Hallo ihr Lieben
Danke für eure Antworten und interessant, dass alles hier zu lesen.
Das gibt mir Kraft und Bestätigung.
Sozialtussi ist selbstironisch gemeint, ihr dürft mich gerne Sylvie nennen.
Hier im Forum habe ich schon viel über Narzissten gelesen, aber meine
Stiefmutter und meinen Ex hatte ich damit nie in Verbindung gebracht.
Erst als ich diesen Thread hier sah, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Manchmal ist man doch wirklich blind.
Ich finde, es wird ein klitzekleines bisschen besser, wenn man dann endlich weiß,
wie dieses Menschen ticken.
Und es ist ja nicht so, dass sie es nicht wissen, was sie ihren Mitmenschen antun.
Sie wurden so oft darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Verhalten alles andere als normal ist.
Immer wieder hat man versucht, sie zu verstehen, sie trotzdem zu mögen, zu verzeihen.
Ich wurde in einer Familie mit dieser schrecklichen Frau groß.
Streitereien zwischen meinen Eltern waren an der Tagesordnung.
Ich fand das schrecklich, aber ich kannte das nicht anders.
Scharfe Diskussionen mit Besuchern, die oftmals ausuferten, waren Standard.
Und was mich an ihrem Erziehungsstil am meisten prägte, war die Art andere Menschen
herunter zu putzen.
An jedem, aber auch wirklich jedem, ohne Ausnahme, fand sie etwas auszusetzen.
Es wurde immer nur das Schlechte hervorgehoben.
Fand ich z.B. eine Nachbarin nett, die viele Jahre mit meiner Stiefmutter befreundet, war,
weil sie immer so lieb lächelte und mein Selbstvertrauen förderte, so redete meine Mutter
hinter deren Rücken nur schlecht über sie.
Die ist doch dumm, die hat eine schreckliche Frisur, sie geht putzen, sie hat nur Hauptschule,
warum schminkt sie nicht ihre helle Wimpern...und...und...und...
Aber nicht nur hinter ihrem Rücken, so kam es auch häufig vor, dass sie ihre Mitmenschen sogar zum
Weinen brachte, weil sie ihre Kritik immer so mit Worten untermauerte, dass sie letztendlich
als Sieger dastand.
Ich hatte manchmal den Eindruck, dass es ihr im Nachhinein leid tat, aber sie hat es in ihrem
ganzen Leben nicht einmal geschafft, sich für ihr Verhalten zu entschuldigen.
Das hat sie ausgezeichnet, verbal um sich schlagen, aber niemals einzusehen, dass sie mit ihrer Meinung
alleine war und sie den Menschen unrecht tat.
Was ich erst später bemerkte; ich übernahm ihre Art, mit Menschen umzugehen.
Ich sagte frei heraus meine Meinung über andere Menschen, ohne groß darüber nachzudenken,
ob das angebracht ist.
In der Schule war ich anfangs noch sehr angepasst, aber dann in der Pubertät ließ ich es krachen.
Ich sprach wie meine Mutter, sah manchmal das Entsetzen in den Augen meiner Mitschüler.
Wie kannst du sowas sagen, wurde ich manchmal gefragt.
Wieso, fragte ich, das stimmt doch.
Ja, aber das kannst du doch nicht machen.
Ich verstand überhaupt nicht, was sie meinten.
War oftmals sehr verwirrt.
Mir fehlte manchmal jedes Feingefühl und ich schob es auf die Dummheit und Unwissenheit meiner
Freunde, von denen ich sehr wenige hatte, was für ein Wunder.
So richtig unbeliebt war ich nicht, aber aber auch nicht gerade die Freundin, die man sich wünscht.
Später im Berufsleben lief es recht gut, ich hatte meistens Spaß in meinen Ausbildungen und
Stellen, war ich doch nicht mehr so viel mit meiner Stiefmutter in Kontakt.
Ich entwickelte mich zu einer eigenen Persönlichkeit, die auch zu unterscheiden lernte,
wann man den Mund aufmachen kann und wann man besser mal was runterschluckt.
Allerdings es hat echt viele Jahre gedauert, bis ich mich im Griff hatte.
Ich war bekannt dafür, dass ich ein loses Mundwerk hatte, manche wussten es zu schätzen, dass
man bei mir immer wusste, woran bei mir ist.
Weil ich eben keine Blatt vor den Mund nahm.
