Liebe @Schneeliese
lassen wir doch ein paar Dinge Revue passieren.
a.) Du hast sehr früh in deinem Leben erfahren müssen, dass Lügen, Betrügen, Vortäuschen, Verdrehen und Vergessen unglaublich wichtige Tools des puren Überlebens sind - Papa ist nicht Alk., nein, er hat Diabetes!
Niemand da, dem du dich wirklich anvertrauen kannst. Lügen, Täuschen, Verdrehen der Wahrheit regieren dein Denken. Alles muss so dargestellt werden, damit es für andere gut aussieht.
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Irgendwann wird Lügen, Vortäuschen, Verdrehen der Wahrheit zur zweiten Natur und man merkt selber gar nicht mehr, dass man immer noch darin steckt. Und wenn andere dies tun, ist das genauso gerechtfertigt und darf auf keinen Fall in Frage oder gar auf den Prüfstand gestellt werden.b.) Um selber wirklich glaubhaft zu klingen in seinen Entschuldigungen, geht man innerlich dazu über, diese auch zu glauben. Nun, du hast nicht angefangen zu glauben, dass dein Vater Diabetes hat. Aber du bist aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass er eine andere Krankheit hat, die man aber nicht ausspricht, weil sie nicht sozial akzeptiert ist. Da klingt doch 'Diabetes' netter. Und eigentlich ist 'Alk.' auch nur eine Krankheit, für die niemand etwas kann - sagtest du gerade erst selber. Also ist sie auch nicht schlimm.
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ersetzen von schlimmen Definitionen in nette, erklärbare Krankheiten macht die gesamte Situation erträglicher und eigentlich gar nicht mehr schlimm. Da kann der andere nichts für, also sind die Folgen auch nicht schlimm, nein, dürfen sie einfach nicht als schlimm für dich empfunden werden!c.) Wenn du nicht funktioniert hast, Fehler gemacht hast, etwas misachtet oder übersehen hast, dein Vater dadurch doch auffällig wurde und damit andere etwas mitbekommen haben, dann gab es dermaßen schlimme Strafen für d i c h, meistens seitens deiner Mutter, aber auch von anderen Personen, dass du lieber noch vorsichtiger, noch vorausschauender, noch umsichtiger alle möglichen Varianten deines Vaters bedacht hast.
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das Kontrollieren alles Lebenslagen, Gedanken, und Wünsche des anderen wird zur notwendigen Überlebensstrategie für dich selber.d.) Du hast alles noch geduldiger, noch empathischer, noch verständnisvoller ertragen, denn die anderen können ja alle nichts dafür, da ja alles erklärbar ist. Dein Empfinden ist nicht wichtig und kann ja nicht stimmen. Die anderen sind alle wichtiger, du fühlst dich unwohl. Egal, du bist allen egal. Nur die Anderen sind wichtig. Entweder die außenstehenden Anderen, was sie denken könnten. Die Gefühle und Wünsche deiner Mutter sind massiv wichtig, dass sie nur ja nicht auffliegt in ihrem Lügenmodell ihres Lebens - die Höchststrafen drohen dir hier. Oder auch dein Vater, den du beschützt und bemutterst, geradezu zärtlich liebst, dass er immer in Ordnung ist in seinem kindlichen tun (was einem Alk. ähnelt). Alle Eskapaden von ihm sind zu ertragen und abzumildern damit d u nicht bestraft wirst.
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nur das noch geduldigere, noch verständnisvollere Aushalten aller Verhaltensweisen der anderen erhalten dir die Chance auf brauchbares überleben. Denn nur die anderen sind wichtig.Alles das machst du nach wie vor, nun auch bei deinem Mann.
Liebe @Schneeliese
ich spreche jetzt deine innere Kleine an:
Du hast einen unglaublich starken Job gemacht, damals, als Kind. Was du alles gewuppt und gestemmt hast. Das ist schon eine große Leistung gewesen. Du hast als Kind die Verantwortung für deine Eltern übernommen. Was für eine verdrehte Welt. Und du hast es dennoch geschafft!
