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Einsamkeit in der Beziehung

Kirschlaub
Guten Morgen Community,

wir sind seit 12 Jahren zusammen und seit etwa 9 Jahren verheiratet, keine Kinder.

Mein Partner hatte schon länger vor uns eine Dysthymie (leichte chronisch depressive Verstimmung) die er in den Jahren mit 3 Klinikaufenthalten und Medikation scheinbar gut im Griff hatte.

Vor ca. 2 Jahren bekam er eine schwerere depressive Episode. Er hat von dem Tag an abrupt alles zwischenmenschliche und körperliche eingestellt. Kein Hand halten, kein umarmen. So ist es bis heute geblieben.

Dass es dazu kam verstehe ich, wir haben auch über die Gründe gesprochen und das nehme ich auch nicht persönlich. Was mir mittlerweile zunehmend zu schaffen macht ist die lange Dauer.

Wir wohnen zusammen, es ist nicht so dass es einen Streit o.ä. gegeben hätte sondern die Gefühle für ihn sind wie vorher. Nur dass quasi von heute auf morgen auf Eis gelegt wurde.

Ich bin noch dazu ein Beziehungsmensch, für mich wäre nichtmal eine Wochenendbeziehung machbar. Und Freunde sind Freunde, aber auch kein Partner-Ersatz für mich.

Für seine Erkrankung kann er nichts und es fällt ihm auch schwer, ohne Antrieb was zu tun. Bei allem Verständnis fühle ich mich aber nach der langen Zeit, als würde ich zunehmend vereinsamen.

Darüber nachzudenken sich vielleicht zu trennen, quasi wegen der Erkrankung, ohne dass zwischen uns etwas vorgefallen wäre, von einem Partner den man immernoch liebt, fällt mir schwer.

Mein Partner meinte selbst schon, er würde es mir wünschen dass ich jemand anderen kennenlerne. Aber das ist nicht meine Art, zumal ich ihn liebe und gar kein Interesse habe mich nach anderen umzusehen.

Ich sehe hinter der Erkrankung auch ihn, aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Depression da ist. Und voraussichtlich wird es auch nicht die letze schwerere Episode in seinem Leben bleiben.

Aus meiner Sicht wäre das so nicht nötig, depressionsbedingt hat er Schwierigkeiten mit der Gefühlswahrnehmung. Sein Abstand ist deshalb, weil er meint mir nichts vorspielen zu wollen.

Eigentlich, so sagt er, weiß er dass es von der Depression kommt. Weshalb ich es nicht als was vorspielen sehen würde, zumindest Hand halten, mal umarmen, trotzdem noch beizubehalten.

Ich würde denken, dass auch ihm körperliche Zuwendung vielleicht auch gut tun könnte. Aber ich möchte auch seine Entscheidung respektieren und ihm nicht das Gefühl geben etwas tun zu müssen.

Trotz allem rationalen Verständnis sind da auch Bedürfnisse von mir, nach zumindest ein Bisschen partnerschaftlicher Zuwendung. Ich denke das ist wohl auch normal und verständlich.

Vielleicht habt ihr dazu einen Rat, für mich, für ihn, für uns. Gedanken, Erfahrungen, etc.

Lieben Dank euch.

09.07.2024 08:13 • x 2 #1


B
Liebe @Kirschlaub, was unternimmt er denn, um zu gesunden, hast du den Eindruck, er nimmt jede Hilfe in Anspruch, um seine Situation zu verbessern oder ruht er sich auf der Krankheit aus? Ich finde Anfang 30 ohne Körperkontakt ohne liebevolle Zuwendungen des Partners kaum lebbar. Könnt ihr miteinander reden, seid ihr beide therapeutisch begleitet?

09.07.2024 08:24 • x 2 #2


A


Einsamkeit in der Beziehung

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Sliderman
@Kirschlaub

Hallo Kirschlaub, erstmal herzlich Willkommen, auch wenn der Anlass sehr traurig ist.

Wie reagiert Dein Mann , wenn Du ihm mitteilst, wie es Dir geht?
Ist ihm klar , dass er dich emotional verhungern lässt?
Bedenke, dass Du niemals seine Therapeutin sein kannst und das dieser Zustand dich langfristig krank machen wird.

