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Ein verzeihender Rückblick auf meine Affäre

S
Zitat von Solskinn2015:
Die Realität sieht so aus, dass das dt. Familienrecht irgendwo in dem 60er 70er Jahren mehr oder weniger stehengeblieben

Ja, das ist auch so ein Skandal. Das Familienrecht ist stehen geblieben, das Scheidungsrecht aber nicht. Meine Generation von Frauen ist davon leider in doppelter Weise betroffen. In meiner Generation gibt es ja noch viele Frauen, für die es selbstverständlich war, zugunsten ihrer Kinder den Beruf aufzugeben. Mich zähle ich mal nicht dazu, denn mir war das damals ja ganz recht so. Aber es wäre anders auch gar nicht möglich gewesen. Der Kindergarten ging damals von 8 bis 12 Uhr. In der Schule befand sich der offene Ganztag gerade erst im Aufbau und lief entsprechend chaotisch. Ohne Großeltern oder ander helfende Angehörige war eine Berufstätigkeit der Mutter so gut wie unmöglich. Zumal die Kinder ja auch mal krank werden, unser Kind natürlich besonders häufig aufgrund seiner Grunderkrankung. Ja und dann waren da noch die 12 Wochen Ferienzeiten, die wir ohne Oma und Opa niemals überbrückt bekommen hätten. Die standen für uns aber nicht zur Verfügung aus diversen Gründen.

Als wir dann getrennt waren, wurde mir bewusst, was der Verlust meines Berufes auch finanziell für mich bedeuten würde. Ich hatte zwar inzwischen meinen Hilfsjob, wurde aber nach Pflegemindestlohn bezahlt. Trennungsgeld hätte ich noch bekommen, nachehelichen Unterhalt aber nicht. Das hätte bedeutet, dass ich nah an der Armutsgrenze hätte leben müssen. Ich hätte das irgendwie geschafft, schön wäre dieses Leben aber nicht geworden. Auch hätte ich unserem Sohn nichts zu bieten gehabt, so dass er wirklich bei seinem Vater besser aufgehoben war. Und das nach zig Jahren, in denen ich die Haupterziehungsarbeit geleistet hatte und meinem Mann den Rücken für seine Karriere freigehalten habe. Solche Gesetze können nur Männer gemacht haben, die sich ihren verbeamteten Hintern im Plenarsaal platt gesessen haben. Da bin ich wirklich immernoch sehr wütend drüber. Einer jungen Frau könnte ich meinen Weg heute nicht mehr empfehlen. Die sind gut beraten, weiter zu arbeiten, egal wie. Zum Glück sind die jungen Väter da inzwischen auf einem guten Weg und unterstützen viel mehr als es in meiner Generation noch üblich war. Luft nach oben ist da aber bestimmt noch.

17.04.2023 07:35 • #256


S
Zitat von HerrZ:
Nicht alles ist zu verstehen, manchmal muss man einfach akzeptieren.

Vielleicht bin ich da als naturwissenschaftlich ausgebildete Ingenieurin einfach überfordert. Ich will alles verstehen. Bei mir landet alles unter dem Mikroskop, leider. Oft ist das gut und hilfreich, in punkto Vergangenheitsbewältigung aber leider nicht.

Auch das Verhalten meiner Eltern habe ich verstehen wollen, indem ich ihre Geschichte aufarbeitete. Sie gehören ja zur Generation der Kriegskinder. Mein Vater ist in schlimmer Armut groß geworden, weil sein Vater im dritten Reich den Beruf aufgeben musste. Meine Mutter hat Flucht und Vertreibung erlebt. Das hat auch ihren Erziehungsstil natürlich geprägt. Leider in negativer Weise. Beide waren sehr streng. Schläge gab es auch manchmal, wobei ich da besser weg gekommen bin, als meine Schwester. Am schlimmsten waren für mich aber die ständigen verbalen Abwertungen durch meinen Vater. Ihm konnte ich nie etwas recht machen, dabei hätte ich mir so sehr gewünscht, ihn stolz zu machen. Ich denke, das war ein Folge seiner eigenen Sozialisation, die er aber nie wirklich aufgearbeitet hat.

