Liebe Leute,
bestimmt gibt es hier bereits zahlreiche Threads mit ähnlichen Fragen und Nöten, aber ich habe gerade das Gefühl, dass es mir hilft, mir alles von der Seele zu schreiben, statt nur bereits bestehende Beiträge zu lesen.
Ich fang mal an.
Gestern habe ich mich nach etwa zweijähriger Beziehung von meinem Partner getrennt und er sich von mir. Es war also mehr oder weniger eine gemeinsame Entscheidung, weil wir schmerzlich erkennen mussten, dass der Riss zu tief und die Distanz zu groß ist. Frust, Vorwürfe und ständige Missverständnisse hatten die Liebe in den letzten Monaten zunehmend verschüttet.
Ich bin 35 Jahre alt, er 42. Leider leidet er an einer Angsterkrankung, was ihn in seinem Alltag sehr einschränkt und immer ein großes Thema in unserer Beziehung war, weil seine Angst einfach über allem schwebt wie ein böser Dämon. Anfangs hatte ich sehr viel Verständnis für ihn und seine Krankheit, ich war sehr geduldig und konnte gut mit ihm und seiner Angst umgehen. Mit der Zeit wurde ich aber zunehmend ungeduldig, frustriert und resigniert, da ich irgendwie das Gefühl hatte, immer und immer wieder gegen eine Wand zu rennen. Er versprach mir immer, dass sich morgen, übermorgen oder nächste Woche alles zum Besseren ändert und er sich seinen Ängsten stellt. Zum Beispiel hat er es kein einziges Mal geschafft, mich in meiner Wohnung zu besuchen - wir führten eine Fernbeziehung. Ich war immer diejenige, die zu ihm fahren musste, da er alles vermeidet, was eine Panikattacke auslösen könnte (dazu gehört Zug oder Auto fahren und in einer fremdem Umgebung sein). Anfangs habe ich das alles noch gerne mitgetragen, weil wir einfach eine so intensive Zeit zusammen hatten und er ein sehr tiefsinniger Mensch ist. Wenn wir zusammen waren, waren wir uns selbst genug. Aber mit der Zeit änderte sich das. Ich wollte gerne auch mal mit ihm in Urlaub fahren, es wurde mir immer wichtiger, dass wir vorankommen und er auch mal in meine Welt kommt, meine Tiere und meine Freunde kennenlernt und auch mal bei mir zu Gast ist, nicht immer nur ich bei ihm.
Leider wuchs mit der Zeit auch eine Art Verachtung ihm gegenüber, weil ich gefühlt immer die Starke sein musste, während er sich zu Hause einmummelte und sich selbst bemitleidete. Er strahlte eine Art Bedürftigkeit aus, die mich irgendwie wahnsinnig machte. Ich kann gar nicht sagen, warum, und schäme mich auch dafür.
Irgendwann fing ich an, mich emotional von ihm zu distanzieren. Vermutlich, weil ich eingesehen hatte, dass diese Beziehung wohl keine Zukunft hat im Sinne von gemeinsam die Welt entdecken und eine Familie gründen. Er ist ein sehr feinfühliger Mensch und merkte natürlich, dass ich mich distanziert hatte. Das hatte zur Folge, dass er sich ebenfalls distanzierte und sich alles nur noch nach guter Freundschaft als nach Beziehung anfühlte. Coronabedingt hatten wir uns auch lange nicht gesehen, bis ich nun am Wochenende mal wieder zu ihm fuhr. Wir haben lange geredet und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir uns wohl trennen müssen.
Das Verrückte ist, dass, nachdem die Trennung ausgesprochen war, ich ihn plötzlich wieder mit anderen Augen sah: Seitdem bringe ich ihm nur tiefe Zuneigung entgegen, all der angestaute Frust hat sich in Luft aufgelöst. Nun leide ich natürlich umso mehr unter der Trennung, weil ich plötzlich nur die guten Dinge sehe. Ich mache mir Vorwürfe, nicht alles versucht zu haben und uns die Chance auf ein Happy End genommen zu haben.
Kennt ihr das? Ist das die nachträgliche rosarote Brille?
Seit wir uns gestern getrennt haben, haben wir dennoch weiter Kontakt, und dieser Kontakt ist sehr verständisvoll, liebevoll und all das, was ich in den letzten Monaten so vermisst habe.
Könnte es sein, dass wir uns erst trennen mussten, um wieder eine gesunde Kommunikation und Respekt vor dem anderen zu schaffen? Und so wieder zueinenander finden?
Allerdings weiß ich (aus verschiedenen Gründen) gar nicht, ob er nicht insgeheim froh ist, dass wir die Beziehung beendet haben, und nur so tut, als würde es ihm genauso wehtun wie mir .
Ich würde mich über ein paar Gedanken hierzu von euch als neutrale Betracher freuen .
Danke!
04.01.2021 15:59 •
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