Lieber TE,
Du fragst, ob hier wer ähnliches erlebt hab, drum will ich dir einfach mal meine Geschichte schildern:
Ich war 25 Jahre mit meinem Mann zusammen, davon 17 verheiratet, wir haben drei Kinder zwischen 14 und 9.
Seit der Geburt des ersten Kindes bzw. eigentlich schon mit der Schwangerschaft kam Sand ins Getriebe. Wir waren zu sehr nur noch Eltern, zu wenig Paar. Wir haben das beide leider nicht wirklich kapiert, sind beide aus unterschiedlichen Gründen überangepasst, mein Mann überdies nicht konfliktfähig und kaum dazu in der Lage, seine Gefühle mitzuteilen. Wir haben irgendwie nebeneinanderher- und gar nicht mal schlecht zusammengelebt, als Eltern, als Familie. Klassisches Rollenmodell, er hat Karriere gemacht und verdient gut, ich habe nur noch Teilzeit gearbeitet und die Care-Arbeit übernommen. Für mich wurde die fehlende Zuwendung meines Mannes (er hat weder verbal noch physisch Zuneigung gezeigt, lediglich über Geburtstags-/Weihnachtsgeschenke, aber materielles bedeutet mir nichts) zunehmend zum Problem, ich hatte zunehmend das Gefühl, dass er mich nicht mehr liebt, hab mich aber nie getraut, das anzusprechen, aus Angst, damit ein Fass aufzumachen und am Ende von ihm verlassen zu werden.
Ich hab jahrelang irgendwie gehofft, dass das schon wird, hoffte auch, dass unsere Kinder und unser gemeinsamer Lebensentwurf (Haus, Familienleben gemeinsame Freunde) uns irgendwie zusammenhalten, ich wollte das alles unbedingt und hab ihn selbst weiterhin sehr geliebt. Und ihm das im Übrigen auch immer gezeigt (körperlich) und gesagt, auch immer wieder gesagt, wie sehr ich ihn wertschätze, was für ein toller Mann und Vater er ist. Von ihm kam dagegen – nichts. Er hat mich irgendwann nicht mal mehr nach meinem Job gefragt, wie mein Tag war, wie es mir geht, oder, wenn ich mal mit meinen Freundinnen z.B. auf einem Konzert war, wie der Abend war. Ich will hier auch nicht den schwarzen Peter allein ihm zuschieben – ich habe genauso meinen Anteil daran, ich hab das alles ja immer nur so hingenommen, es nie wirklich angesprochen, es verdrängt. Es war eine ungute Dynamik.
Ich habe mich immer öfter in andere Männer „verliebt“. Es war immer nur in meinem Kopf, es gab keine Flirts o.ä., diese Männer (aus dem Bekanntenkreis oder unter Kollegen) haben davon nie etwas erfahren. Aber diese Träumereien haben mir meinen Alltag irgendwie leichter gemacht. Ich rutschte immer mehr in eine depressive Verstimmung. Alles war so unendlich schwer, zu allem musste ich mich aufraffen. Unter der Woche, wenn ich arbeiten gehen konnte, ging es, aber am Wochenende war ich oft wie gelähmt. Ich habe aber nicht kapiert, woran das liegt. Bis ich mich nochmals unfassbar verliebt habe - diesmal in einen Mann, der - obwohl selbst verheiratet - offensichtlich Interesse an mir zeigte. Es gab Treffen, die irgendwann heimlich wurden. Wir haben geflirtet. Wir haben offen über unsere Probleme in unseren Ehen gesprochen. Meine Verliebtheitsgefühle wurden immer stärker, und ich wusste in diesem Moment: ich muss mich von meinem Mann trennen. Diese Gefühle wären nicht möglich, wenn ich ihn noch ehrlich und wahrhaftig als Partner lieben würde. Ich habe noch eine Weile mit mir gekämpft. Wegen unserer Kinder. Natürlich war ich im Begriff, auch meinen Lebenstraum von der heilen Bullerbü-Welt zu zerstören, aber viel schlimmer war der Gedanke, was ich damit meinen Kindern antun würde.
Ich habe dann für kurze Zeit eine heimliche Affäre mit dem anderen Mann angefangen, habe meinen Mann betrogen. Habe noch ein paar Gesprächsversuche mit ihm gestartet, über unsere Beziehung, über das, was daraus geworden ist. Habe mich erstmals getraut, anzusprechen, was mir fehlt. Meine Zweifel an seiner Liebe. Aber es kam so gut wie nichts. Er hat klar gemacht, dass er keine Trennung will. Aber hat weiterhin mit keinem Wort gesagt, dass ich ihm was bedeute. Dass er mich liebt. Dass er mich will. Wenn meine Gefühle für ihn nicht ohnehin schon tot waren - da sind sie endgültig gestorben. Ich hätte auch absolut keine Körperlichkeiten mehr mit meinem Mann gewoltl. Schon neben ihm im Bett liegen war schwer. Ich wollte nichtmal mehr mit ihm aus einem Glas trinken. Es ging einfach nicht mehr. Auch nicht für die Kinder. Ich wusste, wenn ich das noch länger durchzuziehen, auszuhalten versuchte, würde ich in der Psychiatrie landen.
