitet, den ich mir als Mieterin ersparen kann. Die Stadt fühlt sich nicht mehr wie ein Zuhause an, ich funktioniere dort nur noch. Mein Arbeitgeber ist eine Katastrophe, wäre Corona nicht (was unsere Branche sehr, sehr, sehr stark trifft), würde ich gerade massenweise Bewerbungen raushauen. Also im Grunde bin ich im Moment nur noch zufrieden, wenn ich in meiner Heimat bin. Hier ertrage ich sogar meinen Arbeitgeber wesentlich besser. Hier habe ich Lust auf eine schöne neue Wohnung, bin schon dabei mich bei Spaziergängen nach freien Wohnungen umzusehen und bitte meine Freunde, die Augen offen zu halten. Wie schnell ich es am Ende tatsächlich machen würde, weiß ich nicht. Aber gedanklich bin ich nicht mehr bei mir in der Stadt. Heute fahre ich zurück in meine Wohnung, aber bin schon wieder dabei zu schauen, wann ich den nächsten Zug zürück nehmen kann. Also im Endeffekt ist mir schon klar, was ich tun sollte. Zurück nach Hause ziehen. Denn den Sinn, einen Mann bei mir kennenzulernen, sehe ich gerade gar nicht. Und jetzt kommt der merkwürdige Punkt, an dem ich mich nicht verstehe. Ich weiß, würde ich mich jetzt neu verlieben. So richtig neu verlieben. Dann würde ich mich in der Stadt wohl auch wieder besser fühlen. Dann würde ich mich wohl wieder heimischer fühlen und hätte eine Sache, die diese Stadt für mich wieder lebenswert macht. Ich denke, dass ich dieser Stadt dann auch wieder bereit wäre, eine neue Chance zu geben. Nur, ich weiß, um einen Mann kennenzulernen und herauszufinden, ob er alles für mich verändern würde, muss ich mich dann eben jetzt mal aufraffen. Nur kommen da dann eben auch wieder noch die anderen Gefühle ins Spiel (für besagten Mann), die ich nicht loswerde (und du kannst sicher sein, in dieser langen Zeit habe ich vieles versucht) Es ist komisch, einerseits verstehe ich mich, andererseits nicht.
Entschuldige den langen Text. Danke für deine Anteilnahme und die kritischen Fragen. Werde ganz gewiss auch nochmal nach Verfassen dieses Textes zu deiner Fragestellung in mich hinein hören.