Guten Morgen Stefanie,
ich versuche mal wieder, die Situation zu analysieren. Hier jetzt zunächst unter dem Aspekt der Machtausübung.
Wer sich ohne Ansage trennt, übt die größtmögliche Macht über den Partner aus. Er nimmt ihm jede Handlungsmöglichkeit, lähmt ihn und hat alleine das Handeln in der Hand. Der andere ist zunächst paralysiert, versucht Gründe heraus zu finden, Lösungen anzudenken und fährt dabei immer wieder vor die Wand des Endgültigen. Schluss. Allein. Handlungsunfähig. Vage Hoffnungen, aber zunächst einmal völlig von dem abhängig, was der Aktiv-sich-Trennende evtl. noch an Aussichten in den Raum stellt.
Da warst du, aber nicht sehr lange. Du hast außerordentlich schnell hier und anderswo nach Verbündeten gesucht, nach Lösungsmöglichkeiten und nach Perspektiven. Damit hast du einen Teil der Macht zurück gewonnen. Und als du ihm klar gemacht hast, dass da schwerwiegende finanzielle Konsequenzen ins Haus stehen, hattest du schon fast den Machtausgleich wieder hergestellt. Und du hast ihm eine Seite von dir gezeigt, die er nicht kannte.
Dein Mann hat nun plötzlich eine Art Kehrtwende eingeleitet. Und er hat mit diesem - bisher eher symbolischen - Akt dir die fast gesamte Macht zurück gegeben. Aktuell hast du also erheblich mehr Macht als er. Denn seine Bereitschaft, es vielleicht noch mal zu versuchen, ist Makulatur, wenn du damit nicht einverstanden bist. Ein ablehnendes Wort von dir, und er ist völlig machtlos mit seiner guten Absicht. Das ist der Status Quo, so wie ich das einschätze. Dazu gehört auch, dass er dich plötzlich als andere Frau vor sich sieht, als er das bisher dachte. Und dieses Neue an dir ist auch reizvoll, es zieht ihn vielleicht an, es reizt ihn, diese neue Stefanie näher kennen zu lernen.
Die entscheidende Frage ist, wie du mit dieser Machtüberlegenheit nun umgehst. Es gibt destruktive und konstruktive Wege. Und es gibt natürlich die Möglichkeit, jetzt nur auf die Pausentaste zu drücken, ihm zu sagen, dass du die Ernsthaftigkeit seiner Kehrtwende überhaupt nicht einschätzen kannst und dir eine bestimmte Frist nehmen.
Dabei rate ich zunächst davon ab, ihn nach Gründen für all das zu fragen. Ich gehe davon aus, dass er dir alles Mögliche nennen wird, aber wohl kaum die Wahrheit. Das kommt bestenfalls alles später auf den Tisch des Hauses. Und wenn ihr es wirklich miteinander schafft, wird dann auch über Gründe, Wahrheiten und den Grad seines Ausbruchsversuchs geredet werden. Jetzt klappt das nicht.
Was du aber tun kannst, ist ihn danach zu fragen, was er jetzt erwartet, was er jetzt plant und was er sich vorstellt. Aus Angst vor der Pleite die Bremse zu ziehen, ist die eine Sache. Die wichtigere ist aber, Perspektiven zu entwickeln. Wie stellst du dir das vor? Welche Erwartungen hast du jetzt an mich? Wie soll ich dir vertrauen und ausblenden, dass du vielleicht übermorgen schon die nächste Kündigung auf den Tisch legst? Was willst du tun, damit ich diese Angst nicht haben muss? Wie soll ich dich lieben, wenn ich so verletzt wurde? Woher willst du die Liebe zurück finden, dir dir doch vorgestern noch völlig abhanden gekommen war?
Diese und ähnliche Fragen kannst du ihm stellen. Aus der Position der machtmäßig Überlegenen. Du fragst und er muss antworten. Du wartest, was er sagt, du wägst ab, wie ernsthaft das sein könnte. Du hinterfragst, was er spontan sagt und bittest dir aus, dass er sich mit seinen Überlegungen und Plänen mehr Zeit lässt.
Zeit ist eine sehr wichtige Komponente bei all dem. Und die kannst du dir jetzt nehmen. Wie sich das praktisch gestaltet, solltest du dir selber gut überlegen. Lass dich von niemandem zu irgendetwas drängen, auch von uns hier im Forum nicht. Aber auch von ihm nicht, von Eltern oder Kindern nicht.
DU hast jetzt die Fäden in der Hand, und je klüger du mit dieser MACHT umgehst, desto wahrscheinlicher ist, dass ihr eine solide Lösung findet. Wie die aussehen kann, wird sich zeigen. Jetzt ist noch alles offen. Und das ist viel mehr, als du noch vor zwei Tagen gedacht hast.
Nur Mut!