09.07.2024 08:30 • x 7 #3


B
Zitat von Sliderman:
Bedenke, dass Du niemals seine Therapeutin sein kannst

This! Für dein eigenes Seelenheil, liebe @Kirschlaub, solltest du dir diesen Satz anpinnen.
Zitat von Kirschlaub:
Für seine Erkrankung kann er nichts und es fällt ihm auch schwer, ohne Antrieb was zu tun. Bei allem Verständnis fühle ich mich aber nach der langen Zeit, als würde ich zunehmend vereinsamen.

Darf ich deinen Satz ergänzen. Für seine Erkrankung kann er nicht. Aber auch du nicht.

09.07.2024 08:50 • x 5 #4


Sliderman
Zitat von Brightness2:
Darf ich deinen Satz ergänzen. Für seine Erkrankung kann er nicht. Aber auch du nicht.

09.07.2024 08:50 • x 1 #5


Kirschlaub
Zitat von Brightness2:
was unternimmt er denn, um zu gesunden, hast du den Eindruck, er nimmt jede Hilfe in Anspruch, um seine Situation zu verbessern


Aus gesunder Sicht finde ich es schwer zu beurteilen.

Ich habe leider den Eindruck, dass in der Zeit nichts ausreichend getan wurde. Es wurden mehrere Medikamente ausprobiert und sonst nur herum gesessen und die Zeit vergehen lassen.

Vorgeschlaten hatte ich zum Beispiel ambulante Hilfen, (ABW, psychosozialer Dienst, etc.) die unterstützen bei Anträgen, bei Ärzten, bei der Alltagsbewältigung, führen Gespräche, etc.

Die Antwort darauf war, was sollen die mir schon helfen Ich kann nicht nachvollziehen, wie schwer das bei einer schweren Depression wirklich ist und was für ihn noch machbar wäre.

Zitat von Brightness2:
Könnt ihr miteinander reden, seid ihr beide therapeutisch begleitet?


Könnten wir schon, für ihn ist das aktuell eher eine Verpflichtung wenn ich Redebedarf habe. Ich habe eine ambulante Therapie, er nicht, da er meint was sollen die mir schon helfen können.

Zitat von Sliderman:
Wie reagiert Dein Mann , wenn Du ihm mitteilst, wie es Dir geht?
Ist ihm klar , dass er dich emotional verhungern lässt?


Nach meinem Eindruck mit wenig Selbstverantwortung. Schuld sei die Depression, er könnte auch nichts machen, sein Arzt hätte ja schon Medikamente herausgesucht, usw.

Die Verantwortung sieht er scheinbar eher bei anderen als bei sich. Er scheint auch zu erwarten ich mache x und das bringt was wenn es nicht direkt Besserung bringt bleibt er nicht dran.

Wie klar ihm das wirklich ist, kann ich aktuell nicht einschätzen. Ich habe den Eindruck, dass sein Denken ich kann selbst nichts ändern ihn sehr hemmt überhaupt etwas zu versuchen.

09.07.2024 08:51 • x 2 #6


Sliderman
@Kirschlaub
Wirklich schwierig…
Ein gesunder Mensch kann sich in eine Depression nicht reindenken, aber sicherlich in das was mit dir passiert über kurz oder lang.

09.07.2024 08:58 • x 1 #7


B
Spür doch mal nach, inwieweit dein wahnsinnig großes Verständnis, dich und ihn in eurem Kosmos Krankheit, Passivität, stilles Erdulden, unterstützen. Keine Frage, es ist sehr wertvoll, einen Menschen, der krank ist, nicht im Stich zu lassen. Sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse dabei aufzugeben, kann temporär mal passieren. Ich finde zwei Jahre entschieden zu lang. Mit Anfang 30 darfst du wilden, lauten, schmutzigen S. haben, tanzen, Freunde treffen, spontan wilde Sachen machen. Du verkümmerst gerade an der Seite eines Menschen, der Hilfe nicht annimmt. Zumal du Angebote zur Verbesserung seiner Situation machst. Sein sekundärer Krankheitsgewinn -Verharren, Bequemlichkeit, Partnerin macht schon- scheint über seinen Leidensdruck zu siegen. Wie groß muss dein Leidensdruck noch werden, bis du klar Position beziehst, nicht mehr verständnisvoll anbietest sondern klare Forderungen stellst? Dann natürlich auch Konsequenzen ziehst, falls es nicht funktioniert.

