Seelischer Dauerstress ist der größte Feind der Nerven
Grundsätzlich wirken alle seelischen Störungen auf das Nervensystem ein und behindern die Nervenströme, und damit die gesamte Kommunikation im ganzen Körper. Der Volksmund spricht von Nervenbündel, wenn die strapazierten Nerven so spürbar sind als würden sie allesamt bloßgelegt sein. Wir sind dann nervös, d.h. unruhig, unkonzentriert, durcheinander und leicht aus der Fassung zu bringen.
Die häufigsten und tiefgreifendsten Störungen kommen aus den anhaltenden Grundstimmungen der Angst und Sorge, des Kummers und der Trauer, der Ungeduld und des Misstrauens und den damit verbundenen nagenden Empfindungen und Gefühlen. Seelischer Dauerstress bringt die Nerven durcheinander und führt zur Schwächung des Immunsystems und die Wahrscheinlichkeit an Herzinfarkt, Krebs oder Depressionen zu erkranken, steigt dabei um ein Vielfaches.
Die hier zugrunde liegenden Ursachen sind genauso vielfältig wie die Stimmungen selbst: Zum Beispiel übermäßige ängstliche Fürsorge aus einem Festhaltenwollen heraus, verbunden mit der ständigen Angst etwas oder jemanden zu verlieren; oder maßlose Enttäuschung und Trauer, weil das Ersehnte nicht erreichbar oder das Geliebte nicht mehr da ist oder weil Verletzungen und Zurückweisungen tiefe Wunden geschlagen haben - viele von uns reagieren dann mit Depressionen, sich zurückziehend in die Einsamkeit des Misstrauens oder wechseln zu überdrehten aber leeren Ersatzaktivitäten über oder zu Alk. und Medikamenten; manchmal besteht die Neigung zu ehrgeiziger Selbstdarstellung, weil wir glauben, alles besser machen zu können als die anderen, stets verbunden mit der bangen Sorge, den Erwartungen vielleicht doch nicht zu entsprechen und ohne Zuneigung und Anerkennung auskommen zu müssen; aber auch alle anderen Variationen des ständigen Hinausgehens über eine gesunde maßvolle Grenze gehören zu den Hektik und Zerrissenheit bringenden Faktoren, die zu physischer und psychischer Überforderung führen und letztlich zu nervlicher Zerrüttung und Erschöpfung.
Wenn dann die Kraft des Geistes mit seinen Instrumenten der Vernunft und des Herzens diesen Verhaltensweisen nicht Einhalt zu gebieten vermag, nimmt die Nervosität immer mehr zu. Flatterhaft und sprunghaft wird eine Aktion nach der anderen gesetzt, Unwichtiges drängt sich in den Vordergrund, während wesentliche Dinge der Hetzjagd zum Opfer fallen. Der Nervöse jagt den Ereignissen hinterher und fühlt sich von ihnen überrollt und überfordert. In dieser Situation der völlig überspannten Nerven drehen die Betroffenen oft durch und erliegen einem Nervenzusammenbruch, ähnlich dem Durchbrennen der Sicherungen in einem elektrischen Schaltkreis oder einem Verkehrschaos in der Stoßzeit. So ein Kollaps beendet den überdrehten Zustand, indem die Kommunikation mit der Umwelt zusammenbricht. Spätestens an dieser Stelle sollten wir zur Besinnung kommen und uns fragen, ob unsere bisherige Lebensweise nicht doch korrekturbedürftig ist - so ein Zusammenbrechen ist noch einmal eine warnende Chance, bevor der seelische Prozess weiterläuft und hineinmündet in tiefe Depressionen und Resignation.
Was ist zu tun, wenn die Nerven versagen?
Das Signal ist sehr deutlich! Es geht darum, die Initiativen nach außen vorübergehend zu reduzieren, bis die eigene Mitte wieder gefunden ist. Es geht darum, sich zu besinnen und die Angst abzulegen, immer etwas zu versäumen und nicht mitmischen zu können. Das Hineinfinden in die Seelenmitte durch Öffnen des Herzens, das wäre besonders die Aufgabe aller ständig Genervten - die nervösen Symptome des Herzrasens oder des Herzstolperns sind ein Hinweis darauf, dass hier das Herz eine wichtige Rolle spielt. Das Herz ist das Symbol für Liebe und Gefühl, und nur damit können wir in die Seelenräume hineinspüren, in denen unsere Stärken liegen, unsere Tugenden und Talente, mit denen wir uns einen Boden des Vertrauens und der Sicherheit schaffen können, der aus einer inneren Kraft heraus das Gleichgewicht nach außen halten kann, ohne immer wieder allzu schnell die Nerven zu verlieren.
Der Nervöse braucht weniger ein starkes Medikament zur Beruhigung als vielmehr eine neue, positive Einstellung zum Leben, zu Problemen und Aufgaben, eine Einstellung, die den Nächsten berücksichtigt aber auch sich selbst nicht vergisst - im Sinne des christlichen Gebotes: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. So eine Einstellung ermöglicht auch wahre Herzensfreude, weil damit ein mitmenschliches Verständnis möglich ist und nicht nur Ichbezogenes im Raum steht, und weil die Angst und Bange machenden Situationen, die das menschliche Vermögen übersteigen, vertrauensvoller in höhere Hände gelegt werden können. Der innere Druck kann dadurch einer gewissen Gelassenheit weichen, die es eher erlaubt, so zu sein wie wir sind und die auch einmal hinnimmt, wenn etwas nicht so sein kann wie wir es haben möchten, weil es eben anders sein soll.
Starke Nerven oder Nerven wie Drahtseile lassen sich nicht einfach fabrizieren und gesunde Ernährung allein reicht auch nicht aus - sie sind vor allem eine Folge innerer Stärke, Ausgewogenheit und umsichtigen Kommunikationsvermögens in allen Bereichen des Lebens.
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