Hallo Linus,
Mediation funktioniert, wenn es etwas zu mediieren gibt. Bei euren Standpunkten (du: Wechselmodell, sie: Residenzmodell) wird also wahrscheinlich ein Mittelweg vorgeschlagen, ohne zu berücksichtigen dass dein Vorschlag schon der Mittelweg ist. Außerdem erfordert Mediation gegenseitiges Vertrauen in die Einhaltung der Vereinbarung.
Ich möchte mich gar nicht groß damit beschäftigen, wie konkret eure Voraussetzungen derzeit noch sein könnten. Aber damit du einen Eindruck davon hast, wie die Dinge eventuell weiter laufen könnten, schreibe ich dir mal was bei uns passiert ist. Ziehe deine eigenen Schlüsse daraus, und vor allem: Sei auf alles vorbereitet!
- ich wollte 2017 Trennung Wechselmodell, sie im Haus bleiben und Residenzmodell, weil sie sich angeblich ja ohnehin schon fast alleine um die Kinder gekümmert habe (was natürlich Blödsinn war)
- Bis 2018 lebten wir nebeneinander her. Erziehung teilten wir uns auf, ich morgens und einen Tag in der Woche nachmittags und abends, WE haben wir zusammen etwas gemacht. 2018 teilt sie mir mit, dass sie will dass ich endlich ausziehe. Ich bin aber nicht freiwillig ausgezogen. Völlig unvermittelt finde ich eine Klage im Briefkasten: Antrag auf alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht. Gericht ordnet familienpsychologisches Gutachten an, dessen Ergebnis: Das Wechselmodell ist für die Kinder am besten, der Vater war bisher aber weniger sichtbar als die Mutter, die sich ständig und überall in den Vordergrund gedrängt hat. Mutter hat Bedenken, dass der Vater die Kinder ordentlich erziehen kann.
- einige Tage vor dem Gerichtstermin beginnt die Ex, sich selbst mit Gegenständen blaue Flecken zuzufügen. Den Kindern gegenüber fiel: Habt ihr das gesehen, der Papa hat mir wehgetan. Bilder der blauen Flecke befinden sich auf ihrem Handy. Bei jeder Gelegenheit versucht sie, mich zu provozieren. Zum Beispiel öffnet sie mit dem Schraubenzieher die abgeschlossene Tür der Toilette, als ich gerade große Sitzung habe, und stellt sich sodann in den Türrahmen und wirft mir irgendwelche Dinge an den Kopf. Als ich fertig bin, lässt sie sich nicht dazu bewegen, sich aus dem Türrahmen wegzubewegen. Um an ihr vorbeizukommen, bedurfte es etwas intensiverem Körperkontakt. Sie lässt sich fallen, fängt an zu weinen, und nimmt all diese Geräusche mit ihrem Handy auf. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es nur noch wenige Tage dauern dürfte, bis die Polizei mich mit wegen Gewaltschutz aus dem eigenen Haus entfernt oder die Mutter mit den Kindern in ein Frauenhaus zieht. Ich fing an, Maßnahmen zu ergreifen, um mich bei einer Anzeige im Zweifel entlasten zu können und mich somit vor einer Verurteilung zu schützen. Ich freundete mich außerdem mit dem Gedanken an, doch selbst auszuziehen. Erster großer Fehler, andererseits gab es de facto fast keine andere Möglichkeit. Das ständige Aufpassen ob der überall lauernden Gefahr machte mich ziemlich fertig. Sehr wertvoll war hier, dass ich die Partnerschaft bereits ein Jahr zuvor beendet hatte und daher nicht noch von meinen eigenen Verlustgefühlen überwältigt war. Im Nachhinein betrachtet hätte ich gut daran getan, ihr ihr Leben im gemeinsamen Haus so zur Hölle zu machen, dass sie es nicht mehr ausgehalten hätte: Ständig Kumpels einladen, überall dreckige Sachen liegen lassen, der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Und die Kinder hätten sicherlich gelitten in der Zeit.
- Gerichtstermin Amtsgericht: Mutter moniert die schlechte Kommunikation, aufgrunddessen ein Wechselmodell dem Kindeswohl schade. Außerdem verbreitet ihre Anwältin Hass und Hetze. Richterin meint: Entweder ich akzeptiere einen Vergleich, nach dem ich ausziehe und (wegen dem Kindeswohl...) zu Beginn etwas weniger Zeit als die Mutter mit den Kindern verbringe, weil die Kinder sich ja erst an die neue Situation gewöhnen müssen, und wir uns als Eltern in Elternberatung begeben, um unsere angeblich so schlechte Kommunikation zu verbessern und möglichst das paritätische Wechselmodell einzuführen, nachdem die räumliche Trennung vollzogen ist und die Kinder sich an die neue Situation gewöhnt haben. Oder sie wird ein Urteil sprechen, das mich als Vater zum Wochenendpapa degradiert. Ich entschied mich, den gerichtlichen Vergleich anzunehmen, der mich zum ca. 45/55-Vater macht, die genauen Prozentsätze differieren je nach Kind ein wenig. Zweiter großer Fehler.
