Cassiel, mir kommt das alles ziemlich bekannt vor. Da das alles bei mir schon etwas länger her ist, schreibe ich dir mal, über die Illusionen, die ich mir gemacht habe und wie es ausging.
Ich habe mich auch in den Sachentausch sehr reingesteigert und viele Hoffnungen damit verbunden. Ich habe ihn als Rechtfertigung dafür genommen, wieder mit meinem Ex in Kontakt zu treten bzw. ihm in einer sehr langen Mail Erklärungen zu meinem Verhalten zu geben, das ich u.a. für seine Entscheidung zur Trennung verantwortlich machte.
Ich habe ähnliche Ratschläge bekommen wie du, ihm bloß nicht zu schreiben, mir nicht noch einen Hammerschlag abzuholen, seine Sachen wegzuschmeißen. Wurde gewarnt, dass er mich zur Schnecke machen würde, wenn ich ihn anschreibe. Ich bekam gesagt, wenn er etwas bereuen würde, wären wir schon längst wieder zusammen. Ich wollte das nicht wahrhaben und redete mir ein, dass er möglicherweise nur auf einen Mucks von mir warten würde und dann aus ihm herausbrechen würde, wie sehr es ihm Leid tut. Ich bekam zu hören, dass er mich doch sitzen gelassen habe und ich ihm jetzt nicht seinen Kram vor den Hintern tragen muss, aber das war mir egal. Ich behauptete vor allen anderen, dass ich einfach fair abschließen möchte und dazu gehören würde, ihm seine Sachen zu bringen. Heute weiß ich, dass ich mir nur Hoffnungen gemacht habe.
Drei Wochen nach der Trennung klügelte ich einen Plan aus, wie ich ihm seine Sachen bringen wollte (bis dahin hatte ich mich brav kein einziges Mal bei ihm gemeldet) und baute dabei bewusst Steilvorlagen ein, die eine weitere Kontaktaufnahme seinerseits begünstigen würden - dachte ich jedenfalls.
Ich nahm einiges auf mich und es ging einiges dabei schief - ich fuhr abends im Schneegestöber auf glatter Straße mit seinem für mich viel zu großen Fahrrad zum Bahnhof, da dieses nicht in mein Auto passte, flog fast auf die Schnauze damit, fuhr mit der Bahn zu ihm, kettete das Rad über Nacht in der Nähe seines Hauses an, erlebte auf der Rückfahrt mit dem Zug noch ein mehrstündiges Desaster wegen Oberleitungsschaden im Tunnel und anschließender Rettung aus dem Zug durch die Feuerwehr, musste mich deswegen spät abends von meinem Vater vom Bahnhof abholen lassen, wurde geblitzt, kam sehr spät erst zuhause an, stand trotzdem nach einer sehr kurzen Nacht am nächsten Morgen - sonntags um 5.30 Uhr - auf, damit ich sicher sein konnte, dass ich ihm nicht begegne, fuhr mit meinem Auto und den restlichen beiden großen Kisten zu seinem Haus und stellte sie mit samt dem Fahrrad, das vom Vorabend noch dort stand, in seinen Garten.
Noch vor Ort schrieb ihm ihm dann eine ebenfalls ausgeklügelte Mail, dass seine Sachen vor der Tür stehen, dass es mir zu sehr weh tut, ihn zu sehen (ich hoffte, dies würde ihm klar machen, was er mir angetan hat und dass ich ihn noch liebte), dass ich zu viele offene Fragen hätte (ich hoffte, er würde mir anbieten, sie mir zu beantworten), dass er sich melden soll, wenn noch Sachen fehlen sollten, nannte ihm eine von meinen Sachen, die er mir doch bitte schicken solle (ich hoffte tatsächlich, dass er es tun würde, da ich sie brauchte) und wünschte ihm alles Gute (ich hoffe, dass er dies auch tun würde). Darüber hinaus war ich mir sicher, dass er mich fragen würde, wie ich es geschafft habe, alle seine Sachen in einem Schwung vor die Tür zu stellen, da diese offensichtlich nicht in mein Auto passten und wir dann über meine Lieferungsaktion wieder ins Gespräch kommen würden. Falls ihm das nicht auffallen sollte, hoffte ich, dass er sich wenigstens bedanken würde und ich ihm dann sowas schreiben könnte wie War auch ganz schön kompliziert und er spätestens dann nachfragen würde. Darüber hinaus glaubte ich, dass ich ihn damit aufwecken können würde und ihm klar werden würde, dass ich jetzt auch Ernst mache und er dann vielleicht nochmal nachdenkt. Ich hatte ihm sogar ein Gutscheinheft mit in die Kiste gelegt, da er die Gutscheine hieraus verwenden wollte, und glaubte, dass er daran erkennen würde wie liebevoll ich sogar jetzt noch bin (zum Glück ersparte ich mir, ein Foto von uns reinzulegen, worüber ich ebenfalls nachgedacht hatte...).
