Hallo Sus,
meine Güte! Den Druck, den du dir auferlegst, kann man bis hierher spüren. Bei deinem Tempo habe ich fast Atemnot!
Vielleicht wäre es gut, wenn du das, was du grad empfindest und worüber du nachdenkst, ein wenig strukturierst. Wir machen das jetzt einfach mal:
Alles im Leben hat seine Zeit und es ist wichtig zu schauen, in welcher Phase man JETZT ist und welche Anforderungen diese Phase stellt.
1. Wo stehst du JETZT und was sind die Erfordernisse:
- es ist eine lange, komplizierte und sichernde Partnerschaft zu verarbeiten, die frisch getrennt wurde
- zwei Kinder, die dich mehr denn je brauchen, müssen versorgt sein und sicher aufwachsen können
- die Alltagsstruktur muss aufrechterhalten werden
- dafür musst du stabil bleiben, obwohl es dir mies geht und du dich einsam und verlassen fühlst
2. Wie gehst du mit diesen Erfordernissen um? Schaffst du sie, zu bewältigen?
A: Was du schaffst:
Zitat:Ich arbeite, kaufe ein, koche, kümmere mich um die Hausaufgaben, putze usw.
Zitat:Jetzt bin ich eigentlich zum ersten Mal ganz alleine für alles verantwortlich. Es funktioniert mit viel Kraft.
B: Was du alles schon geschafft hast/ Was deine Stärke sagt:Zitat:Ich habe schon seit ich 13 war Panikattacken und es wurde auch durch Therapien auf Dauer nicht besser. Trotzdem habe ich nach meiner Ausbildung noch Fachabitur gemacht und ein Studium abgeschlossen.
Zitat:Ich bin seit 10 Jahren trocken
Zitat:obwohl er bis heute selbst ein Alk. hat was er aber nicht einsehen will). Na gut, dass habe ich also geschafft.
C: Was deine Angst sagt/ Hindernisse, um Erfordernisse zu bewältigen:Zitat:Jetzt bin ich eigentlich zum ersten Mal ganz alleine für alles verantwortlich.
Zitat:Ich bin mir sicher, er wartet nur auf ein Scheitern von mir
Zitat: kann mir nicht vorstellen jemals wieder eine Beziehung zu haben.
Zitat:Ich habe einfach nichts zu geben!
D: Was deine Trauer sagt/ Bedürfnisse, die du hast:Zitat:Ich war zeitweise wirklich eine Frau die gestrahlt hat, aber das ist lange vorbei.
Zitat:Jetzt bin ich eigentlich zum ersten Mal ganz alleine für alles verantwortlich.
Zitat:Ich fühle mich sehr einsam
Zitat:Ich habe einfach keine Energie für Anderes.
Wir schauen uns deine Situation, die du im 2. Posting beschrieben hast, jetzt nochmal an. Aber dieses Mal aus einer strukturierten Sicht:
Die Situation (1.):
Wow! Du hast viel zu tragen und zu er-tragen und musst funktionieren, damit alles Andere auch weiterfunktioniert und das, obwohl du dich derzeit desolat fühlst.
Wie schaffst du das?! (2.A):
Du schaffst es, deinen Alltag - wenn auch mit viel Kraft - zu bewältigen. Und DAS, trotz der widrigen Umstände! Chapeau! Du hast das, was JETZT am Wichtigsten ist, im Griff und kriegst es hin! Hättest du das jemals geglaubt, wenn es dir vor Jahren prophezeit worden wäre? Nein? Kannste mal sehen!
Wie wäre es dennoch mit ein wenig Entlastung, z.B. durch eine Haushaltshilfe, Unterstützung durch das Jugendamt oder durch eine Familienberatungsstelle, die dir mögliche Entlastungen anbieten und vorschlagen kann? DU bist JETZT die wichtigste Person in der Situation und es wäre wichtig, entlastet zu werden.
Zum ersten Mal in deinem Leben stehst du allein in voller Verantwortung und bewältigst diese sogar. In den zwei Monaten seit der Trennung hast du alles allein geschafft, wofür du früher sonst seine Unterstützung hattest. Es scheint also auch ohne ihn zu gehen. Du hast dir auch früher schon oft bewiesen, dass du es trotz widriger Umstände immer schaffen und dich auf dich verlassen kannst. Du bist ganz schön stark! In diesen 2 Monaten hat dich niemand gefragt, wie du das alles schaffst. Na und? Auch ohne diese Nachfrage Anderer hast du es geschafft - allein und ohne die Hilfe Anderer, die zu allem Überfluss noch Abstand genommen haben, statt dir unter die Arme zu greifen. Ich würde sagen: Du kannst ordentlich stolz auf dich sein!
(2. B) Du hast es geschafft in einer langen Partnerschaft weiterhin trocken zu bleiben, obwohl dein Partner trank. Wow! Ich kann dir aus Erfahrung sagen, wie viele trockene Alk. das ebenfalls schaffen: 1 von 50. Herzlichen Glückwunsch! Du bist eine von 50, die die Kraft aufgebracht haben, DAS zu schaffen. Und DAS hast du dir ganz allein erarbeitet. Schon damals!
In diesem Damals gab es immer wieder einen einzigen Aspekt, der immer stärker war, als die Sucht und deine Angst: Dein Wille und das Bedürfnis, weiter zu kommen. Dagegen scheint keine Angst angekommen zu sein.
Jetzt hast du recht viel Angst und v.a. Angst vor der Angst. Kontrolle zu verlieren, zusammenzubrechen, allein auf eigenen Beinen weder stehen noch gehen zu können.
