Hey @Severin2935 ,
ich möchte vorausschicken, dass ich dich sehr, sehr gut verstehen kann, und dass ich es wirklich toll finde, wie viele Gedanken du dir machst. Das zeigt für mich eine große Wertschätzung deiner Frau und eurer Ehe gegenüber. In meiner Ehe war ich diejenige, die jahrzehntelang(!) geredet und Lösungen gesucht hat, und dauernd gehört hat: Weiß gar nicht was du hast, ist doch alles gut! bis es dann vorbei war, weil das gute Gefühl weg war. Ohne die Chance, dem Problem wirklich auf den Grund zu gehen und letztlich, wie es meine Vision war, die Partnerschaft wieder auf gesunde Beine zu stellen.
Ryan und die Seherin haben dir mE schon viele gute Hinweise gegeben.
Von mir noch ein paar unsortierte Gedanken dazu:
1. Du siehst das ganz richtig, und ich würde das auch gar nicht herunterspielen, dass ihr in einer massiven Krise steckt. Und wie bei allen Krisen ist erst mal unklar, wie es ausgeht. Es kann zu einer verbesserten Beziehung führen, es kann aber auch das Aus der Ehe bedeuten. Ich befürchte, damit solltest du dich erst mal auseinandersetzen.
2. Ich halte diese Krisen von Zeit zu Zeit, und gerade in dieser Phase (lange zusammen, Kind aus dem gröbsten Raus, Haus, Hund, Baum check, MLC) für völlig normal. Man fragt sich auf persönlicher und auf Paarebene, ob man für den Rest seines Lebens so weitermachen will. Manche Menschen bewußter, manche weniger. Öfter mal führt das bei einem der Partner dazu, dass er aus der Ehe raus will. Da kannst du dann auch nix machen, was uns zu Punkt 3 führt:
3. Du kannst die Ehe nicht alleine Retten. Wenn sie sich weigert, überhaupt ein Problem zu sehen, geschweige denn in tiefere Gespräche darüber einzusteigen, dann stehst du auf verlorenem Posten. Du scheinst schon etwas in die ungesunde und ungeliebte und völlig nutzlose Rolle des Nörglers, des Mahners, des Probleme-Sehers gerutscht zu sein. Kenn ich gut. Saublöde Position. Geh da raus.
4. Ich sehe zwei Hauptprobleme in langjährigen Beziehungen:
A: Es sammeln sich mE unweigerlich dutzende von kleinen Verletzungen, Zurückweisungen, unangesprochenen Problemen an... In eurem Alter spühlen zusätzlich die mehr oder weniger verdrängten Themen aus der Kindheit hoch...
Das alles ergibt ein Gemisch, dass man irgendwann über nichts mehr vernünftig reden kann, weil egal was und wie man Dinge anspricht, das Hirn verknüpft sofort mit: genauso wie vor 4 Jahren, da hat sie auch... Jedes mal macht er das so und so... Sofort kochen die Emotionen hoch, jedes Gespräch ist vom ersten Wort an vergiftet. Kommunikation ist beinahe unmöglich.
Meiner Meinung nach kommt man da alleine ganz schlecht wieder raus, wenn man mal an dem Punkt ist. Ich hätte mir an der Stelle mit meinem Mann eine Paartherapie gewünscht.
B: Nach dieser langen Zeit ist es sehr schwer, sich persönlich weiterzuentwickeln und Perspektiven für sich selbst zu entwickeln, weil man dauernd an Grenzen stößt, die mit der Partnerschaft zu tun haben. Aber das gemeinsame Haus. Aber ich kann doch das nicht tun, weil mein Partner dann dieses. Jener Plan wird verworfen, bevor er überhaupt richtig aufgetaucht ist, weil das Kind, und diese und jene gemeinsame Entscheidung und Weichenstellung von vor 10 Jahren. Hinter der man vielleicht damals nicht mal richtig gestanden hat. Man ist einfach so verflochten miteinander und mit dem gemeinsamen Leben, dass man sich selber gar nicht mehr richtig spürt, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse gar nicht mehr richtig spürt... Was ich in dem Fall gespürt habe, war eine dumpfe Dauerwut (vielleicht der Grant, den du bei deiner Frau spürst?) und, so wie bei dir, den Wunsch, der Partner möge das mit mir zusammen in Ordnung bringen.
Hier ist es mE immens wichtig, viele Verflechtungen im Kopf und im echten Leben wieder bewußt zu lösen. Sich selber wieder zu spüren, und den eigenen Standpunt wiederzufinden. Sich wieder klar werden, soweit das eben möglich ist, was ist mein Problem, was ist dein Problem, was ist unser Problem als Paar. Hier hat mir meine Einzeltherapie sehr, sehr weitergeholfen.
Diese zwei Problemkomplexe sind mE keinesfalls als Versagen der Partner, oder als Versagen der Partnerschaft im Sinne von Die Liebe ist weg zu sehen, sondern sind schon beinahe naturgesetzliche Vorgänge. Muss man halt schauen, wie man damit umgeht. Die Partnerschaft geht quasi in eine neue Phase, und jeder dieser Übergänge birgt die Gefahr, dass es halt auch aus sein kann. Trotzdem kann man die Beziehung halt in keiner Phase konservieren.
5. Ich denke, bis hierher sollte klar geworden sein, dass es keinen Sinn macht, wie Ryan ja schon geschrieben hat, isoliert am S. rumzudoktern, oder sie unter Druck zu setzen, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Bitte mach dir klar, dass das alles Stellvertreterkonflikte sind.
Also Fazit: die Situation scheint ähnlich zu sein, wie das Ende meiner Ehe, ich bin der Meinung, dass sich meine Ehe höchstens durch eine Paartherapie hätte retten lassen, was er aber strikt abgelehnt hat.
Ansonsten, wie die Seherin schrieb, wirst du nicht drum rum kommen, ihr klar zu sagen, dass es so nicht weitergehen kann für dich. Ganz viel von dem, was ich oben schrieb, kannst du im Vorfeld schon für dich selber klar bekommen, um dann die entsprechende Klarheit in eure Kommunikation zu bringen.
Ich drück dir sämtliche Daumen, dass ihr beide zusammen einen Weg findet!
Ich würde mich freuen, wenn du uns auf dem Laufenden hältst.
Ganz liebe Grüße von der Drachin
05.05.2022 07:09 •
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