Eine kleine Geschichte.

S
...für Anja

Vom Mut, das Leben zu nehmen, wie es kommt

Auf dem Land lebte eine Frau mit ihren Kindern, sie war seit einiger Zeit allein, denn ihr Mann hatte sie verlassen. Die Trennung war hart gewesen und schwer die Zeit, danach. Nun hatte sie ihr Leben neu aufgebaut und war zufrieden. Sie liebte ihre Kinder und das Leben von Herzen und ging offen und freundlich auf alle Leute zu, sie pflegte viele Freundschaften, war sehr hilfsbereit und gut angesehen. Viele Leute suchten ihren Rat und ihre Hilfe und sie gab gern. So verging die Zeit und es kamen auch andere Männer, die sie ansahen und sie gefiel ihnen sehr. Der ein oder andere versuchte schon sein Glück, aber sie wies sie alle freundlich und bestimmt ab und blieb für sich allein. Trotzdem war ihr keiner der Männer böse und ein jeder half ihr gern, wenn sie es zuließ, was aber selten vorkam.

Eines Tages machte sie einen Spaziergang, sie kam am Ende zu einer uralten Eiche und ließ sich in ihrem Schatten nieder, um auszuruhen. Und weil sie so müde war, schlief sie ein und träumte:

„Von einem jungen Mädchen, das so offen und frei aufwuchs, das an das Gute im Menschen glaubte und vertraute und das immer wieder, immer wieder enttäuscht wurde, geprüft wurde und vieles erlebte, das manch anderen für immer darnieder geworfen hätte. Aber das Mädchen stand immer wieder auf, lächelte und ging seinen Weg weiter. Es wurde vorsichtiger aber tief in sich, behielt es den Glauben an das Gute im Menschen. Es vertraute nicht mehr so sehr und zog sich zurück. Aber wenn jemand sein Herz berührte, was selten vorkam, dann öffnete es sein Herz und eine unglaubliche Liebe strömte hervor und schenkte sich. Dann aber geschah es, das sich das Mädchen sich verliebte und heiratete, es war ihrem Man von Herzen zugetan und schenkte ihm ihr ganzes Ich. Er nahm es auch und behielt es, ehrte es aber nicht und betrog und belog sie weitaus schlimmer, als es jemals jemand zuvor gewagt hatte. Lange glaubte sie nicht, was ihre Augen doch sahen, lange glaubte sie nicht, was ihre Ohren doch hörten. Und dann eines Tages, wusste sie, das sie entweder brechen würde oder gehen musste. Und sie ging. Aber ihr Schmerz war tief, tiefer als je zuvor und ihr Herz schloss sich, fester als je zuvor.
So lebte sie viele Jahre, fand ihren Weg und war doch nicht glücklich, bis sie eines Tages eine alte Frau traf und mit ihr im Gespräch versank. Die Alte hörte sich die ganze Geschichte an und sagte dann „Und wenn Du jetzt zurück schaust auf das was Du erlebt hast, so ist alles was hinter Dir liegt Vergangenheit. Deine Vergangenheit, die Dich lehren sollte, Deine Zukunft zu achten und zu lieben, weil Du um den Schmerz und die Tränen weißt und um die Hoffnung und die Liebe. Weißt Du mein Kind, ich verstehe Deine Angst vor neuem Schmerz, aber willst Du aus Angst nicht mehr Dein Leben leben, willst Du aus Angst auf das größte Geschenk Deines Lebens verzichten? Willst Du aus Angst sterben?“ Das Mädchen sah die alte Frau verschreckt an und sagte „nein, natürlich will ich das nicht.“ Die Frau strich ihr übers Haar und sagte dann „mein Kind, dann erhebe Dich und tritt mutig in die Welt hinaus, Du kannst nur durch Mühsal ernten, Du kannst nur durch Deinen Einsatz einen Gewinn erzielen und nur wenn Du handelst, wirst Du etwas ändern“ Das Mädchen sah die alte Frau an und Tränen traten in ihre Augen „aber ich kann nicht mehr vertrauen oder lieben, ich fürchte mich so sehr.“ „Ja“ nickte die Alte, „ich weiß. Aber Du musst es tun, nur so wirst Du heraus finden, ob Du noch lebst. Nur so wirst Du überhaupt leben, wirklich leben und auch wieder lieben, denn ohne Liebe kannst Du zwar zufrieden werden, aber Du bleibst allein, ohne Träume, ohne Glück.“ Das Mädchen schluckte und die Tränen rollten ihre Wangen hinunter, die Alte aber lächelte und sagte, „wie kannst Du Dich denn fürchten, vor der Liebe das was Du erlebt hast war doch keine Liebe es war Blendwerk und nun ist es vorbei, geh hinaus in die Welt, Tochter und liebe“ Damit erhob sie sich und setzte ihren Weg fort.
Das Mädchen saß noch eine Weile da und dann ging auch sie ihren Weg weiter. Aber die Worte der alten Frau hatte ihr Herz getroffen und sie begann es wieder zu öffnen und öfter spürte sie wieder ein Lied auf den Lippen und ihr Lachen erreichte wieder ihr Herz, ihre Augen begannen zu leuchten und ihre Gedanken zu fliegen und eines Tages traf sie einen anderen Mann, ganz zufällig und sie kamen ins Gespräch und trafen sich wieder und sie sprachen von der Liebe, da sagte er eines Tages „Die wirklich wichtigsten Dinge im Leben sind alle unbezahlbar, das Einzige was zählt, kannst Du niemals kaufen, denn das ist die Liebe. Jedes Unheil lässt sich durch sie mildern und ertragen, keine Last ist für sie zu schwer und kein Schmerz zu groß, sie überwindet alle Zeit und alle Grenzen, sie wird größer, je mehr Du davon gibst. Unendlich.“ Und sie sah ihn an und fühlte sich verstanden und sie antwortete „Und am Himmel leuchten in klaren Nächten unendliche viele Sterne, ein jeder ein Zeichen von Hoffnung und Zuversicht. Hast Du einmal versucht, die Sterne zu zählen? Nein? Schau, so ist es mit der wahren Liebe, sie ist so unendlich wie es die Sterne am Himmel sind.“ Und sie nahmen einander in den Arm und hatten sich gefunden“

