Was ist richtig, was ist falsch? Wer kann es sagen, wer überhaupt wissen?
Momentan steht ohnehin alles Kopf. Außer der Fahrt zum Supermarkt alle 2-3 Tage ist nichts geblieben. Wir verlassen das Grundstück nicht. Nur selten zum Spazierengehen im Wald oder am Feld entlang.
Was gibt es sonst schon zu tun? Sicher, alles ist aufgeräumt, alles wird so sauber gehalten, wie es im Alltag sonst nicht möglich ist, da die Arbeit ja sonst immer alle Zeit frisst. Wie ein gefräßiges Monster. Und sie spuckt einen schläfrig, lustlos und völlig entnervt wieder aus in diesen Alltag, der mit Staubsaugen, Kinderspielen, Fensterputzen, Wäschewaschen und ähnlich amüsanten Tätigkeiten auf einen wartet. Und danach muss ich abends immer an den Schreibtisch und nacharbeiten.
Von daher: Ja, es ist momentan schön, weil ich theoretisch ganz furchtbar viel mit den Kindern machen kann. Und vielleicht tue ich das auch und es kommt mir nur so vor, als täte ich es nicht. Als würde ich sonst im Alltag mehr schaffen. Obschon meine Erinnerungen an diesen Alltag eher energielos und müde erscheinen.
Ich versorge momentan die Kinder, mache mich hausschön wer hier in diesen vier Wänden wüsste denn bitte gegelättete Haare und gezupfte Augenbrauen zu schätzen? - erledige Haushaltskrahm oder fahre mit meiner Tochter einkaufen, während mein Sohn sich beim Aufräumen oder dem KiKa bespaßt. Dann ist vielleicht noch kurz ein Puzzle, ein Memory oder ein Brief an den Osterhasen drin, bevor ich Essen kochen muss.
Anschließend bette ich mich mit der Prinzessin zum Mittagsschlaf, setze den Großen extrem pädagogisch vor den Fernseher und schlafe meinen Kummer weg. Wenigstens für eineinhalb Stunden.
Nach dem Aufwachen steht dann tatsächlich etwas Familiäres an, denn Männe ist fertig mit seinem Homeoffice.
Lästige Spaziergänge voller sinnbefreiter Dialoge zwischen ihm und mir stehen an oder Gartenroutine samt peinlichem Anschweigen auf den Terrassenmöbeln.
Was läuft falsch?
Die meisten gescheiterten Beziehungsexemplare meinen, sie könnten den Ursprung des Scheiterns ihrer Beziehung nicht mehr genau festmachen, es habe sich eben so eingeschlichen.
Ich aber kann das.
Es war kurz nach der Geburt unseres Sohnes. Also vor knapp 6 Jahren. Ich habe ihn über drei Stunden versucht zu stillen, hatte seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen, machte den Haushalt völlig allein und räumte meinem Mann, wie es bis heute ist - seine dreckigen Socken und Hosen schon vom Flurboden an hinterher. Da kam das erste Mal das Gefühl auf, dass ich in dieser Beziehung wohl nicht alt werden würde, obwohl wir uns das über vier Jahre lang so ausgemalt hatten.
Aber es war nur eine Ahnung. Und trotzdem war es auch DER Moment, denn ich entschied mich, NICHTS zu sagen. Mich NICHT zu beschweren, also einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Und ich WUSSTE in diesem Moment ganz genau: Sagst du jetzt etwas, wird es stressig, ihr streitet deswegen auch in Zukunft öfter und wer weiß, ob es etwas bringt? Sagst du nichts, wird sich das fortsetzen, bis du GAR NICHTS mehr besprechen willst.
Und da bin ich nun angelangt.
Ich will nichts mehr besprechen, ich will nichts mehr bekuscheln und beschlafen schon gar nicht.
Ich möchte keine Berührungen mehr von meinem Mann, möchte keine Gespräche mehr führen und ertrage seine Nähe kaum.
Zu sehr stört es mich, dass ich im Alltag voll arbeite (50 Stunden-Woche), den Haushalt alleine schmeiße, Arzttermine alleine mache, zum Frisör mit den Kindern gehe, ihnen alle Klamotten allein kaufen muss (die sind TEUER), allein mit ihnen bastle, puzzle, Playmobil spiele, singe, den Mittagsschlaf der Kleinen organisiere, die Kinder bade, bekoche. Einfach ALLES. Während Männe nur 80% arbeitet, mir zum Dank noch die Dreckwäsche mitten auf den Boden wirft, Abfall rumliegen lässt, Wurstpackungen öffen lässt, sodass sie austrocknen. Und wir einfach nichts mehr zusammen machen. Außer vielleicht mal nen Film zu gucken. Das war ein kurzer Abriss, aber ich fühle mich in vielen Belangen allein gelassen. Als wäre ich die Mutter dreier und nicht zweier Kinder. Ich organisiere eben alles, muss alles abbeordern und merke doch an Tagen, an denen ich allein zu hause bin: Es klappt reibungsloser, besser.
Also, warum sollte ich eine Beziehung weiterführen, in der ich unglücklich bin, die ich nicht mehr ertrage und die mich auslaugt, wenn ich es allein sogar besser hinbekäme?
Nette Gesten seinerseits häufen sich plötzlich. Merkt er etwas? Hat er Angst? Ist das unbewusst? Egal, es macht mir jedes Mal ein schlechtes Gewissen.
Was kann ich tun? Die Antwort ist so einfach wie auch erschütternd: GAR NICHTS.
Corona verbietet eine Trennung schon mal per se. Was bringt das Ganze jetzt, wenn man dann noch wochenlang aufeinander hocken muss?
Und danach? Tja, das Haus könnte ich irgendwie halten, wenn ich denn nun den Kredit ganz allein abbezahlen würde, um meinen Mann nicht ausbezahlen zu müssen. Dafür würde ich aber auf einem Niveau leben, aus dem ich mich einst mühevoll herausgeschuftet habe. Und die Kinder wären außerdem an drei Nachmittagen die Woche nicht betreut.
Oder wir verkaufen das Haus, reißen beide Kinder aus frisch gewohnten Umgebungen fort und ich hätte immernoch keine Garantie für einen Betreuungsplatz.
Und wer weiß: Vielleicht verspürt mein Mann ja auch den Drang, mir die Kinder wegzunehmen oder rastet völlig aus? Wer weiß das schon?
Ich weiß momentan nur drei Dinge: 1. Ich möchte keine Beziehung mehr mit ihm führen, ihn aber unbedingt in meinem Leben behalten. 2. Ich habe Angst vor der Zukunft (organisatorisch). 3. Ich wünschte, dass es anders wäre.
Und nun? Was tut man zu Coronazeiten mit einem lieben Ehemann, der einen vergöttert, den man aber einfach nicht mehr als Partner möchte und mit dem man nunmal Kinder hat? Den man nicht mehr in seiner Nähe erträgt, den man immer nur noch von sich stoßen möchte?
Was tut man, wenn man keine Betreuungsmöglichkeiten hat?
Was tut man, wenn man finanziell unabhängig wäre, die Kinder aber komplett aus allem rausreißen müsste (gepflanzte Bäume auf dem Grundstück, Kindergartengruppe, Vorschulgruppe, Klassengemeinschaft, Sportverein, VATER)?
06.04.2020 23:15 •
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