Du hast dich zusammengerissen in einer Form, wie es beide Elternteile zusammen nicht geschafft haben. Dein Vater hat das nur selten hinbekommen und deine Mutter denkt nur an sich selber. Aber du hast an alle beide denken müssen und hast es über so lange Zeit, über viele, viele Jahre immer und immer wieder hinbekommen.
Du hast dich gekümmert. Du hast an alles mögliche denken müssen. Du warst so sehr vorausschauend. Hast dich in deren (kranken) Gedankenwelten eingefühlt, um sie besser verstehen zu können, damit du entsprechend gut agieren konntest und die bitterbösen Konsequenzen für dich so gering wie möglich blieben.
Ach liebe Liese, du hast dich aufgeopfert, ausgelaugt und selber aufgegeben, damit die anderen in Ruhe leben können und du überhaupt am Leben bleiben kannst.
Aber liebe Liese, soll ich dir etwas sagen? Die anderen sind Groß. Sie sind erwachsen. Und du bist das inzwischen auch.
Du musst nicht mehr für die anderen Lügen.
Du musst nicht mehr alles von den anderen verstehen.
Du musst nicht mehr alles ertragen und aushalten.
Denn alle, die anderen und du, seid ihr erwachsene Menschen.
Ein jeder ist für sein Tun selber verantwortlich. Nicht du musst das alles für alle mitwuppen. DAS IST VORBEI
Jetzt darfst du einem jeden der anderen Erwachsenen ihre eigenen Koffer mit Gedanken, Wünschen, Taten und Konsequenzen zurück geben.
Du darfst, ja sollst sogar, sie alle weiterhin lieben. Aber liebe sie als erwachsene Menschen.
Erwachsene Menschen nimmt man ernst und respektiert sie.
Wenn sie trinken wollen, dann sollen sie es tun. Aber sie sollen selber dazu stehen.
Wenn ihnen ihr Ruf so unglaublich wichtig ist, dann sollen sie es gerne. Aber sie sollen sich selber darum kümmern und nicht andere dafür einbinden und dafür verantwortlich machen, bzw ein eigenes gesundes Selbstbewußtsein entwickeln lernen.
Wenn sie keine Triebkontrolle haben, dann sollen sie. Aber du musst dich nicht weiter deren Schlägen welcher Art auch immer aussetzen und verletzten lassen. Wenn sie nur Reden und Wünsche äußern, dann sollen sie. Aber du musst diese Wünsche nicht für sie umsetzen oder ertragen. Sie sollen sie selber in die Tat umsetzen lernen.
Du bist wichtig. Auch du bist ein Mensch. Auch du hast Gefühle, Gedanken und Wünsche. Nimm nun auch dich selber ernst und respektiere auch dich.
Jetzt ist es an der Zeit herauszufinden, wer du selber bist und was du tun würdest mit deinem Leben, wenn du nicht die ganze Zeit damit beschäftigt bist, das Leben der anderen zu leben.
Du kannst gerne weiterhin anderen helfen. So bist du konditioniert worden. Das machst du auch beruflich. Wenn es dir Freude macht, gerne, weiter so. Menschen mit eigener Erfahrung werden gebraucht. Wenn du einmal etwas anderes machen möchtest, finde es heraus. Es steht dir frei.
Aber wisse, dass alles das, was du von frühester Kindheit an gemacht und geleistet hattest, eine unglaubliche Leistung war. Doch nun darfst du einen Schritt zurück treten und dir anschauen, dass jeder Mensch den Respekt verdient hat, die Konsequenzen seines eigenen Lebens selber zu tragen. Jetzt wird es Zeit, die Verantwortungen für die Leben anderer an diese andere Menschen zurück zu geben und die Verantwortung für dich und dein Leben aufzunehmen.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Du bist ein gutes Mädchen gewesen und wirst die weiteren Schritte wunderbar meistern.
Grüße von einer, die aus eigener Erfahrung weiß, wovon sie schreibt