Zitat von Debby3: Sehe auch so …und sie haben keine rechte Antwort darauf.
Auszüge aus Adams Tagebuch
von Mark Twain
[Fußnote: Ich habe einen Teil dieses Tagebuchs vor ein paar Jahren übersetzt. Ein Freund von mir hat wenige Kopien in unvollständiger Form gedruckt, aber sie sind nie veröffentlicht worden. Seitdem habe ich mehr von Adams Gekritzel entschlüsseln können und ich glaube, daß er jetzt eine hinreichend bekannte Persönlichkeit geworden ist, die diese Veröffentlichung rechtfertigt. – M. T.]
Montag
Dieses neue Geschöpf mit den langen Haaren steht mir ganz schön im Weg. Es lungert nur rum und rennt hinter mir her. Ich mag das nicht, ich hatte vorher ja auch keinen Begleiter. Warum bleibt es nicht bei den anderen Tieren? Heute ist es bedeckt, der Wind kommt aus östlicher Richtung; ich glaube, es wird bald regnen. … Wo kommt der Spruch denn her? … Ach ja, das neue Geschöpf hat ihn benutzt.
Dienstag
Habe mir den großen Wasserfall angesehen. Das ist der schönste Platz auf dem Grundstück. Das neue Geschöpf nennt ihn Niagara Wasserfall – keine Ahnung, warum es ihn so nennt. Das Ding sagt, er sieht eben wie der Niagara Wasserfall aus. Das ist ja wohl kein Grund, sondern zeugt von Launenhaftigkeit und Blödheit. Ich habe keine Chance mehr, selber Namen zu vergeben. Bevor ich auch nur protestieren kann, hat das Geschöpf für alles schon einen Namen gefunden. Und immer unter dem gleichen Vorwand – es sieht so aus. Wie zum Beispiel beim Dodo. Kaum hat es ihn gesehen, sagt es schon: er sieht aus wie ein Dodo. So wird wohl der Name bestehen bleiben. Ich bin es überdrüssig, mich darüber zu ärgern, denn es bringt einfach nichts. Dodo! Das Tier ähnelt einem Dodo ebenso wenig wie ich.
Mittwoch
Ich habe mir einen Schutz gegen den Regen gebaut, kann ihn aber nicht in Ruhe benutzen. Das neue Geschöpf kommt einfach herein. Als ich es rausschmeißen wollte, hat es Wasser aus den Löchern gelassen, mit denen es sonst guckt. Das Wasser hat es dann mit der Rückseite seiner Pfote weggewischt und dabei ein Geräusch wie ein gequältes Tier gemacht. Und dauernd spricht es, ich wünschte, es hörte auf zu reden. Das klingt hart, aber ich meine es nicht so. Vorher hatte ich keine menschlichen Stimmen gehört, und so ist jedes neue Geräusch, das in meine Einsamkeit eindringt, erst einmal wie ein falscher Ton in meinem Ohr. Und dieser neue Klang ist so nah, direkt an meiner Schulter, dicht vor dem Ohr, erst auf der einen Seite, dann auf der anderen. Wo ich doch nur an Geräusche gewöhnt bin, die mehr oder weniger weit entfernt sind.
Freitag
Ich kann nichts daran ändern, die Namensgebung geht unaufhörlich weiter. Ich hatte einen so schönen Namen für dieses Gelände; er war hübsch und melodisch – Der Garten Eden. Insgeheim nenne ich es noch weiter so, sage es aber nicht mehr laut. Das neue Geschöpf sagt, daß es hier nur Wald, Felsen und Landschaft gibt, und daß es deshalb keine Ähnlichkeit mit einem Garten hat. Es sagt, daß es wie ein Park aussieht und daher ein Park ist. Deshalb muß es – natürlich ohne meine Zustimmung – in Niagara Wasserfall Park umbenannt werden. Das erscheint mir ganz schön willkürlich. Und schon steht da ein Schild:
Zitat:Betreten des Rasens
verboten
Ich fühle mich nicht mehr so glücklich wie früher.
