Guten Morgen,
auch heute bin ich noch zu Hause geblieben, konnte einfach vor lauter Panik nicht ins Auto steigen. Zum Glück habe ich einen sehr verständnisvollen Chef.
@ na-la
Dein Vorschlag ist nicht verkehrt, nur löst dieser das Problem nicht oder vielleicht nur einen kleinen Teil davon. Feste Tage zu vereinbaren, das habe ich ja bereits versucht. Es geht dann für ein paar Wochen gut, wenn wirklich nichts anderes ansteht bei ihm. Muss er aber arbeiten (Chef ruft an, Bruder ruft an), ist das trotzdem vergessen; er würde auch niemals oder nur schwer anderen Menschen gegenüber offen zugeben, dass eben an diesem Tag die Beziehung bzw. ich für ihn Priorität hat. Das verbindet er mit Schwäche (so à la der steht unterm Pantoffel), hat er mehrfach so geäußert.
@ Muzel
Danke für deine Geschichte. Wie hast du es letztendlich geschafft? Hauptsächlich über die Therapie?
Also, ich sehe in meiner Kindheit durchaus Parallelen. Mein Elternhaus ist sehr kalt, die Stimmung zwischen meinen Eltern von einer Art tumben Gleichgültigkeit geprägt. Sie sind höflich und nett zueinander, aber irgendwie auch desinteressiert. Das war früher nicht anders. Gefühle zwischen ihnen wurden und werden nicht gezeigt. Auch fühlt es sich sehr seltsam an, wenn ich sie (ausnahmsweise) mal umarme. Stocksteif. Schrecklich.
Es zählten hauptsächlich Leistung und Geld. Also, Geld im Sinne von Sparen, Sicherheit. Jeder Pfennig musste zusammengehalten werden. Die Kinder sollten natürlich etwas Ordentliches lernen. Meine Eltern haben mich im Prinzip auch in meinen jetzigen (sicheren) Beruf gedrückt. Aber dafür bin ich ihnen nicht einmal böse, denn ich habe es da wirklich super getroffen und bin glücklich mit meinem Job.
Trotzdem, hatte ich mal eine 3 statt einer 2 oder 1 in der Schule, wurde sofort Enttäuschung mir gegenüber ausgedrückt. Ich fühlte mich als Versagerin und einfach schlecht. Kein das kann doch mal passieren, sondern eher lern das nächste Mal ordentlich.
Ich kann mich an eine Situation erinnern, da war ich vielleicht 5 oder 6 Jahre alt. Im Fernsehen gab es eine Liebesszene, und ich äußerte meiner Mutter gegenüber die Worte ich liebe dich, in Erwartung einer entsprechenden Erwiderung. Es war ihr unangenehm, und sie konnte darauf gar nichts sagen.
Auch heute (sie bekommt die Situation ja mit und sieht, dass ich schon lange nicht mehr glücklich bin) sieht sie eher die sachlichen Gründe außenrum (also seine wenige Zeit), aber das ist ja nicht die Ursache, höchstens die Folge bei IHM.
Er hat in seiner Kindheit gelernt zu kämpfen. Sich nichts gefallen zu lassen. Sich sofort zu verteidigen, wenn er (vermeintlich) angegriffen wird. Sofort auf Konfrontation zu gehen. Sich durchzusetzen um jeden Preis. So hat er es mir zumindest erzählt. Und das glaube ich auch, denn seinen Vater hat er nie kennengelernt, der hat die Mutter verlassen, als er noch sehr klein war. Er ist größtenteils bei den Großeltern aufgewachsen, weil die Mutter dann arbeiten musste. Zum Stiefvater hat er zwar bis heute ein ganz gutes Verhältnis, aber auch dieser war irgendwann mit der psychisch kranken Mutter überfordert, und so kam es zur zweiten Scheidung. Geld fehlte hinten und vorne, er musste früh Verantwortung übernehmen.
Sicherlich hat ihn das traumatisiert und hart gemacht. Er hat selber hin und wieder gesagt, dass er sich eigentlich nicht für beziehungsfähig hält. Dennoch hatte er bisher immer jahrelange Beziehungen und war eigentlich nie länger allein. Die Frauen fliegen auf ihn, und er lässt es dann eben geschehen. Sie arbeiten sich an ihm ab und verlassen ihn irgendwann. Er fühlt sich wiederum bestätigt.
Ja, ich lebe in weiten Teilen ein Muster meiner Mutter nach. Sie ist (zumindest vom Kopf her) relativ alt, eigentlich von der Art eher her Typ Nachkriegsgeneration. Da war es eben einfach so. Die Ehen ihrer beiden Schwestern zeigen ein ganz ähnliches Muster. Kälte, Kälte, Kälte, Geld, irgendwie Zweckgemeinschaften. Von Liebe und Wärme nichts zu spüren.
Die starke Anpassung muss ich mir selbst zuschreiben, das ist richtig. Aber ich wollte ihn damals unbedingt und hätte einfach alles dafür getan. Er blieb lange auf Distanz, ich wollte immer mehr und immer stärker, wollte ihn von mir überzeugen. Wollte so sein, wie er mich mag. Wollte ihm Gutes tun und ihm zeigen, dass es ein besseres Leben gibt als das, das er kannte und kennt. Und hab dabei mich selbst fast völlig aus den Augen verloren....
Ich hoffe sehr, dass ich das Ganze in eine neue Richtung bringen kann. Ich weiß nicht, wann er sich wieder melden wird und wie es dann weitergeht. Fakt ist, er wohnt hier, und ich werde ihn sicher nicht rausschmeißen. Der Mensch bedeutet mir was. Ich hätte so gerne, dass er versteht, dass wir auf Dauer immer wieder an diesem Punkt landen werden. Er ist ja nicht blöd, hat selbst mehrfach geäußert, dass wir in verschiedenen Welten leben. Er kann die Situation sehr gut reflektieren, denke ich, verdrängt aber aus Angst lieber. Will nicht wirklich hinschauen, weil es auch für ihn schmerzhaft ist - und weil für ihn auch die schöne Lebenssituation gefährdet ist, die er ja er seit Jahren bei mir hat.
Insofern muss ich versuchen, mir selbst gerecht zu werden, aber ihn dabei nicht völlig hart und unfair wegzustoßen. Das kann ich einfach nicht.
Sorry für den Roman, aber Schreiben war schon immer meins - ich komme dabei wirklich zu den besten Erkenntnissen.
LG
Valerie
11.06.2013 08:03 •
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