Hanne123, so in etwa erkläre ich mir das auch.
Ich denke, dass die Verlassenden so eine Art Gehirnwäsche in mehreren Schritten bei sich selbst durchführen, um ihr Selbstbild wieder gerade zu rücken. Denn ich denke, die meisten wissen durchaus, dass das, was sie getan haben, nicht in Ordnung war. Und dann versuchen sie, sich das Gegenteil einzureden, damit sie selbst wieder in den Spiegel schauen können.
Jedenfalls bin ich mir sicher, dass mein Ex auch weiß, wie unfair es von ihm war, dass er mir immer gesagt hat, dass alles prima sei und mich dann von einem auf den anderen Tag sitzen lässt. Ich glaube, dass das auch so ganz und gar dem Bild widerspricht, das er selbst von sich haben möchte.
Ich glaube, im ersten Schritt versuchen Verlassende erstmal ihren künftigen Plan zu rechtfertigen. D.h. noch während der Beziehung werden möglichst viele Gründe gesammelt, warum der Partner ganz schrecklich ist. Habe ich bei meinem Ex sehr deutlich gemerkt, andere machen das vielleicht nicht so offensichtlich. Er zickte mich an und war gereizt wegen nichts. Es war völlig egal, ob ich seiner Meinung war oder nicht, er drehte alles so hin, dass ich am Ende als dumm dastand. Und er lenkte Gespräche bewusst so, dass ich am Ende Aussagen treffen musste, die er wiederum ganz schrecklich finden konnte.
Nach dem Entschluss zur Trennung ist der nächste Schritt gewesen, dass er mir bei der Trennung sagte, dass er hofft, dass wir bald schon wieder freundschaftlichen Kontakt haben, dass ich mich jederzeit bei ihm melden könne und er sofort käme und er anbot, dass er mich in einer bestimmten Sache weiterhin unterstützt, wozu gehören würde, dass wir uns weiterhin regelmäßig sehen. Wenn man gerade eiskalt abserviert wurde, ist man ziemlich fassungslos bei so einem Angebot.
Ich denke, er wollte sich damit selbst einreden, dass er mich nicht sitzen gelassen hat, sondern er mir ja dieses super Angebot gemacht hat, dass er mich weiterhin unterstützt. Wahrscheinlich geht es so in die Richtung, dass er damit quasi ein Dauer-Abo auf die Information haben wollte, dass es mir gut geht. Er wird sich sowas sagen wie Ich habe ihr ja gesagt, sie soll sich melden, wenn es ihr schlecht geht, also heißt das, dass es ihr gut geht, denn sie meldet sich schließlich nicht. Folglich ist alles super.
Aber es funktioniert nun mal nicht, wenn man jemanden liebt und diese Person einen zurückweist, dass man dann einfach einen Schalter umlegt und plötzlich mit der Person umgeht wie mit jedem anderen. Ich weiß nicht, wie er auch nur im Ansatz glauben könnte, dass er mich fallen lassen kann wie eine heiße Kartoffel und mir dann niemand besseres einfällt, bei dem ich mich melden kann, wenn es mir schlecht geht.
Der nächste Schritt und die Folge davon, dass man sich ja bereits eingeredet hat, dass alles beim Partner super ist, ist, dass man sich eben so verhält, als wäre nichts gewesen (man muss ja auch schließlich das Bild aus dem Kopf kriegen, dass die Partnerin komischerweise bitterlich geheult hat, als man sie sitzen gelassen hat, obwohl es ihr doch super gehen müsste).
Also verhält man sich ganz normal und schaut, was passiert. Das ist diese Distanziertheit, von der die meisten Verlassenen reden. Das hat mein Ex dann in dem WA-Chat paar Tage nach der Trennung gemacht. Schön locker flockig ein paar unverbindliche Aussagen hingeworfen und einen netten Smiley, um abzuchecken und sich die Bestätigung zu holen, dass bei dem anderen wirklich alles gut ist. Was mich bis heute ärgert ist, dass ich darauf eingegangen bin und mich genau so verhalten habe, wie er es haben wollte. Ich war zu dem Zeitpunkt noch voller Hoffnung und fraß ihm quasi aus der Hand, also antwortete ich ebenso locker flockig. Nur die Smilies ließ ich weg, aber ich möchte wetten, da hat er gekonnt drüber hinweg gesehen.
Ich könnte mir bei meinem Ex sogar vorstellen, dass er die ganze Geschichte in seinem Umfeld etwas modifiziert hat. Dass er es quasi so hingestellt hat, dass wir beide gemerkt haben, dass wir nicht zusammen passen und er dann endlich den Mut hatte, mir das mitzuteilen, und mich sozusagen mit erlöst hat, sodass wir uns dann im Gegenseitigen einvernehmen getrennt haben. Und schon steht er auch bei Außenstehenden nicht mehr als der Böse da.
Und schwups, schon ist das Selbstbild wieder hergestellt: Obwohl meine Partnerin so schrecklich war, habe ich toller Hecht ihr sogar noch dauerhaft meine Hilfe angeboten. Und siehe da, paar Tage später chatten wir als wäre nichts gewesen, also war das ja gar nicht schlimm, was ich gemacht habe. Das bestätigt schließlich auch mein Umfeld. Ihr geht's gut, mir geht's gut, alles paletti.
Genau aus dem Grund glaube ich es auch nicht, wenn hier so häufig geschrieben wird Karma comes back und dass die Verlassenden schon irgendwann merken, was sie angerichtet haben. Ich würde es mir zwar wünschen, aber ich glaube, sie drehen es sich so hin, dass sie selbst am Ende gut rauskommen aus der Nummer.
Als ich meinem Ex dann nochmal schrieb, dass ich ihm seine Sachen vor die Tür gestellt habe und daraus auch hervor ging, dass bei mir doch nicht alles so rosig ist, habe ich vermutlich sein ganzes mühsam hingebasteltes Selbstbild wieder ins Wanken gebracht, sodass er es schließlich mit Ignorieren gelöst hat. Oder er hat eine andere Art und Weise gefunden, sich einzureden, warum ich ganz schrecklich bin, weil ich ihm seine Sachen gebracht habe. Keine Ahnung.
24.04.2018 18:08 •
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