Samstag
Das neue Geschöpf ißt zuviel Obst. Wahrscheinlich werden wir bald nichts mehr haben. Wir ist wiederum ein Wort, das ich nun auch benutze, weil ich es so oft höre. Heute morgen hatten wir starken Nebel. Ich selbst gehe im Nebel nicht raus. Aber das Geschöpf geht raus. Es geht bei jedem Wetter raus und kommt mit schmutzigen Füßen wieder reingestampft. Und redet. Es war so wohltuend ruhig hier.
Sonntag
Durchgehangen. Dieser Tag wird immer nervtötender. Letzten November wurde er ausgewählt und zum Ruhetag bestimmt. Davor hatte ich weitere sechs pro Woche davon. Heute morgen habe ich das neue Geschöpf dabei erwischt, wie es Äpfel vom verbotenen Baum pflücken wollte.
Montag
Das neue Geschöpf sagt, sein Name sei Eva. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber es sagt, ich muß den Namen rufen, wenn es zu mir kommen soll. Da habe ich gesagt: das ist wohl überflüssig. Dieser Satz hat mir Respekt eingebracht, ich werde ihn mir merken und noch öfter verwenden. Dann sagt es zu mir noch, daß es kein Es, sondern eine Sie sei. Das ist vermutlich fragwürdig, mir aber im Grunde egal. Ich nenne sie wie sie will, wenn sie mich nur in Ruhe läßt und aufhört zu reden.
Dienstag
Sie hat das ganze Grundstück mit scheußlichen Namen und widerwärtigen Schildern übersät:
Zitat:Hier entlang zum Strudel
Hier entlang zur Ziegeninsel
Hier geht es zur Höhle der Winde
Sie sagt, dieser Park würde eine schöne Sommerfrische abgeben, wenn es dafür Bedarf gäbe. Sommerfrische – wieder eine ihrer Erfindungen – Worte ohne Bedeutung. Was ist eine Sommerfrische? Aber lieber nicht fragen, sie hat eine fürchterliche Erklärungswut.
Freitag
Sie fleht mich an, nicht mehr den Wasserfall herunterzustürzen. Wen kümmert das schon? Sie sagt, es bringt sie zum Zittern. Versteh ich nicht. Ich mache das doch schon immer – ich liebe diesen Kopfsprung, die Aufregung und die Kälte. Ich dachte, dafür seien die Wasserfälle gemacht worden. Ich sehe keinen anderen Zweck, und irgendeinen Zweck müssen sie ja haben. Sie sagt, sie seien nur für die Landschaft gemacht – ebenso wie das Rhinozeros und das Mastodon.
Diesmal bin ich den Wasserfall in einer Tonne hinuntergesaust. Damit war sie aber auch nicht zufrieden. Habe dann eine Wanne genommen – immer noch unzufrieden. Dann bin ich im Strudel und in den Stromschnellen mit dem Feigenblatt-Schwimmanzug gewesen. Ist völlig kaputtgegangen. Danach gab es weitschweifige Beschwerden über meine Extravaganz. Ich werde hier ganz schön behindert. Brauche bald einen Standortwechsel.
Samstag
Letzten Dienstag bin ich abgehauen und bin zwei Tage unterwegs gewesen. Ich habe mir eine neue Behausung an einem einsamen Ort gebaut und meine Spuren so gut wie ich konnte verwischt. Aber sie hat mich mit der Hilfe eines Biestes aufgespürt, das sie sich gezähmt hat und dem sie den Namen Wolf gegeben hat. Und wieder macht sie dieses bemitleidenswerte Geräusch und verschüttet Wasser aus den Stellen, womit sie sonst sieht. Ich war gezwungen mit ihr zurückzukehren, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich wieder ausreißen. Nun beschäftigt sie sich mit vielen dämlichen Dingen; unter anderem möchte sie herausfinden, warum die Tiere, die Löwen und Tiger genannt werden, sich nur von Gras und Blumen ernähren. Sie sagt, deren Zahnform sei dafür geschaffen, daß sie einander auffräßen. Sowas ist dumm, denn dann müßten sie sich ja gegenseitig töten. Und das würde etwas bewirken, das man – so wie ich es verstehe – den Tod nennt. Und der Tod – so wurde mir gesagt – ist im Park nicht vorgesehen. Manchmal eigentlich schade.
Sonntag
Durchgehangen.