Bei Kollegen verpackte ich meine Kritik Jahre später gerne mit einer Portion Humor, ich kam nicht mehr
ganz so harsch rüber.
Oft dachte ich, meine Güte, was eiern die mit ihrer Meinung eigentlich immer so herum,
warum sprechen sie nicht einfach aus, was sie über andere denken.
Mit der Zeit wurde mir immer mehr bewusst, dass ich genau das machte, was ich an meiner
Stiefmutter so hasste.
Ich fing bewusst an, meine Worte und Gedanken in positive Bahnen zu lenken.
Nun war es nicht so, dass ich nur dass Schlechte im Menschen sah, meine Brüder zogen mich
immer damit auf, dass ich nur das Gute in den Menschen sah, aber dennoch war es ein weiter Weg, bis
ich lernte, das auch mal in nette Worte zu fassen.
Ich arbeitete ganz bewusst daran, schaltete mein Sarkasmus ab und meinen schwarzen Humor,
überlegte mir jede Kritik dreimal und allmählich wurde ich ein Mensch, der auch andere Menschen
mit ihren kleinen Fehlern und Macken akzeptierte.
Ein Kollege sagte mir mal, dass ich mich unglaublich zum Positiven verändert habe, das
hat mich so sehr darin bestärkt, dass ich es geschafft hatte.
Auch von Freunden, die sich während dieser Phase auf wundersame Weise vermehrten, bekam ich das Gleiche gesagt, wenn ich mal nachfragte, ob da was dran ist.
Heute bin ich eine Freundin und Kollegin, Nachbarin und Weggefährtin, die bei ihren Mitmenschen
beliebt ist und anerkannt.
Ich kann meine Meinung sagen, ohne zu verletzen.
Dabei geholfen haben mir gute Bekannte, meine beste Freundin, einer meiner Brüder, der genau dieselben
Verhaltensmuster übernommen hatte und meine Selbstreflexion über Jahre.
Ein Muster hatte ich Gott sei Dank nie übernommen, nämlich Menschen für meine Zwecke zu benutzen
und dafür bin ich sehr dankbar.
Anscheinend färbt eben nicht alles ab.
Leider hatte ich einen Ehemann, der auch Spuren einen Narzissten in sich trägt.
Er hat mir bis zum Schluss seine Liebe geschworen, aber mich Jahrzehnte benutzt, anders kann
ich es im Nachhinein nicht sehen.
Das fiel mir erst nach 25 Ehejahren auf.
Warum er mich auf seine Weise geliebt hat, ist mir sehr bewusst, ich habe ihm alles bequem gemacht, ihn verwöhnt, alles abgenommen, was er lästig fand und als ich das zusehends bemängelte und
nicht mehr akzeptierte, ihn damit konfrontierte, da konnte oder wollte er den eingeschlagenen
Kurs nicht mehr ändern.
Es gab keine Sylvie mehr, die treudoof alles hinnahm, die funktionierte, ohne mit der Wimper zu zucken,
er hat mich wirklich benutzt, er konnte sein bequemes Leben leben, auf meine Kosten, materiell gesehen wie auch menschlich.
Bei ihm waren auch immer die anderen Schuld an seinem fehlenden Ehrgeiz, an mangelnden Freuden, an
seinem Alk., an allem eben.
Er machte das aber nach Aussen hin nicht so offenbar, bei anderen Menschen war er lange anerkannt und
konnte seine Fassade aufrechterhalten, zu Hause ließ er die Sau raus, da wurde an keinem mehr ein gutes Haar gelassen. Anderen ins Gesicht gegrinst und hintenrum zutiefst verurteilt.
Es läuft einem ein lebenslang hinterher, darum habe ich auch echt Angst, mich neu zu verlieben,
geschweige denn zu binden.
Ich hoffe, ich habe euch mit meinem ellenlangen Text nicht zu sehr verwirrt.
Damit wollte ich auch ausdrücken, dass ein gesunder Geist immer in der Lage ist, an
sich und seinen Fehlern zu arbeiten, dass man Muster anderer kranker Menschen durchaus
übernimmt, wenn man die nötige Reife noch nicht hat, z.B. im Kindesalter und früher Jugend.
Ja, das hat mir mal wieder gut getan, mir alles hier von der Seele zu schreiben.
Ich lese eure Beiträge weiterhin mit großem Interesse, auch wenn ich nicht jedem Einzelnen hier antworte.
Liebe Grüße
Sylvie
08.07.2015 12:19 •
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