09.07.2024 09:04 • x 4 #8


Sliderman
Zitat von Brightness2:
Spür doch mal nach, inwieweit dein wahnsinnig großes Verständnis, dich und ihn in eurem Kosmos Krankheit, Passivität, stilles Erdulden, ...



Ein mögliches Szenario ist doch, dass diese Geschichte Möglichkeiten in einer Affäre endet.
Oder, oder, oder…

09.07.2024 09:16 • #9


B
Zitat von Kirschlaub:
Mein Partner meinte selbst schon, er würde es mir wünschen dass ich jemand anderen kennenlerne.

Was macht das mit dir, wie nimmst du das auf?
Zitat von Kirschlaub:
Vorgeschlaten hatte ich zum Beispiel ambulante Hilfen, (ABW, psychosozialer Dienst, etc.) die unterstützen bei Anträgen, bei Ärzten, bei der Alltagsbewältigung, führen Gespräche, etc.

Wovon lebt er, wie sieht seine Tagesstruktur aus, was macht er, wenn du nicht da bist?
Zitat von Kirschlaub:
Könnten wir schon, für ihn ist das aktuell eher eine Verpflichtung wenn ich Redebedarf habe. Ich habe eine ambulante Therapie, er nicht, da er meint was sollen die mir schon helfen können.

Du arbeitest die Folgen seiner Erkrankung auf. Er sitzt da und lässt dich machen. So kann das nicht funktionieren. Irgendwann, finde ich, spielt es keine Rolle mehr, ob er nicht kann der nicht will. Wo ist deine Grenze?

09.07.2024 09:24 • #10


Kirschlaub
Zitat von Brightness2:
Für seine Erkrankung kann er nicht. Aber auch du nicht.


Das sehe ich auch so. Nur, wie soll die Situation zu lösen sein?

Aus meiner Sicht wären ambulante Hilfen und Therapie zu versuchen, auch wenn man denkt es würde nichts bringen. So lange es nicht schade gibt es die Option, dass es was bringen kann.

Ich sehe weder das, noch ihn zu anderen Maßnahmen zu überreden/motivieren als meine Zuständigkeit. Würde er mich drum bitten vielleicht, aber Unterstützung zu wollen ist seine Sache.

Zitat von Brightness2:
Mit Anfang 30 darfst du wilden, lauten, schmutzigen S. haben, tanzen, Freunde treffen, spontan wilde Sachen machen.


Ne, sowas tatsächlich nicht. Wir sind beide eher ruhig, die lieber ins Museum gehen oder eine Wanderung machen als feiern zu gehen oder sonst irgendwas wildes zu machen.

Was mir einfach fehlt ist die Nähe, körperlich, emotional. Sich spüren, sich riechen, die Wärme des anderen, usw. Das sind Momente in denen man sich Zeit füreinander nimmt.

Zitat von Sliderman:
Ein mögliches Szenario ist doch, dass diese Geschichte Möglichkeiten in einer Affäre endet.


Für mich nicht. Zum Einen habe ich an so einem Weg kein Interesse, zum anderen halte ich mich für reif genug um mich vorher zu trennen, wenn ich jemand anderen kennenlernen wollte.

Wenn es nach ihm ginge könnte ich mich auf jemand anderen einlassen, selbst ohne Trennung. Ich möchte es nicht, das bin nicht ich und Interesse daran hätte ich auch nicht.

09.07.2024 09:26 • x 1 #11


Kirschlaub
Zitat von Brightness2:
Du arbeitest die Folgen seiner Erkrankung auf.


Ich bin nicht wegen ihm in Therapie.

Zitat von Brightness2:
Wovon lebt er, wie sieht seine Tagesstruktur aus, was macht er, wenn du nicht da bist?


Seit der aktuellen Episode Krankengeld, Arbeitslosengeld 2 und wie es danach weiter geht weiß er nicht.

09.07.2024 09:27 • x 1 #12


Laetitia2024
@Kirschlaub
Auch wenn es hart klingt: Ich würde dir raten, dich von ihm zu trennen und vielleicht eine Freundschaft aufrechtzuerhalten. Er wünscht sich das ja auch für dich. Es ist klar, dass du mit so wenig Zuwendung in einer Partnerschaft leidest. Das wird noch schlimmer werden, wenn du bei ihm bleibst. Damit du nicht auch psychisch krank wirst, solltest du lieber den Absprung schaffen und dir einen gesunden Partner suchen. Die Depression ist eine sehr schwere psychische Erkrankung. Er braucht wahrscheinlich Medikamente und Therapie für eine lange Zeit, vielleicht für immer. Es kann auch sein, dass ihm das gar nicht hilft. Genauso wenig wie deine Zuwendung. Die kann ihm sogar eines Tages lästig werden. Es scheint ja schon chronisch bei ihm zu sein, wenn er so lange darunter leidet. Die Trennung tut am Anfang weh, aber später wirst du froh sein, den Absprung geschafft zu haben. Denk mal nur an dich und an dein Wohlergehen.

