Hallo ihr alle hier,
ich brauche Rat von außen.
Mein Freund und ich führen seit jetzt 9 Jahren eine nicht immer einfache, aber glückliche Beziehung.
Kennengelernt haben wir uns unter relativ schwierigen Umständen. Er hockte in einem ziemlich tiefen Loch. Ich habe das Gute in ihm gesehen und wollte ihm eine Perspektive sein. Ich war alleinerziehend mit 6 jähriger Tochter und im Grunde haben wir uns gegenseitig gegeben, was uns bisher fehlte.
Es war keine Verliebtheit mit brennender Leidenschaft und dem Ganzen, eher eine gute Freundschaft, aus der mit der Zeit Liebe wurde.
Naja, es war schon ein langer Weg; es gab immer wieder Streit um sein fehlendes Engagement in Sachen gemeinsamer Anstrengung für eine funktionierende Partnerschaft, Kindererziehung, Haushalt etc. Jahrelang hatte ich das Gefühl, alles würde immer nur an mir hängenbleiben. Mitunter fühlte es sich an, als hätte ich ein zweites Kind adoptiert.
Es folgten immer wieder Gespräche um immer wieder selbe Themen und ich legte ihm nah, sich darüber im Klaren zu werden, ob ein Leben, wie ich mit Kind es führen wollte, auch seinem Konzept entsprach. Weil er sich aber immer wieder und aus welchen Gründen auch immer (ich dachte aus Liebe, aber zurzeit bin ich mir da nicht mehr so sicher) für uns entschied, ging es zwar mühsam aber doch beständig bergauf. Letztendlich fing er auch an zu arbeiten und wenn wir vielleicht nicht das turtelnde Vorzeigepärchen waren, so lebte unsere Beziehung von tiefem Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Dieses Wir gegen den Rest der Welt Gefühl, das durfte ich mit ihm trotz aller Querulenzen immer spüren. Nie hatte ich das Gefühl, nur ausgenutzt oder geblendet zu werden.
Tja, bis zum heutigen Tage.
Wir hatten eine größere Krise - die schwere Erkrankung meiner Tochter- gerade überstanden, da gab es in seiner Firma eine Betriebsfeier, von der er s.uell bedürftig (entschuldigt das blöde Wort) und enttäuscht ob meiner Verweigerung mit den Worten nach Hause kam: Da war eine, die hat mir Avancen gemacht, aber ich komme artig nach Hause zu meiner Frau und die lässt mich abblitzen.
Zugegeben, nicht die feine englische Art, aber ich hatte an dieser Stelle noch Verständnis, weil die S. bei uns schon Thema ist. Ich bin da nicht so versessen drauf. Mir sind Nähe und Zärtlichkeit wichtiger. Bei ihm ist das genau andersherum. Wir haben uns halt arrangiert, aber ich hatte schon lange keine Lust mehr, den krönenden Abschluss seiner hier noch sporadisch stattfindenden Sauftouren zu spielen. Die fanden dann kurz darauf ungeahnte Ausmaße:
Teilweise kam er nur noch zum Schlafen nach Hause, unbeantwortete und blockierte Anrufe und Nachrichten, das ganze Programm. Weil dieser Trunkenbold schon immer in ihm steckt und in haltbaren Ausmaßen auch schon immer ins Freie gefunden hat, hielt ich ihm zwar die üblichen und bedingt wirkenden Vorträge, suchte den schlechten Einfluss bei seinen Kollegen, von denen viele alleinstehend sind, dachte aber nie daran, dass eine andere Frau im Spiel sein könnte.
Bis eine Freundin mir diese Möglichkeit vor Augen schob und ich kurz darauf damit konfrontiert wurde, dass sein Handy neuerdings mit einem Sperrcode versehen war. Das war eher Zufall (ich hatte ihm was geschickt und wollte nachsehen, ob es angekommen war) und meine natürlich folgende Frage, warum er nach 8 Jahren plötzlich sein Telefon sperrt, beantwortete er damit, dass er das Ding für die Pausen jetzt immer in der Jacke lasse, um nicht immer zum Spind zu müssen.
Ok, ja. trotzdem war ich jetzt hellhörig und bat ihn, das Handy kurz zu entsperren. Verweigerung seinerseits, die mich noch hellhöriger machte, mit dem Ergebnis, dass er mir das Ding dann doch in die Hand drückte und ich dort im Whatsapp Verlauf besagte Dame gleich auf dem ersten Platz vorfand, mit gelöschtem Chatverlauf.
