Ach, liebe Soso, tut mir leid für dich. Fühl dich erstmal gedrückt.
Was ich bei der Diskussion als fragwürdig empfunden habe, sind die Diskussionen um das Alter. Das sind doch Oberflächlichkeiten. Man liebt ja schließlich den Menschen und die vielzitierten inneren Werte und btw - George Clooney ist 55.. Zudem die Diskussion, was in 20 Jahren sein wird. Jetzt sind wir doch mal realistisch: Wir wissen alle nicht, mit wem wir wie in 20 Jahren zusammensein werden. Würden wir von vornherein alles komplett vernunftbegabt analysieren, dürften wir kaum eine Partnerschaft eingehen.. Und das würde uns nicht nur sehr viele großartige Erfahrungen im Leben rauben, sondern ist auch nicht wirklich das, was man unter Liebe versteht. Mein Schatz ist auch 25 Jahre älter als ich, und das spielt bei uns überhaupt keine Rolle. Ein habilitierter Uniprofessor, der in absehbarer Zeit emeritieren wird - und dennoch beschleicht uns beide häufiger der Gedanke, ich sei die Reifere von uns beiden. Also alles relativ
Ich finde auch nicht, dass sich der Affärenmann unerwachsen verhält - nicht mehr oder nicht weniger als wir anderen auch. Erwachsen sein heißt ja nicht, keine Gefühle mehr zu haben, auch nicht, keine widersprüchlichen Gefühle zu haben. Erwachsen sein bedeutet vielmehr, sich seinen Gefühlen zu stellen und bewusst zu machen. Einen Gefühlswirrwarr kennen wir alle, und dass man von seinen eigenen Emotionen überfordert sein kann, dass man unsicher ist, was gut und richtig für einen ist, ist ein durchaus normaler und verständlicher Akt des menschlichen Lebens. Und ja mei, er ist wankelmütig, dass ist aber in verliebtem Zustand und gleichzeitig einer langen Ehe für mich schon auch nachvollziehbar. Klar ist das schei., aber das Leben ist halt kein Ponyhof.
Was ich, liebe Soso, dir sagen will: Manchmal läuft es im Leben einfach absolut beschissen, aber man kommt mit Klärung der Schuldfrage nur selten weiter in emotionalen Dingen. Manchmal kann alles passen, alles ist schön - und trotzdem scheitert es. Du wirkst auf mich sehr reflektiert - reflektierter als manch andere. Mit 22 fehlt einem meistens aber noch eine Erkenntnis: Die meisten Beziehungen scheitern irgendwann. Die Zahl der 70 Jähre währenden überglücklich bis ans Lebensende-Beziehungen, die es gibt, ist nicht mal im demografischen Promille-Bereich angesiedelt. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Klar will der Mensch Schönes und Bewährtes erhalten, aber das Leben spielt meist anders. Und das ist auch gut so - weil etwas noch Größeres und Schöneres dadurch auch erst möglich gemacht wird. Manchmal muss man eine Bude erst abreißen, um eine noch schönere hinzubauen. Gerade, wenn man jung ist.
Ich habe schon in viel mehr Beziehungen gelebt, die toll waren, einzigartig, war berauscht vor Verliebtheit und habe auch gelitten wie ein Hund. Mir sind in meinem Leben großartige und miese Dinge passiert. Aber gerade das ist es halt, was man Leben nennt. Niemand wünscht sich Schmerz - aber in Wahrheit ist auch Schmerz besser als ein absolut ereignisloses graues Dasein. Denn es ist großartig, sich ins Leben und die Liebe zu stürzen.
Also lass dir von einem erfahreneren Mädel einfach sagen: Egal, wie es mit deinem Typ weitergeht oder nicht weitergeht. Du wirst dich auf jeden Fall in deinem Leben wieder verlieben, wirst mit jedem neuen Menschen in deinem Leben neue Erfahrungen sammeln, die dich näher zu dir selbst bringen. Das Leben ist bunt und schön und ungerecht und schmerzhaft - alles, manchmal sogar zur gleichen Zeit. Aber du wirst - und da bin ich mir absolut sicher - noch überrascht sein, mit wievielen Menschen es absolut passen kannst.
Also steigere dich bitte nicht in diese mystische Vorstellung der Gedankengleichheit, der körperlichen Symptome etc hinein. Das ist gar nicht so selten. In Wahrheit gings mir in (fast) jeder meiner Beziehungen so, dass man wähnt, etwas total Einzigartiges zu erleben, als hätte ein höheres Schicksal einen zusammengeführt. Aber das ist es halt, was man Verliebtsein nennt. Und wenn man verliebt ist, ist man halt schon auch etwas geisteskrank. Das ist es ja, was es so toll - und manchmal auch furchtbar macht. Der absolute Überkick der Gefühle.
Was du - auch mit deinen Panikattacken erlebst - ist Stress und Verlustangst. Dein Körper reagiert darauf, dass du Angst hast, etwas verloren zu haben, was so einzigartig und unwiederbringlich war. Das stimmt auch. Nur jeder Moment ist einzigartig und unwiederbringlich. Du musst also keine Angst haben, du kennst das schon seit 22 Jahren. Und der Schmerz geht vorbei. Du wirst dich irgendwann nur mehr theoretisch und schemenhaft an ihn erinnern können. Glaub mir das.
Wenn ich zurückdenke, mit wem ich mit 22 zusammen war, dann möchte ich die Zeit nicht missen. Aber auch nichts von dem, was danach kam. Unterm Strich kann ich sagen, ich wurde und habe schon sehr viel geliebt. Und jedesmal war es anders und einzigartig. Und das ist ja eine durchaus tolle Zwischenbilanz Es wird bei dir genauso sein, da bin ich überzeugt davon. Halt die Ohren steif, die glücklichsten Tage kommen erst!