Was soll ich sagen? Ich beobachtete in WA, wie er am nächsten Morgen erst gegen 10 Uhr online ging und lange online blieb; leider änderte sich in unserem Chat der Status nicht in X schreibt.... Er fragte nicht, wie ich die Sachen zu ihm geschafft hatte. Er bot mir nicht an, meine Fragen zu beantworten. Er wünschte mir nicht alles Gute. Er bedankte sich nicht. Nicht mal für das Gutscheinheft. Er schickte mir auch nicht meine erbetene Sache zurück. Er reagierte gar nicht. Keine Antwort. Nichts. Das ist jetzt drei Monate her. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.
Als nettes Topping übrigens sah ich bei der Aktion, dass weder an dem späten Abend noch am frühen Morgen sein Auto da war, was wiederum ein nettes Kopfkino und viele Grübeleien bei mir auslöst, wo er denn wohl nur 3 Wochen nach unserer Trennung übernachtet haben könnte.
Ich fiel in ein sehr tiefes Loch, viel tiefer als zuvor. Ich hatte das alles so genau geplant, so viel auf mich genommen, um ihm seinen Kram hinterherzutragen. Ich hatte so viele Hoffnung hinein gesteckt. Und er tat einfach nichts. Sagte nicht mal danke. Schickte mir nicht mal diese eine Sache zurück. Ich musste sie mir neu kaufen. Nie, nie, nie hätte ich ihn so eingeschätzt, dass er nicht mal paar Euro Porto und einen Gang zur Post für mich übrig hat.
Du denkst jetzt sicher Meine Ex ist da ganz anders. Aber erstaunlicherweise hätte ich in der Trennungsphase, in der du dich gerade befindest, meinen Ex genauso beschrieben wie du deine Ex. Umsichtig, liebevoll, fair. Nie Streit. Und doch kann ich dir sagen: wenn unsere Exen umsichtig, liebevoll und fair wären, hätten sie uns nicht auf diese Art und Weise sitzen gelassen, wie sie es getan haben. Mittlerweile weiß ich das.
Mein Fazit nach der Aktion: Die Leute, die mir damals Ratschläge gegeben haben, hatten recht. Die Hoffnung war sinnlos und auch, so viel Energie in den Sachentausch zu stecken. Ich hätte den Kram in eine Kisten packen, aus Fairness vielleicht ein paar Wochen in den Keller stellen und wenn er sie nicht angefordert hätte, einfach wegschmeißen sollen. Seine Sachen waren ihm völlig wurscht und meine auch. Es gab für ihn nichts, was er nicht hätte neu kaufen können und das gleiche hat er auch von mir erwartet. Mit dem Gutscheinheft habe ich mich wahrscheinlich lächerlich gemacht.
ABER: Ich glaube, dass die Aktion mich in meiner Verarbeitung ein ganzes Stück nach vorne katapultiert hat. Meine Hoffnung erhielt schlagartig einen gewaltigen Dämpfer und schlussendlich hat mich das ein riesiges Stück weitergebracht, auch wenn ich erstmal in ein sehr tiefes Loch gefallen bin. In dieses Loch wäre ich aber sowieso gefallen, wahrscheinlich nur sehr viel später. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass er nicht so fair ist, wie ich ihn eingeschätzt hätte und dieses Verhalten von ihm hat mir in mancher Hinsicht die Augen geöffnet.
In diesem Sinne - wenn du dir das alles gut überlegt hast und mit Genervtheit, Gefühlskälte oder wie in meinem Fall völliger Ignoranz ihrerseits bei deinen Geburtstagswünschen und dem Sachentausch leben kannst, dann mach das so, wie du es dir vorstellst (selbst wenn sie lieb reagiert, ist die Frage, ob du dann nicht noch trauriger bist). Vielleicht brauchst du den Hammerschlag - so wie ich ihn gebraucht habe.
Sorry für den langen Text, aber eventuell bereitet dich das ja ein bisschen darauf vor, was so alles passieren kann, auch wenn es bei dir möglicherweise ganz anders werden wird. Aber ich möchte dir auch zeigen, dass man das ganze nach einer Weile neutraler betrachten und bewerten kann, denn das tue ich mittlerweile. Ich drücke dir die Daumen.
20.04.2018 18:02 •
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