Es folgte natürlich die schmerzhafte Ernüchterung und obwohl ich noch immer und auch jetzt noch an die Ehrlichkeit meines Partners glaube ( könnte naiv sein, ich weiß), grub sich das Misstrauen ein.
Von da an sah ich seine Eskapaden mit anderen Augen. Ich hatte sie auch vorher schon nicht gutgeheißen, aber mitgenommen, weil ich wusste, wie er früher gelebt hat, und diese Ausbrüche als rudimentäre Reste seines alten Stils und vielleicht seine Art mit der Erkrankung meiner Tochter umzugehen, gesehen habe.
Natürlich fühlte ich mich alleingelassen und respektlos behandelt, natürlich habe ich das nicht einfach so hingenommen und das Gespräch mit ihm gesucht. Aber ich wollte ihm Zeit lassen, mit sich ins Reine zu kommen, und habe noch immer an uns geglaubt.
Das änderte sich, als diese Frau ins Spiel kam. Von da an und obwohl er mir beteuerte, dass sie nur eine Kollegin sei und er den Verlauf gelöscht hätte, weil ich mir sonst nur was eingeredet hätte (eine gar nicht mal so abwegige Erklärung, weil ich tatsächlich dazu neige, mich in Dinge zu verrennen), plagten mich die schlimmsten Vorstellungen, wenn er wieder ein Mal allein auf Streifzug war.
Entsprechend über reagierte ich jetzt, drohte ihm, wollte ihn rauswerfen, das ganze Trara.
Dieses fand seinen traurigen Abschluss im kompletten Überkochen aller in den Jahren angestauten Gefühlen, in denen wir zwar sehr oft und diplomatisch über die eingangs genannten Probleme geredet, aber nie aus der Fassung geraten waren.
Nachdem er wieder zwei Nächte verschütt gegangen war, schrie ich ihn am darauffolgenden Zusammentreffen an, er solle seine Sachen packen, dass er endlich dazu stehen solle, dass seine Liebe zu mir gestorben, vielleicht auch nie vorhanden gewesen war und nun auch den Anstand beweisen, das Feld zu räumen, statt in einer Zweckgemeinschaft weiterzumachen. In meiner Emotionalität hielt ich ihm vor, mich nur warmhalten zu wollen, bis es mit der oder einer Anderen unter Dach und Fach gebracht war, dass ich mich all die Jahre in ihm getäuscht hätte (und das empfand ich in diesem Moment wirklich so) und er ein wortwörtliches A. wäre, das nur aus Bequemlichkeit und Egoismus heraus noch da wäre. Dass ich ihm menschlich nicht mal so viel wert wäre, dass er in den sauren Apfel beissen möge, alle Unannehmlichkeiten, die eine Trennung mit sich bringt, auf sich zu nehmen, um auch mir als verlassenen Part der Beziehung die Möglichkeit einzuräumen, wieder aufzuatmen. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass er vielleicht auch nur aus Mitleid und Verantwortungsgefühl noch nicht ganz entschwunden war.
Auf Deutsch gesagt, war ich völlig am Ende.
Er dagegen ließ alle Triaden über sich ergehen und blieb erschreckend ruhig ( für mich in diesem Moment eine weitere Bestätigung dafür, wie egal ich ihm schon geworden war), sagte, dass er sich momentan wirklich nicht sicher sei, ob er mich noch liebe und dass er sich nun ein finanzielles Polster schaffen wolle, um den Schritt in die Trennung zu gehen. Dass das aber eben nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen wäre und wir bis dahin irgendwie miteinander auskommen müssten. Ich beruhigte mich und richtete alle Aufmerksamkeit auf das baldige Ende dieses, für mich unerträglichen Zustandes: getrennt und trotzdem zusammen zu sein.
Er ging zur Arbeit und irgendwann erkundigte ich mich dann per SMS, ob seine Bemühungen Früchte getragen hätten.
All die Wochen vorher hatte er auf meine Ausraster in Form von hasserfüllten Nachrichten, wenn er wieder ein Mal irgendwo unterwegs war, nur mit Gleichgültigkeit reagiert, jetzt machte er zum ersten Mal einen Schritt auf mich zu und fragte mich, ob ich mir meiner Entscheidung wirklich sicher wäre, ob es noch lohnte, an uns zu arbeiten, dass wir vieles ändern müssten, vor allem er, und ob ich noch einen Sinn darin sehen würde oder alles schon zu verfahren war.
