Es war ein ereignisreicher Tag.
Die gute Nachricht ist, dass ich vielleicht eine Übergangsbleibe habe. Eine Kollegin meiner Freundin vermietet ihre Wohnung Wochenweise über Rbnb und wohnt so lange dann immer bei ihrer Partnerin. Meine Freundin hat ihr von meiner Situation erzählt und sie ist bereit mir ihre Wohnung zu vermieten für den Übergang. Sie klärt das heute Abend noch mit ihrer Lebensgefährtin und wenn alles klappt, könnte ich morgen schon rein.
Irgendwie macht mir der Gedanke alleine zu sein, aber ganz schön zu schaffen. Immerhin hat sie zwei Katzen, um die ich mich kümmern kann.
Mein Arbeitstag war dafür einfach nur belastend. Ich bin dauernd auf die Toilette gerannt, weil mir die Tränen kamen und meine Koleg*innen haben mich behandelt wie ein rohes Ei, obwohl sie ja nicht mal wussten, was los ist.
Meine Freundin hat mich dann abgeholt und wir sind zur Ex gefahren. Obwohl ich nicht mal rauche, musste ich dann doch erstmal vorher eine Zig. rauchen, weil ich völlig neben der Spur war und mir ganz schlecht war vor Aufregung.
Meine Freundin blieb im Auto und ich bin alleine rein.
Die Ex war ziemlich distanziert und hat mich die ganze Zeit kritisch beäugt. Sie meinte gleich zu Anfang, dass sie meinem Mann nicht gesagt hat, dass wir uns treffen, weil er wahrscheinlich sonst auf der Matte gestanden hätte und sie bat mich, dass es auch unter uns bleibe, dass wir uns gesehen haben.
Ich willigte ein, habe auch kein Interesse daran, dass er es erfährt, glaube nicht, dass seine Reaktion da sehr positiv ausfallen würde.
Ich hab dann ein bisschen rumgestottert und dann irgendwann einfach gefragt, ob sie eine Affäre hatten in den letzten zwei Jahren. Ihr war die Frage total unangenehm, aber sie hat dann gesagt, dass es anfangs nur war, weil sie mir eins reinwürgen wollte.
Er hat sie abends angerufen, sie wusste noch ganz genau wann das war. Ich war auf einer Schulung für 3 Tage in einem Tagungshaus. Wir hatten Streit deshalb, ich bin trotzdem gefahren und mein Mann ist dann abends wohl losgezogen mit einem Kumpel und hat die Ex dann ziemlich betrunken angerufen und ist noch zu ihr gefahren. Damit fing das ganze an.
Sie hat alle meine Fragen beantwortet, sie sagte mir auch, dass sie mich wirklich gehasst hat und sie sich einfach gewünscht hat, ihre Familie wieder zu bekommen. Bis dahin hat sie meinen Mann jeden Tag vermisst. Aber vor einem halben Jahr, als er das zwischen den beiden beendet hat, ist ihr klar geworden, dass die Trennung von ihm, das Beste war, was ihr passieren konnte und sie hofft, dass ich auch irgendwann so denken werde. Ich habe sie gefragt, warum er es beendet hat. Sie sagte, weil er etwas mit der Azubine bei der Arbeit angefangen hat und sie es mitbekommen hat. Sie musste selbst darüber lachen, aber sie dachte, dass sie zumindest neben mir die einzige wäre.
In einem Streit darüber hat sie ihm dann gedroht, mir alles zu erzählen weil sie so wütend war. Daraufhin hat er ihr gesagt, wenn sie ein Wort zu irgendwem sagt, dann wird er ein paar schöne Fotos von ihr veröffentlichen. Sie meinte heute, sie wüsste nicht mal, ob er solche Fotos wirklich besitzt, aber wenn doch, dann zweifelt sie nicht daran, dass er auch tut was er ihr androht, außerdem wollte sie einfach nichts mehr damit zu tun haben und sich auf ihren Sohn konzentrieren. Aber nochmal die Bitte, dass ich ihm nichts davon erzähle, weil sie Angst hat, dass er wirklich etwas in die Richtung tut.
Mehr musste ich dann nicht wissen, sie tat mir fast ein wenig leid. Trotzdem waren es 18 Monate, die sie mit ihm geschlafen hat und das nehme ich ihr übel, ob ich will oder nicht, dafür könnte ich ihr den Hals umdrehen.
Und nun haben wir als noch die Azubine dazu, ich glaube sie ist gerade mal Anfang 20.
Im Auto bin ich dann erstmal heulend zusammengebrochen. Ich kann das echt nicht verstehen. Weder von der Seite der Ex aus, noch von der Seite meines Mannes. Nach all dem, wie die beiden sich bekriegt haben, geht sie wieder mit ihm ins Bett?
