Liebe Anne
Ich sehe, dass du in einer ziemlich schwierigen Situation bist. Denn ganz abgesehen von der Kinderproblematik haben auch viele andere Paare in eurem Alter und euer Situation eine Sollbruchstelle der Beziehung vor sich. Die gemeinsamen Projekte, bei denen man sich als Team fühlte, sind oft ausgelaufen. Beide Partner haben sich individuell weiterentwickelt, verdrängen negative Gefühle dem Partner gegenüber (die aber trotz Verdrängung wirksam sind) und da sammelt sich dann schlimmstenfalls eine explosive Mischung an. Ein Funke (zum Beispiel freundliche Blicke und intensive Gespräche mit einem Mitglied des jeweils anderen Geschlechts) und das Ding geht hoch.
Zitat:Ja, ich bin in der Opferrolle und ich fühle mich auch machtlos und als 100%iges Opfer.
Da gibt es immer zwei Möglichkeiten damit umzugehen:
1. Man richtet sich in dieser Opferrolle bequem ein und instrumentalisiert der Opferstatus. Da ist man an nichts Schuld, kann um Mitleid bitten und hat sogar einen Sündenbock, der letztlich das alles verursacht hat und darum auch aushalten muss, dass man unzufrieden und mürrisch ist.
2. Man wird zum Täter und hört damit auf, sich dem Schicksal unterzuordnen und nach einem Schuldigen zu suchen. Das hat dann den Nachteil, dass man als Täter auch aneckt, Probleme schafft und die auch lösen muss. Vorteil ist aber, dass man sein Glück wieder in die Hand nimmt.
Zitat:Es ist klar, dass wir damals zu wenig miteinander geredet haben.
Moment! Dann ist ja doch nicht nur dein Mann SCHULD, sondern ihr habt die gegenwärtige Situation gemeinsam erschaffen. Dir war es zu anstrengend, das Thema deinem Mann gegenüber immer wieder anzuschneiden. Also hast auch du vielleicht eine Chance vertan?
Zitat:Ich empfand unser Zuhause immer als zu still und bin oft bei Freundinnen gewesen, bei denen mehr los war. Darüber haben wir nie miteinander geredet. Wahrscheinlich passten wir in dieser Hinsicht nicht gut zusammen.
Das ist nicht zu übersehen. Aber Partner müssen nicht in jeder Hinsicht zusammen passen, sie können das durch Toleranz ausgleichen.
Zitat:Andererseits liebe ich meinen Mann und will ihn nicht verlieren. Schon gar nicht wegen etwas, was sowieso nicht mehr zu ändern ist.
Okay, dann wirst du also wohl spätestens jetzt zum Täter werden und damit aufhören Konflikte dadurch zu vermeiden, dass du sie nicht ansprichst. Durch dieses bisherige Verhalten weiß dein Mann vermutlich viel zu wenig darüber, wie GRAVIEREND das Problem der fehlenden Kinder und der daraus resultierenden gegenwärtigen Leere für dich ist und war. Er glaubt also, dass sei DEIN Problem. In Wahrheit ist es aber ein GEMEINSAMES Problem von euch als Paar. Denn wenn es nicht gelöst wird, besteht eine reale Gefahr, dass die Beziehung jetzt ernsthaften und dauerhaften Schaden nimmt, der irreparabel sein könnte. Er muss also wissen, dass Ihr als Paar ein Problem habt, wenn du diese Leere empfindest und deine Liebe keinem Wesen schenken kannst, dass es auch zurück gibt.
Ich möchte nicht darüber spekulieren, was du damit kompensieren willst, ich nehme dein Bedürfnis einfach als Fakt und rate dir, da bald eine Lösung zu finden. Du stellst es so dar, dass dein Mann dir sowohl einen Hund als auch eine Katze schlichtweg verbietet. Das ist inakzeptabel und das kann nur daran liegen, dass ihm der Ernst der Lage und das gemeinsame Problem überhaupt nicht bewusst ist. Also werde zum Täter und mach es ihm klar. Verharmlose das nicht und setze dich durch.
Es geht darum, dass er lernt, Kompromisse zu machen. Und im Gegenzug wirst auch du ihm Kompromisse anbieten müssen. Ich selber bin ohne Tiere aufgewachsen und wechselte bis zum 50sten Lebensjahr die Straßenseite, wenn ich einen Hund sah. Aber als ich meine zweite Frau geheiratet habe, gab es die nur mit Hund. Der war gut erzogen und sehr lieb, aber er schaute sogar im Schlafzimmer zu. Das war hart, aber der Kompromiss war zunächst, dass ich mich nicht darum kümmern musste. Es war IHR Hund und sie hat diesbezüglich alle Last für mich nach Kräften vermieden. Als der nach 15 Jahren starb, kam dasselbe Thema auf und wir suchten wieder nach einem Kompromiss. Und nun haben wir einen Enkelhund, der zwar ihrer Tochter gehört, aber mindestens ebenso oft bei uns ist. Nur wenn wir ihn wegen Urlaub etc. nicht brauchen können, sind wir entlastet.
Wenn man also in Kauf nimmt zum Täter zu werden, dann kann man nach Kompromissen suchen und die auch finden. Noch schöner wäre es, wenn du reitest und eine Reitbeteiligung hättest. Denn da wäre das Pferd ja nicht in eurem Wohnzimmer. Dein Mann hätte damit gar nichts zu tun, aber eine entspannte Frau an seiner Seite. Lass deiner Fantasie mal freien Lauf und hör auf, deinen Mann zu sehr zu schonen. Wenn du mürrisch bist oder gar irgendwann über Trennung nachdenkst, ist die Last für ihn erheblich größer.
Zitat:Jetzt will ich irgendjemand oder irgendetwas betüddeln, wo ich auch etwas zurück bekomme. Mein Mann ist dafür denkbar ungeeignet.
Das sollte deutlich ausgesprochen werden. Du hast ein Recht darauf, deine Bedürfnisse offen äußern zu dürfen. Er hat ein Recht darauf, den Ernst der Lage zu erfahren. Und ihr beide als Paar habt dann die Aufgabe, einen Kompromiss zu finden, damit du aus der Opferrolle raus kommst. Konflikte sind nicht dazu da, vermieden zu werden, sondern gelöst zu werden.
Auf gehts!