Ich bin so froh, wenn dieses Wochenende endlich vorbei ist.
Gestern stand meine Mutter noch eine Weile in der Küche nachdem sie vom Einkaufen wieder kam. Ich saß am Laptop und habe einen Vortrag vorbereitet, denn ich eigentlich am Montag halten muss, aber noch überhaupt nicht vorbereitet bin.
Irgendwann kam sie dann zu mir und verkündete voller Stolz, sie hätte mir Suppe gemacht und ich wäre bestimmt ganz bald gesund. Ich muss ehrlich sagen, dass ich absichtlich nicht in die Küche gegangen bin als sie da zugange war, weil ich einfach froh war, dass sie mich in Ruhe ließ. Naja, als sie so ankam, hab ich schon gerochen, was das bestimmt ist. Klar doch, Hühnersuppe. Problem dabei, ich esse seit ich 14 bin, kein Fleisch (und das weiß sie und hat sie schon damals nicht akzeptiert- kann gut sein, dass ich es deshalb gemacht habe!).
Ich hab ihr also versucht recht vorsichtig und freundlich zu erklären, dass ich das nicht essen werde, da ich (falls sie sich erinnert), ja kein Fleisch esse.
Sie fing sofort an zu weinen, ich sei undankbar, ob ich überhaupt gemerkt hätte, was sie hier alles für mich tut... blubblubblub...
dann stürmte sie in die Küche und rauchte eine Zig. nach der anderen (wohlgemerkt in einer strikten Nichtraucherwohnung- aber mit Balkon- war ihr aber zu kalt!).
Heute morgen fand ich dann die Hühnersuppe, samt Topf schön drappiert im Mülleimer. Konnte ich dann erstmal alles wieder sauber machen und den Topf aus der Matsche ziehen (der ja nicht mal mir gehört).
Damit war mein Morgen dann eigentlich auch schon wieder gelaufen. Mein Antibiotikum wirkt immerhin und mein Fieber ist runter gegangen. Immerhin etwas.
Meine Mutter stand dann gegen 11 auf. Sprach kein Wort mit mir, zog sich an und stand dann irgendwann gegen Mittag vor mir und verkündete, sie würde jetzt ein Date mit meinem Mann haben.
Ich hab mich dann einfach wieder ins Bett gelegt, eine neue Serie angefangen und hab die ganze Welt verflucht.
Nachmittags klingelte es dann und wer stand vor der Tür?
Klar meine Mutter MIT meinem Mann.
Ich war so sauer, sowohl er als auch sie wussten, dass ich nicht wollte, dass er hier auftaucht, geschweige denn weiß, wo ich wohne.
Dann sagte sie sowas wie, so könne es ja nicht weiter gehen, wir sollen jetzt mal unseren albernen Streit aus der Welt schaffen (ja, sie weiß nicht alles). Sie müsste noch ganz dringend Besorgungen für meinen Vater machen...hach, das hatte sie ja ganz vergessen! Kicher, kicher....schwuppdiwupp, weg war sie. Ich stand da, in Jogginghose und Batman-Shirt ohne Bh mit einer löchrigen Wollstrickjacke meiner Freundin drüber, ungewaschenen Haaren und hab wahrscheinlich nach Katzenklo gerochen (welches ich vorher sauber gemacht hatte).
Ich war irgendwie zwischen heulen oder lachen. Zwischen im Erdboden versinken oder mich einfach freuen meinen Mann zu sehen.
Er war etwas verlegen und hat sich entschuldigt, meinte meine Mutter hätte nicht locker gelassen. Er war bereit sich mit ihr auf einen Kaffee zu treffen, danach hat sie darauf bestanden, dass er sie noch nach Hause zu mir fährt, weil sie es ja mit dem Rücken hat. Er hat ihr gesagt, dass ich das nicht möchte, aber ich wüsste ja wie sie sei.
Ich habe dann angemerkt, dass sie nicht mal die hälfte unserer Geschichte wisse und ihn gefragt, ob er denn ausgepackt hätte und ihr erzählt hat, weshalb ich wirklich gegangen wäre.
Nein, hatte er natürlich nicht.
