Hallo!
Also ich glaube, liebe Autsch, wenn es Dir nicht gelingt, Dich klar abzugrenzen, dann kommst Du aus diesem Teufelskreis nur schwer raus.
Ich weiß zwar nicht, welchen Unfall er hatte, aber warum mußte er sich dann an Dich wenden? Das hat nichts mit Freundschaftsdienst zu tun, sondern das sind solche Spielchen, mit denen er in Deinem Leben bleibt. Und das tut Dir nicht gut.
Du hast schon recht: er kann nichts dafür, daß er keine Liebe empfindet. Aber sehr wohl kann er etwas dafür, wenn er sich wegen des Unfalls an Dich wendet und dann auch gleich bei Dir übernachtet. Und das eben ist das Heimtückische, dieses Verhalten, dieses Ausnutzen und Benutzen, und nicht der Umstand, daß er keine Liebe empfindet.
Es gibt eben Menschen, die keine Liebe empfinden können, und dafür können sie nichts. Aber sie spielen allerhand vor, entweder eben Liebe oder Leid oder Großartigkeit oder sonst etwas und nützen dadurch andere rücksichtslos aus, durchaus ohne schlechtes Gewissen, weil sie auch das nicht haben.
Es geht aber auch nicht darum, hier irgend etwas zu verurteilen, sondern darum, sich selber zu schützen.
Was einem wirklich bewußt sein muß, ist (wie ich schon einmal geschrieben habe), daß man es hier emotional gesehen mit einem Kleinkind zu tun hat. Das muß man verstehen, das bringt mehr als sich mit den verschiedenen sogenannten Persönlichkeitsstörungen zu beschäftigen (es gibt ja nicht nur Narzissmus, sondern auch Borderline, emotional instabile Persönlichkeit, paranoide Persönlichkeit, dissoziale Persönlichkeit usw. - und auch Mischformen). Denn alleine der Begriff Persönlichkeitsstörung entspricht ja nicht eigentlich den Tatsachen. Sondern eigentlich geht es hier um eine frühzeitig gehemmte Entwicklung der Persönlichkeit, insbesondere auf emotionaler Ebene. Die Entwicklung endet gewissermaßen schon frühzeitig und bleibt dann auf Kleinkindniveau bestehen.
Man hat zwar einen erwachsenen Menschen vor sich, der emotional allerdings ein Kind ist und sich auch so verhält, nur eben mit anderen Mitteln und in anderen Erscheinungsformen (ein wütendes Kleinkind wird nicht auf die Idee kommen, bei einem Auto die Reifen aufzuschlitzen, sondern es tritt halt gegen das Schienbein dessen, von dem es sich verletzt oder geärgert fühlt, oder reißt ihn an den Haaren usw.).
Du hast ja selber ein Kind und wirst auch andere Kinder kennen. Und wenn Du deren Verhalten betrachtest und verstehst, dann verstehst Du auch das Verhalten Erwachsener, die eine sogenannte Persönlichkeitsstörung haben. Auch ein kleines Kind kennt nur sich selber und seine Bedürfnisse, manipuliert bedenkenlos nach Strich und Faden (weil es eben noch nicht bedenken kann), hat kein Mitgefühl, liebt nicht (im eigentlichen Sinne, Anhänglichkeit ist nicht Liebe), will Mittelpunkt sein, will alle Aufmerksamkeit, ist sehr verletztlich, rücksichtslos, rastet schnell aus oder wird schnell ängstlich, empfindet es nicht als eigene Unaufmerksamkeit, wenn es gegen die Tischkante läuft, sondern hält den Tisch für den Schuldigen und wütet gegen ihn, würde nicht einmal Reue empfinden, wenn es meinetwegen sein Geschwisterchen im Zorn aus dem Fenster werfen würde usw. usw. - weil es eben all das noch nicht entwickelt hat.
Und bei jemand mit einer Persönlichkeitsstörung hat sich eben nie mehr entwickelt (oder zumindest dieses und jenes Wesentliche nicht).
Sie können zwar alles mögliche sehr gut und absolut glaubwürdig spielen, alles, was ihnen irgendwie nützlich erscheint, sogar heiles Familienleben, sind teilweise sogar besonders charmant und einnehmend oder auch auffallend zutraulich und vertrauensselig oder auch leidend (Schicksalsgeschlagene), höflich, herzlich, hilfsbereit oder auch angeberisch, selbstherrlich, sehr spendabel usw. Aber all das hat keine Entsprechung in der Gefühlswelt, in der realen Innenwelt, sondern ahmt Verhalten nach, das irgendeinen erwünschten Erfolg verspricht. (Jedes Verhalten ist erfolgsorientiert (auch wenn der Erfolg etwas Negatives ist), und jedes Streben nach einem Erfolg (einer Reaktion usw.) entstammt einem entsprechenden Bedürfnis.)
Aber das eigentliche Problem ist ja, daß eben viele andere gerade auf solche Muster und Schauspiele ansprechen. Und dann unbewußt eben (auch) Gefühle entwickeln, wie man sie einem Kind gegenüber entwickelt. Ein kleines Kind kann man nicht verlassen, das ist gleichsam ein Naturinstinkt, man kann ihm auch nicht richtig böse sein, verzeiht alles, nimmt größte Rücksicht auf seine Verletztlichkeit und Eigenwilligkeit, will nichts anderes, als daß es ihm gutgeht usw. Und daher ist es auch so schwierig, sich aus einer solchen destruktiven Beziehung zu lösen, weil es (unbewußt) genau so ist, als würde man ein kleines Kind verlassen und es auch nicht mehr an sich heranlassen, wenn es darum bettelt. Und wer bringt das so einfach übers Herz?
Ich glaube, man muß eben auch verstehen, was hier unbewußt abläuft, auch in einem selber. Und man muß auch verstehen, daß man mit einem emotionalen Kleinkind in Erwachsenengestalt keine erwachsene Beziehung führen kann. Das ist vollkommen unmöglich und zudem äußerst zerstörerisch, weil dieses Keinkind eben nicht mehr den Schnuller im Mund hat, sondern die Schrotflinte in der Hand.
Und daher kann ich Dir nur wieder sagen: Je eher es Dir gelingt, wirklich auf Abstand zu gehen, um so besser für Dich. Es mag Dir zwar immer für den Moment besser gehen, wenn er sich meldet oder sich bei einem Unfall an Dich wendet oder was auch immer - aber diese kurzfristigen Erleichterungen werden Dir nichts bringen. Sondern die wirkliche und nachhaltige Erleichterung wird erst kommen, wenn Du Dich völlig von ihm gelöst hast.
Liebe Grüße