Wer loslässt hat die Hände frei. Das ist ein Spruch den ich immer gerne mochte, denn freie Hände sind etwas wunderbares. Wenn ich frei bin, kann ich neues beginnen, lebe unbeschwert und kann endlich wieder fröhlich sein. Aber je mehr ich diesem Freiheitsgefühl nachgejagt bin, desto schwieriger schien es zu erreichen zu sein. Und es gab viel, was ich ich im Laufe meines Lebens loslassen musste. Angefangen von den beruflichen Träumen über die Vorstellung der einen, ewigen Liebe bis hin zu meinen tot geborenen Kindern.
Nicht immer war dieses Loslassen so dramatisch. Da war z.B. meine letzte Liebe, mein Forengrund. Ein wundervoller, gut aussehender Mann, der mich so maßlos enttäuscht hat und so tief verletzt hat, wie noch nie jemand vorher. Und eigentlich fällt mir gerade auf, dass nicht er mich verletzt hat, sondern ich mich selbst, weil es mir nicht rechtzeitig gelungen ist, ihn loszulassen. Er sollte mir jetzt endlich erfüllen, wonach ich mich mein Leben lang gesehnt habe, der einen großen und perfekten Liebe, die mich erfüllt aber nicht einengt. Und gerade er war dazu mit Abstand am ungeeignetsten überhaupt. Und je mehr er sich mir entzog, desto eifriger rannte ich hinter ihm her. Das war es eigentlich, was mich so verwundet hat, meine eigene unstillbare Sehnsucht.
Jetzt gerade bin ich mit meinen Kids und meinem Ex-Mann im Urlaub. Hört sich strange an und ist es wahrscheinlich auch. Aber wir kommen wunderbar klar. Wir respektieren einander jetzt mehr, als wir es in unserer Ehe konnten, einfach, weil wir den anderen sein lassen, wie er ist. Mein Ex trauert gerade um seine letzte Liebe und es ist wunderbar, dass er sich in seiner Trauer mir in einer Weise öffnet, wie ich es nie zuvor bei ihm erlebt habe. Ich bin seine Vertraute, seine beste Freundin und kenne ihn besser, als er sich selbst. Es verletzt mich nicht im mindesten, dass er um eine andere Frau trauert, denn ich habe verstanden, dass er mir nicht gehört. Er ist ein eigenständiger Mensch mit ureigenen Gefühlen und Charaktereigenschaften und so sehr mich diese in unserer Ehe gestört haben, so klarer sehe ich jetzt, dass er wunderbar ist, so wie er ist. Niemand hat und hatte das Recht, ihn zu verändern. Auch ich nicht!
Ich wünschte, ich hätte das schon in unserer Ehe erkennen können, dann wären wir vielleicht heute noch eine intakte Familie. Wir haben einander loslassen müssen. Und gerade in dieser neu gewonnenen Distanz liegt die Freiheit und Klarheit, die wir in unserer Ehe nie erreichen konnten. Hätten wir doch nur diesen Irrglauben loslassen können, dass ein Paar immer und ewig in Symbiose zu leben hat. Damit haben wir uns doch so maßlos überfordert und darin lag soviel Unfrieden, dass es letztlich unsere Familie gesprengt hat.
Aber wie lässt man los? Was braucht es dazu und was muss man dafür tun? Ich vermute eigentlich gar nichts. Loslassen heißt eigentlich nichts anderes als etwas eben gerade nicht mehr zu tun. Nicht mehr nachjagen, nicht mehr hinterher laufen, nicht mehr anstrengen, nicht mehr klammern und nicht mehr sehnen. Stattdessen still bleiben, annehmen was kommt und weiterziehen lassen, was weg will. Darüber meditiere ich hier an diesem tollen Strand, auf dem ich gerade sein darf. Alles im Leben ist wie die Wolken, die über mir weg ziehen, wie die Wellen, die kommen an den Strand schlagen und im Sand versickern. Ich kann sie nicht greifen und ich halte sie nicht auf, indem ich ihnen nachjage oder Löcher in den Sand buddel. Ich kann sie nur kommen und gehen lassen. Ich kann dabei ruhig bleiben und genießen im Wissen, dass immer etwas neues nachkommt. Liebe gibt es wie Sand am Meer. Jetzt gerade spüre ich die Liebe meiner Familie, von der ich dachte, ich hätte sie kaputt gemacht. Was für ein Blödsinn. Wir sind immernoch Familie und mein Exmann und ich sind die besten Freunde. Auf ewig verbunden durch unsere tollen Kinder, die wir beide über alles lieben. Nichts davon wird jemals kaputt gehen. Wir müssen nur aufhören zu versuchen, die Zeit anzuhalten. Unsere Zeit rinnt durch unsere Finger, so wie der Sand an diesem Strand. Wir können sie nur mit Leben füllen. Aufhalten können wir sie nicht und brauchen das gar nicht erst versuchen.
Alles kommt und geht. Festhalten können wir nichts. Durch Festhalten haben wir uns überfordert und uns aufgerieben. Loslassen ist soviel heilsamer. Und genau das wünsche ich euch allen in diesem wunderbaren Forum. Loslassen und den Schmerz gehen lassen. Im Grunde ist das genau so einfach und natürlich wie das Ausatmen. Schmerz entsteht beim Luftanhalten. Das ist qualvoll und unsinnig. Gegen die Zeit und das Leben haben wir keine Chance! Gott sei Dank!
Tschüß Forum!
26.07.2024 07:55 •
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