Ich hab uns dann trotzdem Kaffee gemacht und wir haben uns ein bisschen auf den Balkon gesetzt, hab mich aber eher gefühlt wie in einem Gefängnis mit diesem blöden Katzennetz.
Als er mir dann gesagt hat, wie schön ich sei, bin ich wirklich in Lachen ausgebrochen, bis es in einem Hustenanfall endete.
Naja, eine Stunde später etwa, habe ich dann gesagt, dass ich mich wieder hinlegen möchte, er half mir noch ins Bett, brachte mir mein Wärmekissen und setzte sich zu mir.
Dann fing er an zu weinen. Oh man, damit hatte er mich dann auch schon und ich umarmte ihn. Er sagte immer wieder wie leid ihm alles täte und dass er mir das niemals antun wollte. Dass er sich selbst so sehr dafür hassen würde, dass er es kaum aushält in den Spiegel zu sehen.
Irgendwann fing ich dann auch noch an zu heulen und zwischendurch kamen mir immer kurze Gedanken von, ich sollte ihm jetzt sagen, dass er gehen muss.... oder dass ich einfach vorsichtig sein muss...
Keine Ahnung wie es dann doch dazu kam, aber er küsste mich und ich ließ es zu. Ich bin fast versunken und ich denke es wäre einfach weiter gegangen. Aber als ich seine Hand dann an mir spürte, kamen mir plötzlich wieder Bilder hoch, wie er genau mit dieser Hand seine Ex berührte. Wie genau diese Lippen ein paar Minuten vorher die Auszubildende küssten, bevor sie mich küssten.
Das war heftig weil diese Bilder eine Explosion an Gefühlen auslösten mit denen ich glaube ich nicht umgehen konnte, oder sie nicht voneinander trennen konnte, jedenfalls wurde mir dann einfach schlecht. Ich drückte ihn dann weg und sagte, dass ich das nicht könnte. Er solle bitte gehen.
Kurz sah er mich so an, dass ich dachte, dass er jetzt gleich an die Decke gehen würde und anfangen würde zu brüllen. Aber er schien sich dann zusammen zu reißen, er entschuldigte sich. Meinte, er wollte mich nicht überrumpeln und dass es für ihn trotzdem der schönste Moment der letzten Woche gewesen ist. Dann ist er ohne weitere Aufforderung gegangen.
Ich blieb im Bett und weinte einfach nur. Gehen diese Bilder jemals wieder weg? Das war sowas von abartig diese Gefühle zu haben wenn ich meinen Mann küsse. Wird das jemals wieder anders?
Meine Mutter kam dann mit (veganem) Essen von Vietnamesen (ich bedankte mich natürlich überschwänglich). Sie fragte nicht nach wie es gewesen ist. Ich merkte nur, dass sie neugierig umherguckte in der Hoffnung mein Mann würde vielleicht doch in irgendeiner Ecke versteckt sein und bei dem Geruch des Essens, vielleicht aus dem Schrank gekrochen kommen.
Morgen fährt sie zum Glück wieder. Der Abend ist auch fast durchgestanden.
Mit meinem Mann schreibe ich weiterhin hin und her, meistens eher smalltalk, manchmal dann aber auch wieder darüber, wie es uns geht, was er sich für uns wünscht. Ich versuche Distanz zu wahren und merke trotzdem, wie meine Mauer bröckelt.
Morgen treffe ich mich mit meinem Arbeitskollegen zum Kaffee. Ich bin wirklich gespannt was er erzählt. Er kennt meinen Mann auch flüchtig und schien zumindest über das Fremdgehen nicht sonderlich überrascht. Keine Ahnung ob das auf meinen Mann bezogen war, oder auf die allgemeine Menschheit, da er ja ähnliches erlebt hat. Ich freue mich jedenfalls darauf mich mit einem Leidensgenossen auszutauschen. Ich glaube dieses haltlose, diese Schockstarre, die Ungläubigkeit, dieses bodenlose, können nur Menschen verstehen, die auch schon mal in so einer Situation waren.
Früher habe ich immer gesagt, dass ich es nie verzeihen würde, wenn man mich betrügt.
Aber das sagt sich so leicht.
In der Situation selbst, sind all diese Floskeln plötzlich so unrealistisch und weit weg!
13.10.2018 21:24 •
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