Ich hockte immer noch in meinem Schneckenhaus und unkte sogleich, dass es ihm nur darum ginge, Zeit zu schinden, dass also seine Bemühungen, den nötigen Betrag zur Anmietung einer eigenen Wohnung aufzubringen, im Sande verlaufen wären, und schrieb ihm das auch.
Er reagierte erneut gelassen und bedankte sich dafür, dass ich so von ihm denken würde, ich solle aber lieber die Fragen beantworten. Ich sagte, dass ich ihn aufrichtig liebe und nicht verlieren will, ihn aber ebenso nicht dazu zwingen wolle, mich auch zu lieben, aus welchen Gründen auch immer, die allesamt nichts mit Liebe zu tun haben würden.
Und dass ich vor allem nicht mit ansehen könnte, wie er sich vor meinen Augen immer weiter entliebt. Er schrieb dann, dass er mich auch lieben würde und später in einem folgenden Telefonat, schlug er vor, jeder solle eine Liste anfertigen, welche Punkte jeder für sich als zerstörerisch für unsere Beziehung empfinden würde.
Auf seiner Liste stand an erster Stelle die Körperlichkeit, gefolgt von meinem Eifersuchtswahn.
Bei mir gab es zwei Seiten an Fragen und Punkten. Er war bereit, sich damit zu befassen und wir kamen in einen Austausch. Seit dem bewegen wir uns wieder aufeinander zu. Es gibt in seinem Verhalten nichts mehr, das mich zweifelnd machen könnte. Er hat diese Frau aus seinem Telefon gelöscht, mir Zugang gewährt, bleibt nicht mehr weg, wir verbringen wieder echte Zweisamkeit miteinander, er meldet sich beinahe schon peinlich genau an und wieder ab.
Und trotzdem zweifle ich.
Wie ich mich vorher an ihn geklammert habe, so werde ich jetzt zwischen dem Gefühl, noch ein Mal Glück gehabt zu haben, und der Erkenntnis, dass ich selbst nicht mehr wollen könnte, hin und her geworfen.
Ich fühle mich seltsam, wenn ich mich auf Körperlichkeit und damit den Punkt auf seiner Liste einlasse - teilweise benutzt, und als würde ich von oben dabei zusehen. Ich suche nach Sicherheit oder auch Klarheit, in dem ich das Gespräch immer wieder auf diese Frau bringe und es nicht auf sich beruhen lassen kann
Ich fühle mich wie eine Option, nicht mehr wie der wichtigste Mensch im Leben meines Partners. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich möchte einfach hören, dass da doch etwas war, um mir so die Bestätigung für meine Zweifel holen zu können.
Es fühlt sich zerbrochen an, als stände diese Fremde immer noch zwischen uns, obwohl er alles, was diese Person betrifft, aufgegeben zu haben scheint. Vielleicht hat auch sie aufgegeben oder nie etwas gewollt?
Er beharrt weiterhin auf seinem Standpunkt, dass mit dieser Frau nichts gewesen wäre. Er sagt, er hätte diese Zeit für sich gebraucht, in einem schwachen Moment, gab er zu, dass er nicht sagen könne, was passiert wäre, wenn die Kollegin Interesse über eine Freundschaft hinaus gezeigt hätte.
Er trägt ein Foto von ihr auf dem Handy mit sich herum, eines, das nur sie zeigt und das er bei den angeblichen Kollegentreffen bei denen sie, wie sich herausgestellt hat, mit zugegen war, von ihr aufgenommen hat. Das Handy ist noch immer gesperrt und es ist mir auch zu blöd, ihn jetzt zu kontrollieren. Er gewährt mir freiwillig Einblick, wenn ich ihn darum bitte. Die Kollegin existiert nicht mehr in seinen Kontakten. Angeblich hat sie einen neuen Partner und ist vor Kurzem zu ihm gezogen.
Trotzdem. Ich komme nicht weg von diesem Gefühl, nur zweite Wahl zu sein. Ich kann kein Vertrauen in seine Aussage fassen, da wäre wirklich nichts gewesen, und werde das Gefühl nicht los, da bräuchte nur die Nächste kommen und bis dahin müsste ich nun in einer Art Gnadenfrist leben.
Wie beurteilt ihr das Ganze? Ist das alles nur verletzte Eitelkeit? Würdet ihr seinen Aussagen glauben können?
Wie habt ihr einen solchen Vertrauensbruch verarbeitet?
Vielen Dank für´s Lesen des sehr langen Textes und eure Ratschläge!
25.07.2017 19:28 •
#1