09.07.2024 09:42 • x 1 #13


B
Zitat von Kirschlaub:
Ich bin nicht wegen ihm in Therapie.

Ups, sorry, hätte ich auch erst hinterfragen dürfen

Welche Möglichkeiten hast du? Du kannst weiterhin die verständnisvolle Rolle einnehmen, erdulden, es wird sich nichts ändern, außer dass du immer mehr vereinsamst und innerlich verkümmerst. Er wird weiter in der passiven Rolle verharren, sein Leidensdruck ist kleiner als sein Veränderungswille. Nicht gut. Du kannst deine Koffer packen und gehen, dann wirst du mit dem Gefühl zurecht kommen müssen, einen kranken Menschen zurück gelassen zu haben. Auch irgendwie nicht einfach.

Eine Alternative wäre, innerhalb der Beziehung klare Abgrenzungen zu ziehen. Nicht mehr, ich verstehe das, sondern ich verstehe eben nicht, warum du nicht jede einzelne Chance wahrnimmst, dir Hilfe zu holen. Ich liebe dich, ich werde nicht zuschauen, wie du passiv die Spirale immer weiter nach unten drehst. Kannst du das Thema in deiner Therapie besprechen, hast du das schon, was kam dabei raus, wenn nicht, wäre das eine Möglichkeit?

09.07.2024 09:45 • x 2 #14


M
Zitat von Sliderman:
Wie reagiert Dein Mann , wenn Du ihm mitteilst, wie es Dir geht?
Ist ihm klar , dass er dich emotional verhungern lässt?
Bedenke, dass Du niemals seine Therapeutin sein kannst und das dieser Zustand dich langfristig krank machen wird.

Damit hat Sliderman völlig Recht. Du rutschst in die Rolle einer Therapeutin, die alles auffängt, Verständnis für ihn und seine Krankheit hat und dabei selbst allmählich vor die Hunde geht, weil ihre Bedürfnisse nach Nähe und Vertrauen nicht erfüllt werde.
Depressive haben so viel mit sich zu tun, dass ihnen nicht klar ist, wie das für den Partner ist. Sie finden aus ihrem Loch nicht raus. Und wenn es ihnen doch klar wird, können sie es nicht ändern.

Depressionen sind tückisch, denn wenn sie einmal da waren kommen sie gerne immer wieder. Ich habe auch einen Mann zu Hause, der Gefahr läuft, depressiv zu werden. Und er hat seine Phasen. Phasen, in denen er ziemlich rund läuft, aber auch Phasen, in denen er zu seltsamen Handlungen neigt, was oft aufgrund von Überforderung kommt.

Es ist nicht leicht, unter diesen Umständen eine Ehe aufrecht zu halten. Er ist kein so schwerer Fall wie Deiner, aber ich verstehe gut, wie Du Dich fühlst, aber auch, in welcher Welt er lebt.

Trotz Psychopharmaka können depressive Phasen auftreten.

Ist Dein Mann in Behandlung? Scheinbar nicht. Dann lastet alles auf Dir, denn er bleibt passiv und zieht sich in seine Welt zurück. Du kannst nicht alles auffangen, was er hängen lässt. Das wird Dich zunehmend frustrieren, weil Du in jeder Hinsicht zu kurz kommst.

Ehe Du auch noch vor die Hunde gehst, ziehe aus und kümmere Dich freundschaftlich um ihn. Aber verschaffe Dir Freiräume, die Dir ein wenig Luft zum Atmen geben. Du kannst nicht ewig in dieser schwarzen Welt leben und Liebe heilt nicht alles, vor allem wenn sie nicht mehr gegenseitig ist. Er kann vielleicht nichts dafür, aber Du bist auch noch da. Ein Mensch mit Bedürfnissen und Wünschen, aber ohne Perspektive.

09.07.2024 10:08 • x 2 #15


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