Warum?
Du hast dir in deiner ganzen Vergangenheit und auch JETZT bereits bewiesen, dass du es schaffst und schaffen kannst. Und wenn du zweifeln solltest: Warum nimmst du dir deine Therapieunterlagen nicht nochmal vor und schaust nach, was dir empfohlen wurde, um z.B. Panikattacken zu unterbrechen (Skills) und Empfehlungen der damaligen Therapeuten, z.B. zur Selbstfürsorge (gesunde Belohnung, Ruhe, Konzentration) nochmal genauer anzuschauen? Erarbeite dir JETZT deinen ganz eigenen Therapieplan und lege dir Skills für den Notfall zurecht. Alles Werkzeug hast du schon an der Hand.
Und im Übrigen wäre es vielleicht gar nicht schlecht, nochmals, JETZT, therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die jetzige Situation ist hart und sehr kräftezehrend. Therapie kann auch bedeuten, sich jetzt entlasten zu lassen und wenigstens ein Mal in der Woche einen Raum ganz für sich selbst, die Trauer, die Probleme zu haben und sich zu nehmen um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, dass man schluckt und schluckt und schluckt, bis man zusammenbricht. Überleg dir diesen Weg einfach mal.
Du bist dir sehr bewusst darüber, welche Dinge für dich gefährlich sind (siehe 2 C) und was dir immer wieder Knüppel zwischen deine Beine wirft.
Hierzu ein kleiner Exkurs zum Thema Angst. Wir alle denken immer, dass Angst - weil es so ein schreckliches Gefühl ist - aus unseren Gefühlen erwächst. Das stimmt aber nicht. Angst ist IMMER das Ergebnis einer gedanklichen Bewertung. Angst = negative Gedanken, die mit der Realität rein GAR NICHTS zu tun haben müssen! Nun kannst du also erkennen, dass Angst v.a. dann auftaucht, wenn DU denkst, dass du zu allein, zu klein, zu schwach, zu unfähig und zu leer bist, als irgendwas Starkes schaffen zu können.
Schau dir nochmal 1., 2.A und 2.B genau an. Welchen Wahrheitsgehalt haben diese, deine Gedanken? Kaum einen!
Und schau dir nochmal genau an, für WEN du damals gekämpft hast und für wen du es heute tust. Warum nimmt dein Ex-Partner in deinen Gedanken plötzlich die Rolle desjenigen ein, für den du das JETZT alles tust? Warum ist wichtig, dass du jetzt funktionierst, nur, damit ER nicht sagen kann: Siehste! Wusste ich doch, dass sie es niemals schaffen wird! Warum?
Fällt dir auf, dass er eine deiner Ängste ist? Dass er ein Teil der Angst ist, zu versagen, nicht zu bestehen und es nicht zu schaffen? Fällt dir auf, dass du ihm gedanklich eine große Rolle gewährst und dein Scheitern von ihm abhängig machst?
Du für dich allein hast dir hundert Mal bewiesen, dass du stark bist. Taucht er in deinen Gedanken auf, wird aus der starken Sus plötzlich eine Frau, die sich klein, schwach und bedürftig fühlt.
Erinnert dich das an etwas? Bedürftigkeit? Sicher, es ist schön, zu wissen, dass jemand da ist und einem Arbeit abnimmt, wenn man selbst nicht mehr kann. Aber die Kehrseite der Medaille ist doch auch, immer wieder gespiegelt zu bekommen (wie er dir in seinen Vorwürfen ebenfalls sagte): Ohne mich bist du nichts, kannst du nichts und wirst du scheitern!
Was hast du da eigentlich verinnerlicht? Angst, Angst, Angst..... Wieviel davon fußt auf der Realität?...
Macht dir deine Bedürftigkeit deswegen JETZT Angst? Du fühlst dich einsam, ja! Das ist doch völlig legitim und dennoch mitnichten ein Zeichen dafür, dass du scheitern wirst!
Du fühlst dich leer: JA, NATÜRLICH! Es kostet ja auch extrem viel Kraft, was du derzeit alles leisten musst.
Du hast derzeit nichts zu geben. Natürlich! Wie auch?! Alles, was du zu geben hättest, muss JETZT erstmal an deine Kinder und an DICH gehen. Es ist JETZT nicht an der Zeit, Energie wegzugeben, sondern sie wieder zu sammeln und zu bewahren. Und das ist ein Prozess! Das braucht Zeit und kontinuierliche Arbeit daran. Eine Beziehung wird immer möglich sein, und zwar dann, wenn du wieder bei Kräften bist und so viel Energie hast, dass du sie bedenkenlos auch wieder teilen und verschenken kannst. Nur, weil das JETZT noch nicht der Fall ist, heißt das doch nicht, dass es NIE mehr der Fall sein werde.
Bleibe im JETZT!
Fange JETZT an, dich wieder aufzubauen und hole dir dafür alle Unterstützung, die du brauchst.
Suche dir eine Selbsthilfegruppe, vertraue dich einem Menschen an, und sei es die christliche Seelsorge, ein Pfarrer, die Hausärztin oder irgendwer Anderes. Isoliere dich nicht!
Lege dir Pläne für Krisensituationen zurecht.
Nicht und niemand ist derzeit wichtig außer deinen Kindern und dir! Niemand.
Verbanne deinen Mann aus deinen Ängsten und deinem Kopf. Bleibe bei dir!
Das sollte dein eigener Therapieplan für dieses JETZT sein. Nicht mehr und auch nicht weniger. Du hast anstrengende Zeiten hinter dir. Honoriere das!