- ich ziehe aus. 3 Tage später bekomme ich einen Brief der Beistandschaft des Jugendamts. Man bittet um Auskunft über meine finanziellen Verhältnisse und meldet Anspruch auf Kindesunterhalt an, den natürlich ich alleine zu bezahlen hätte. Pikantes Detail vor dem AG: Wir haben ein Kinderkonto, auf das nach der Trennung nur ich noch einbezahlt habe, und die Ex hat sich Geld überwiesen, wenn sie Klamotten etc. gekauft hatte. Ich habe das Konto nicht angerührt, da ich damit rechnete dass meine Zahlungen dann evt. nicht mehr als Kindesunterhalt gelten würden. Das AG sah es allerdings nicht als erwiesen an, dass die Zahlungen überhaupt Unterhalt seien. Die Vorlage sämtlicher Kontoauszüge, aus denen sich eindeutig der Bezug ergibt (sie überweist sich Beträge mit dem betreff Kind 2 Klamotten), tauchen in der Urteilsbegründung gar nicht auf. Stattdessen wird die Mutter als Zeugin herangezogen. Das geht, deshalb: meine Kinder klagen gegen mich, sie werden vertreten durch die Beistandschaft des JA, der wiederum von der Mutter beauftragt wurde. Damit ist die Mutter keine Verfahrensbeteiligte mehr und gilt als unabhängige Zeugin. Die unabhängige Zeugin gibt an, dass die Zahlungen kein Kindesunterhalt waren. Das sticht die Kontoauszüge offensichtlich aus, die AG-Richterin verurteilt mich zur Nachzahlung, als ob ich nie etwas bezahlt hätte. Im Verlauf ignoriere ich das erstinstanzliche Urteil, das mich zur alleinigen Zahlung verurteilt, und lege auch hier Beschwerde vor dem OLG ein. Das OLG setzt das Verfahren bis zur Klärung des Kindschaftsverfahrens aus.
- parallel Beginn der Beratung bzw. Mediation bei der Familienberatung: Termine alle 2-3 Wochen, 4 Termine lang werden unwichtige Dinge besprochen. Mir platzt der Kragen, als die Mutter Details der Einschulungsfestivitäten unseres Sohnes besprechen möchte, die 10 Monate in der Zukunft ansteht. Ich sage, dass jetzt erst einmal mein Thema besprochen wird - der Fahrplan zum paritätischen Wechselmodell, und sonst nichts. Mutter und Beraterin dreschen auf mich ein, dass hir nicht alles nur nach mir geht und ich doch wohl sehe, dass die Mutter sich emotional nicht gut fühlt. Dies wird die letzte Sitzung sein.
- ich bin mir nicht mehr nur 90%, sondern 100% sicher, dass die Mutter mich hier verarscht. Ich reiche Klage aufs Wechselmodell ein. Die Klage wird abgewiesen. Die Begründung ist hahnebüchend und widerspricht sich selbst. Wichtiges Detail: Es kommt nicht darauf an, was die Eltern damals vereinbart hatten, sondern einzig aufs momentane Kindeswohl. Und das wäre eben am besten gewahrt, wenn das derzeitige Modell unverändert weitergeführt wird. Ich reiche Beschwerde in der Zweitinstanz ein. Dort werden die Kinder erneut und genauer angehört. Alle inhaltlich guten Argumente habe ich auf meiner Seite: Jugendamt, nach Anlaufschwierigkeiten auch die neunmalkluge Verfahrensbeiständin (die sich nicht mit den Kindern unterhält und erst durch die Anhörung der Kinder quasi gezwungen wird, sich fürs Wechselmodell auszusprechen, und ansonsten keine Gelegenheit auslässt ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Mutter zu präferieren), die Kinder sowieso, da sie trotz leichten Ungleichgewichten der Tagverteilung die ganze Zeit im Geiste des Wechselmodells erzogen wurden, also: Sie haben alles hier und dort, jeder Elternteil ist für alles zuständig, jeder kauft die Klamotten selbst, Schulsachen werden mit dem Elternteil gekauft, bei dem das Kind gerade ist, es gibt keine unterschiedliche Wertigkeit der Eltern, etc.
