Moin Kryptonit.
Ich nehme das mal ein wenig auseinander, denn es ist manchmal einfacher, einzelne Problembereiche anzuschauen und zu lösen, als den gesamten Knoten mit einem Hieb durchzuschlagen.
Eure Ehe ist in einem Zustand, der für die meisten in der Außenbetrachtung „normal“ ist. Die Eigenschaften deines Mannes, die aktuell für dich unerträglich scheinen, hat er schon lange. Und du hast sie schon lange hingenommen. Dann wurden sie extremer. Dann hast du begonnen, ihm gegenüber deine Grenzen zu definieren und Wünsche zu äußern. Das war für ihn lästig, also beruft er sich (unausgesprochen) darauf, dass er gar nicht groß etwas verändert hat und eigentlich immer schon so war. Die Ebenbürtigkeit zwischen euch scheint langsam aber sicher verloren gegangen zu sein. Das stört ihn logischerweise nicht und ihm ist überhaupt nicht klar, wie weit du dich schon von ihm entfernt hast, denn ihr seid offensichtlich nicht mehr ebenbürtig, nicht mehr auf Augenhöhe. Und zwar aus zwei Gründen. Weil er es so wollte, und weil du es trotz inneren Widerstandes zugelassen hast. Du hast den Widerstand also so dosiert, dass nichts gefährdet wurde und er nicht zornig werden musste. Einmal hast du es tatsächlich getan, da war das Wochenende dann getrübt. Weiter aufwühlen wolltest du die Angelegenheit nicht, weil dann vermutlich vieles ans Tageslicht gekommen wäre, das sich nicht wieder einfangen ließe. Das, was also zwischen euch besteht, wurde „gemeinsam erschaffen“, wenn auch gegen deinen inneren Widerstand.
Der Mann deiner Wünsche hat bisher (meiner Erkenntnis nach) vor allem eine FUNKTION, als PERSON ist er noch gar nicht konkret für dich. Das, was du von ihm sehen und erreichen konntest, reicht vor allem als Projektionsflüche für all das, was dir in der Ehe fehlt und bei ihm MÖGLICHERWEISE anders wäre. Auch er lebt mit Familie, und ich habe oft erlebt, dass beide sich trennen wollten, einer kurz darauf zurück zieht und der andere dann ein ungewolltes Singleleben vor sich hat. Darum die Trennung der beiden Bereiche. Es steht dir frei, deinem Mann die Trennung mitzuteilen und dir anwaltlich ausrechnen zu lassen, was dir aus dem Zugewinn zusteht. Das ist nicht verboten und nicht mal unmoralisch. Rechne damit, dass er zunächst etwas verändern will, dann aber sehr zornig werden könnte und dir keinen Cent mehr gibt, als eben nötig. Wie deine Kinder damit umgehen, steht noch völlig in den Sternen.
Du würdest dann also ein Singledasein anstreben und das mit vollem Einsatz. Da sich in diesem Zusammenhang schnell heraus stellt, was dein Geliebter dann tut, solltest du auf keinen Fall damit rechnen, dass eure Verliebtheit geheim bleibt. Das glauben viele, ich habe aber noch nicht erlebt, dass das gelungen ist, zumindest wurde es nicht geglaubt. Bei der Trennung eines anscheinend glücklichen Paares brodelt die Gerüchteküche sowieso unerträglich. Und das kann man auch nicht einfach so einfangen. Wenn ihr also anschließend ein Paar werdet, wird die Trennung in der Außenbetrachtung als Folge der neuen Liebe gesehen.
Trennung und neuer Partner sind trotzdem als zwei Problembereiche zu betrachten. Und darum kann es hilfreich sein, in worst-case-Szenarien den gesamten Trennungskomplex durchzuarbeiten, durchzudenken, gedanklich durchzuspielen:
Wo werde ich wohnen?
Wie werde ich finanziell da stehen?
Was sagen Kinder, Freunde und Bekannte dazu? Wie gehe ich mit deren Verachtung um?
Habe ich die Widerstandskraft, dieses Mal NUR MEINE Ziele ins Auge zu fassen, ohne dabei die Kinder und ihre Verzweiflung auf die leichte Schulter zu nehmen?
Wenn Kinder das Verhalten nicht verstehen können, neigen sie oft zur strikten Ablehnung. Das ist das schwierigste Kapitel.
Wo werden die Kinder leben? Sind sie mehr auf Vater oder Mutter fixiert?
Kann ich meine Arbeit so ausweiten, dass ich davon leben kann?
Wie kann ich meinem Mann gegenüber so fair wie möglich, aber auch so willensstark wie möglich auftreten?
Es kann durchaus sein, dass du nach einer solchen Trennung eine Weile ziemlich einsam bist. Das wäre nicht ungewöhnlich. Aber du wärest dann auch FREI. Und Freiheit ist ein hohes Gut.
Es liegt mir fern, dir die Trennung auszureden. Sie scheint eh nahe zu liegen, wenngleich ein gesunder Neuanfang zwischen euch ja noch nicht ausgeschlossen ist.
Wenn du das alles durchziehst, ist die Welt eine andere, aber vermutlich auch eine attraktivere. Es kann sich lohnen. Ich weiß das aus vielen Begleitungen, aber auch aus eigenem Erleben. Ich bin aber sicher, dass jetzt nichts mehr von alleine heilt. Du brauchst viel Kraft für da, was vor dir liegt. Die wünsche ich dir.
17.08.2024 11:37 •
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