Meine Freundin hatte in der Zeit meinen Mann angerufen und ihm gesagt, dass ich ein paar Sachen holen werde und nicht auf ihn treffen möchte, er also bitte einfach das Haus verlassen soll. Er hat sich erst geweigert und gesagt, dass er doch nur mit mir sprechen möchte, hat dann aber eingewilligt.
Ich hab die wichtigsten Dinge zusammen gepackt. Sein Geruch hing überall, in jedem Zimmer. Sein Bettzeug war auf der Couch, hat also wohl nicht in unserem Bett geschlafen. Ich bin durch die Räume und mir hat es einfach nur die Kehle zugeschnürt. Das war mein Leben, mein Zuhause und ich sollte das einfach weg schmeißen. An den Wänden all unsere Bilder, von der Hochzeit, von unseren Reisen. Ein großes Bild auf Leinwand mit unserem Hund.
Meine Freundin half mir die ganze Zeit, sah aber irgendwie genauso mitgenommen aus und irgendwann hingen wir uns in den Armen und weinten beide. Keine Ahnung warum, völlig bescheuert.
Als wir gingen, habe ich noch in den Kühlschrank geguckt, er war genauso, wie ich ihn hinterlassen hatte und mein erster Gedanke war, dass er hoffentlich genug isst!
Der Gedanke hat mich danach allerdings selbst angeekelt.
Kaum waren wir draußen hatte ich das Gefühl, meine Beine wurden bei jedem Schritt schwerer, als würde sich mein Körper bei jedem weiteren Schritt immer mehr dagegen wehren zu gehen. Am liebsten wäre ich einfach umgedreht und hätte alles vergessen, einfach nach Hause gehen. Auf dem Weg zum Auto sah ich dann meinen Mann mit unserem Hund die Straße entlang kommen. Ich dachte mein Herz zerspringt. Ich wollte einfach zu ihm rennen und mich in seine Arme schmeißen, ich wollte ihm alles verzeihen und einfach von vorne anfangen. Ja ich weiß, bescheuert. Aber da war auch das Gefühl von Abscheu, Ablehnung, Angst vor dem was jetzt passiert.
Mein Mann kam auf uns zu, unser Hund kriegte sich vor Freude kaum ein und ich hätte ihn auch am liebsten sofort mitgenommen. Mein Mann sah schlimm aus. Augenringe, unrasiert, das Gesicht fast grau. Ich habe mich wirklich erschrocken und auch wenn es das vielleicht nicht sollte, hat er mir wirklich leid getan. Er fragte, ob wir nicht wenigstens kurz reden könnten und streckte die Hand nach mir aus. Ich war echt bewegungsunfähig. Stand komplett versteinert da, hatte Angst vor einer Berührung und wünschte mir auf der anderen Seite nichts mehr als das.
Meine Freundin sagte, es würde bei mir liegen und stellte sich kurz zwischen uns.
Ich hab dann nur gestammelt, dass ich einfach gehen will. Irgendwie bin ich dann ins Auto gekommen. Hab noch meinen Mann mit hängenden Schultern stehen sehen, keine Ahnung wer trauriger guckte, mein Mann oder Aris.
An die Autofahrt kann ich mich kaum erinnern, mir sind einfach nur die Tränen gelaufen.
Bei meiner Freundin gabs dann Pizza, Eis und wie werd ich ihn los in 10 Tagen, seit Tages das einzige was ich gegessen habe und seit Tagen hab ich mal wieder gelacht.
Meine Freundin hat richtig gefeiert. Fand es super, dass mein Mann so mitgenommen aussah. Meint, er hätte bestimmt nicht damit gerechnet, dass ich so eisern bin. Ich kann leider nicht mitfeiern. Fühle mich beschissen, habe das Gefühl ICH hätte IHN im Stich gelassen. Keine Frage, ich weiß, dass er die Verantwortung trägt, dass er mich von sich weg getrieben hat, aber das Gefühl ist da. Ich hasse es, aber er tut mir leid. Ich kann grad kaum damit umgehen diese Ambivalenzen zu spüren, das macht mich verrückt. Als könnte ich mir selbst nicht vertrauen. Was ich aktuell auch nicht tue. Ich habe in der einen Sekunde den Impuls, ihn einfach anzurufen und ihm zu sagen, er soll mich abholen weil ich nach Hause komme. In der nächsten Sekunde frisst mich die Kombination aus Wut, Enttäuschung und Trauer fast auf und ich schwöre mir, niemals auch nur ein Wort noch mit ihm zu sprechen.
08.10.2018 19:32 •
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