Aus diesem Traum erwachte die junge Frau unter der Eiche und rieb sich die Augen. „Großmutter Eiche“ sagte sie, „ich danke Dir für Deine Gedanken und für Deine Worte“, sie neigte den Kopf und ging in Gedanken versunken heim.

Ja, sie hatte einfach Angst, Angst sich einzulassen, Angst wieder verletzt zu werden, Angst sich zu geben, Furcht wieder einmal enttäuscht zu werden. Das war nicht recht, merkte sie bei sich, denn ich nehme mir mein Glück selbst. Was habe ich denn zu verlieren? Nichts mehr, denn ich bin ja allein, ich kann doch nur gewinnen, und wenn nicht, auch davon wird die Welt nicht untergehen, aber wenn ich nichts tue, dann werde ich auch nichts gewinnen können, und lohnt sich nicht jeder Einsatz für die wahre Liebe? Das waren Gedanken, die sie sich lange nicht getraut hatte zu denken und so kam sie heim.

Und siehe, die Gedanken bewegten ihr Herz und plötzlich fielen die Fesseln, die sie sich auferlegt hatte, langsam eine, nach der anderen, auch ihre Augen begannen zu leuchten und ihr Lächeln wurde inniger und fröhlicher und sie begegnete der Welt um sich herum wieder mit Freude und Zuversicht und dem Glauben daran, das alles einen tiefen Sinn hatte.

Und als einige Zeit vergangen war, da traf auch sie einen Mann, einen, der auch seine Geschichte mit sich trug und seine Verletzungen pflegte und sie hatte die heitere Gelassenheit, ihn zu trösten und sagte zu ihm „Weine wenn es an der Zeit für Tränen ist, weine, so lang Du magst und soviel, wie Du brauchst, alle Tränen dieser Welt sind einmal zu Ende geweint und dann schlafe eine lange Weile, denn Weinen macht unendlich müde. Und dann, wenn der neue Morgen heran gekommen ist, wirst Du auch die Kraft haben, Deinen Kopf wieder zu erheben und Dein Blick wird klar und hell sein und die Schönheit des neuen Tages sehen und voll Hoffnung auf das sehen, was vor Dir liegt und sich Dir bietet und dann kommt auch wieder die Zeit für die Liebe.“

Er sah sie an und sagte „wirklich, ich fühle mich verstanden von Dir und ich habe das Gefühl, Du willst gar nichts von mir?“ „Was soll ich von Dir wollen“ fragte sie staunend, „alles ist gut, so wie es ist, oder?“ Und er nahm sie in den Arm, sah ihr in die Augen und sagte, „ich will schon etwas, Dich lachen und weinen sehen, Dich glücklich machen und immer bei Dir sein, Dich will ich, so wie Du bist.“ Sie lachte wieder und sagte „Ja, das will ich auch, aber all das kann ich Dir nur geben und schenken, ich kann es nicht fordern, genauso wenig wie Du es fordern kannst, Du kannst es mir nur schenken, mehr nicht.“ Und er wusste, sie hatte recht, es gab keine Forderungen, nur Gaben aneinander und beide spürten, das sie jetzt, so viele Jahre später in ihrem Leben, nach so langen Jahren der Suche, die wirkliche Liebe gefunden hatten, und darüber waren sie unendlich glücklich.

Noch oft dachte die junge Frau an den Traum unter der alten Eiche und behielt ihn für immer in ihren Gedanken, denn er hatte sie aufgeweckt und ihr den Mut gegeben, sich wieder fallen zu lassen und zu glauben. Denn das muss ein jeder tun, Mut haben und sich fallen lassen in der Gewissheit, fehl zu landen, oder die Liebe zu treffen ...und glauben.

Und jedes Mal, wenn sie in einer sternenklaren Nacht den Himmel ansah, dann hörte sie die Worte aus ihrem Traum : „Und am Himmel leuchten in klaren Nächten unendliche viele Sterne, ein jeder ein Zeichen von Hoffnung und Zuversicht“ sie versuchte nie sie zu zählen, aber sie wusste, es waren unendlich viele Sterne der Liebe.

07.03.2008 12:15 • #1


B
Wunderschön. Und wahr?!

07.03.2008 14:50 • #2




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