Die Entscheidung der Zweitinstanz steht noch aus. Kurzer Ausblick: Es ist sehr unsicher, ob das OLG meiner Klage stattgibt. Grund: Die Mutter sagt, dass die Kinder Kontinuität benötigen, und dass die Kommunikation nicht passt (obwohl 100 Seiten ausgedruckte WhatsApp-Nachrichten dem entgegenstehen). Außerdem meint die Richterin, dass bei den zweifelsfrei gegebenen unterschiedlichen Erziehungsstilen ein Wechselmodell nicht dem Wohl der Kinder dient. Ein Modell, in dem es pro 14 Tage 7 Wechselsituationen gibt, weil jedes Kind unterschiedliche Wechselzeiten hat, aber eben leichte Abweichungen zum 50/50-Modell hat, und daher ein Residenzmodell ist, findet sie dagegen wohl unproblematisch. Auch der BGH sähe es so, dass ein Wechselmodell höhere Kommunikationsfähigkeiten erfordert. Dass der BGH das 50/50-Wechselmodell zu einem 12/2-Tage-Residenzmodell vergleichen hat - geschenkt, diese Details sind zu viel fürs OLG. Die Idiotie dieser dogmatischen und vereinfachenden Anschauung fällt im Gerichtssaal niemandem außer mir auf. Ich möchte entweder sarkastisch lachen, die Richterin als inkompetente Person verunglimpfen, oder einfach einmal laut aufschreien und gehen, darf das aber im Gerichtssaal natürlich nicht.
- aller Voraussicht nach werde ich die Unterhaltsklage vor dem OLG ebenfalls verlieren. Im Kindschaftsverfahren deutete die Richterin an, dass eindeutig ein Residenzmodell vorläge. Dass ich an 3 von 5 Arbeitstagen Kinder betreue, spielt keine Rolle: Betrachtet wird jedes Kind einzeln und nicht der Zeitaufwand der Eltern.
Was bleibt: Vollständiger Verlust des Glaubens an unseren Rechtsstaat, 3 Jahre Frust und hunderte Seiten Schriftsätze, irgendwas zwischen 60.000 Euro und 100.000 Euro Anwalts-, Gutachter- und Verfahrenskosten sowie weitere Risikopositionen durch Kindesunterhalt, eine zukünftig staatlich legitimierte und forcierte Rolle als Zahlpapa, der viel arbeitet (das Jugendamt kündigte schon einmal vorsorglich an, dass erhöhte Erwerbsobliegenheit bestünde, man also bis zu 48h wäöchentlich arbeiten muss, um den Unterhalt zu finanzieren) und den Kindern vorlebt, dass Mann zwar viel arbeiten muss, viel Geld verdient, aber leider keine Zeit für die Kinder hat und ihnen vom ganzen Reichtum nichts abgeben möchte, während Frau Mama wenig arbeitet, dementsprechend wenig Geld hat, aber für die Bedürfnisse der Kinder ihr letztes Hemd abgibt und den Kindern dennoch irgendwie den Urlaub im 5-Sterne-Hotel ermöglicht. Eine echte Kinderheldin halt. Und die Gewissheit: Wird das Residenzmodell gerichtlich abgenickt, so besteht das große Risiko, dass die Mutter mit den Kindern 700 km weit weg ziehen wird. Das darf sie zwar nicht, da kein alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht. Aber da sie die Hauptbezugsperson sein wird, kann sie es einfach einklagen. Das wird dann von der gleichen Richterin abgenickt, die es bereits zuvor nicht gestört hat, dass ihre Urteilsbegründung voller Widersprüche war.
Was auch bleibt: Zutiefst verunsicherte Kinder, die von der Mutter dahingehend manipuliert werden, dass sie glauben sollen dass das ganze Lügengebilde der Ex einen Sinn ergibt, die ihnen erzählt dass ich lüge und alle Schriftstücke die ich ihnen (gezwungenermaßen) zeige Fälschungen seien. Bei denen ich ständig mit Richtigstellungen beschäftigt bin. Und die sich nichts sehnlicher wünschen würden als einfach nur ganz normale Eltern zu haben, die beide für sie da sind. In diesem Land ist genau das aber leider nicht möglich, wenn der weibliche Elternteil das nicht unterstützt. ich wollte es damals nicht wahrhaben - ist aber leider so. Ausnahmen bestätigen sicherlich die Regel. Aber sich kaputtzumachen, um evtl. eine solche Ausnahme zu sein - ich würde heute wohl einen anderen Weg einschlagen und mich gleich zu Beginn verabschieden. Meine Kinder waren übrigens ähnlich alt wie deine.