Ich hab dann die Trennung ausgesprochen. Wohlgemerkt - nicht „für“ den anderen. Da hatte ich zu dem Zeitpunkt keine große Hoffnung, dass das was werden könnte. Er hat mir immer gesagt, dass er sich nicht von seiner Frau trennen würde. Ich war zwar sehr verliebt, wusste aber: mit meinem Mann kann ich so oder so nicht weitermachen. Es geht nicht mehr. Und auch, wenn das mit dem anderen keine Zukunft hat - da bleibe ich lieber allein. Hat mein Mann mir zwar nicht geglaubt, hat mir auch im Freundeskreis keiner geglaubt. Aber ich war in meinem tiefsten Innern völlig klar: die Beziehung mit meinem Mann ist kaputt, das Pferd ist tot. Meine Gefühle bereits gestorben. Da lohnt auch kein Kampf. Eine Paartherapie habe ich abgelehnt, sie wäre die Verlängerung des Leidens gewesen. Es war einfach zu spät. Leider.
Meine Affäre hat sich dann völlig überraschend auch von seiner Frau getrennt. Wir haben eine „offizielle“ Beziehung geführt (wobei ich meinen Kindern davon noch nichts gesagt habe). Ich bin aus unserem Familienheim ausgezogen und habe mir eine Wohnung gesucht. Mein Mann und ich haben uns auf das Wechselmodell (mein Anteil ist etwas höher) geeinigt, ich habe bei der Arbeit auf 75 % erhöht, um mir die ausreichend große Wohnung leisten zu können. Mein Mann und ich haben beim Mediator eine Scheidungsfolgenvereinbarung ausgehandelt und Kindesunterhalt und Haus (er wird mich ausbezahlen) geregelt. Wir erziehen unsere Kinder weiterhin gemeinsam, können über Organisatorisches problemlos kommmunizieren, sind in gutem Kontakt und es gibt trotz allem, was ich ihm angetan habe, kein böses Blut. Es ist nicht immer alles tiefenentspannt und wir werden niemals gute Freunde o.ä. sein. Aber wir geben uns beide sehr sehr viel Mühe, und nehmen uns jeweils sehr zurück, um wenigstens noch gute Eltern sein zu können. Sofern das unter diesen Umständen irgendwie möglich ist.
Mein Freund ist dann allerdings doch wieder zu seiner Frau zurück und hat mich verlassen. Ich hatte schlimmen Liebeskummer, hätte mir durchaus eine Zukunft mit ihm vorstellen können. Kurze Zeit hat er noch versucht, wieder eine heimliche Affäre zum Laufen zu bringen, aber mittlerweile ziehen wir die Kontaktsperre durch und so komme ich von Tag zu Tag besser drüber hinweg.
Es blieb dabei: ich habe mich nicht für den anderen getrennt - er war lediglich der Stein, der alles ins Rollen gebracht hat, meine Gefühle für ihn haben mir die Augen geöffnet. Ich bin mit mir im Reinen. Es geht mir trotz aller „Widrigkeiten“ - andere würden es als „Einbußen“ bezeichnen: ich lebe jetzt in einer Mietwohnung statt im Eigenheim mit Garten, ich putze wieder selbst statt eine Putzfrau zu haben, ich arbeite härter als vorher, um mir meinen Lebensunterhalt nun selbst zu verdienen, ich bin auf einmal allein/single, ich muss sehr aufs Geld schauen und kann keine großen Sprünge machen - besser, als in meiner Ehe. Ja, es geht mir gut. Natürlich bin ich noch dabei, das alles zu verarbeiten, manchmal frage ich mich immer noch: was hast du da getan? Bist du dir wirklich sicher? Ich hadere auch immer noch damit, was ich meinen Kindern angetan habe und durch das Wechselmodell zumute. Und natürlich auch, was ich meinem Mann angetan habe. Der mir mittlerweile so unendlich fremd geworden ist. Aber die Schwere ist weg. Ich fühle mich leicht und frei. Ich kann ich sein und bin nicht mehr abhängig. Es liegt noch so viel Leben vor mir. Irgendwann werde ich, so hoffe ich, auch wieder einen Partner in meinem Leben haben. Aber im Moment ist es eigentlich ganz gut so, wie es ist. Ich wachse sehr daran, nun mal allein im Leben klarkommen zu müssen.
Das ist meine Geschichte. Vielleicht sagen hier jetzt auch wieder viele: jaja, die typische Affärengeschichte, du warst halt hormonvernebelt wie unter Dro., nicht zurechnungsfähig. Aber das ist mir egal, es ist Blödsinn. Oder jedenfalls ist es nur ein kleiner Ausschnitt der Wahrheit. Hormonausschüttungen hatte ich sicher zur Genüge, so ist das eben, wenn man verliebt ist. Aber die Affäre, der andere Mann hat mir soviel Kraft gegeben - und ich hatte mit ihm nunmal auch eine intensive Beziehung, in der wir sehr offen reden konnten -, dass ich erstmals den Mut hatte, hinzusehen. Nicht mehr zu verdrängen. Ehrlich zu sein, zu mir selbst und zu meinem Mann. Und diese Affäre, diese Verliebtheit, wäre niemals möglich gewesen, wenn die Beziehung zu meinem Mann nicht schon tot gewesen wäre. Da war keine Verbundenheit, da war nichts Gemeinsames mehr, außer unsere Kinder und das äußere Konstrukt Ehe und Familie.
Ja, es ist ein innerer Kampf, Vernunft gegen Gefühl, so habe ich es auch empfunden. Ich bin kein Vernunft-Mensch. Materielle Dinge und Status sind mir nicht wichtig. Was mir allerdings wichtig ist, ist Sicherheit und Stabilität, daher hat mich die Trennung verdammt viel Mut gekostet und ich hab auch schon schreckliche Ängste ausgestanden deswegen. Aber ich habe habe mich nach Gefühl entschieden, hab mich von meinen Gefühlen leiten lassen, meinen Bauch entscheiden lassen, und dann die Konsequenzen getragen. Und es noch keinen Tag bereut.