Ebenso war es bei meiner Mutter. Sie hatte während der Flucht schlimmste Traumata erlebt, wie ich viel später erst erfahren habe. U.a. wurden sie und ihre Schwestern mehrfach vergewaltigt. Die Folge war eine sehr körperfeindliche und S. Grundhaltung, die sie an uns weitergab. Auch hatte sie durch die Hungerjahre eine Einstellung zu Nahrung, die absolut nicht gesund war. Alles das gab sie ungefiltert an uns weiter, leider.

In dieser Beziehung hat es mir geholfen, aufzuarbeiten und zu verstehen. Nur so konnte und kann ich vieles inzwischen verzeihen. Von anderem habe ich gelernt, mich abzugrenzen und die Schuld bzw. Verantwortung da zu lassen, wo sie hingehört, bei meinen Eltern. Insofern war meine erste Therapie sehr hilfreich. Ich hoffe, die zweite wird andere Dinge aufarbeiten und heilen können.

17.04.2023 07:51 • #257


A


Ein verzeihender Rückblick auf meine Affäre

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Heffalump
Zitat von shedia11:
Luft nach oben ist da aber bestimmt noch.

bei dir aber auch. Nicht das System ging fremd. nicht das System brachte dich zu x Nicks in x Versionen des Erlebten und es ist zu dem schon verjährt.

Du hast Mist gebaut, reichlich. Gibs endlich zu.

Und dann lerne es auch, das dieses zu dir gehört, wie Nase, Auge, Mund.
Es ist deine Geschichte.

Frage, was planst du für die Zukunft? Oder lebst du die nächsten x Jahre weiterhin in deiner unrühmlichen Vergangenheit?

17.04.2023 07:54 • x 3 #258


S
Zitat von Heffalump:
Du hast Mist gebaut, reichlich. Gibs endlich zu.

Ach Heffalump, das habe ich doch schon mehrfach und reichlich. Ja, ich habe riesigen Mist gebaut und bereue dies auch ohne deine freundliche Aufforderung zutiefst. Nur rückgängig machen kann ich es leider nicht.

Zitat von Heffalump:
Frage, was planst du für die Zukunft? Oder lebst du die nächsten x Jahre weiterhin in deiner unrühmlichen Vergangenheit?

Nein, ich hoffe nicht. Zum einen warte ich ja auf einen Therapieplatz. Mit dieser Hilfe hoffe ich, dass ich dann nicht mehr das Verlangen habe, euch weiter zu belästigen. Zum anderen werde ich meine Ehe weiterführen und für meinen Mann und unser Kind da sein, so gut ich eben kann. Unser Kind ist inzwischen erwachsen und braucht mich nur noch hin und wieder als Ratgeberin und Anlaufstelle, wenn er sich mal ausruhen möchte. Dann bekoche und betüddel ich ihn, bis es ihm wieder reicht und er hoffentlich gestärkt zurück ins raue Leben gehen kann.

Mein Mann und ich gehen inzwischen auf die Rente zu. Eigentlich hatte ich gehofft, wir könnten dann die Welt bereisen und es uns gut gehen lassen. Danach sieht es aber leider nicht aus. Zum einen hat sich die Situation in der Welt ja dramatisch verändert, so dass wir mit gutem Gewissen z.B. keine Flugreisen mehr machen. Auch ist das Leben natürlich teurer geworden und es stehen Investitionen in und an unserem Haus an, damit es den neuen Anforderungen entspricht. Fotovoltaik und Wärmepumpe kosten ja Unsummen, aber auch kleinere Energiesparmaßnahmen werden unser Portemonnaie sehr belasten. Ja, und dann gibt es da ja noch unsere gesundheitlichen Probleme, die vor allem meinen Mann in den letzten Jahren doch ziemlich heimgesucht haben. Da kommt noch einiges auf uns zu und besser wird das alles ja nicht mehr. Das wars dann also mit unseren Träumen von Südseestränden und Dolce Vita. Aber auch das werden wir schon schaffen. An der Nordsee ist es ja auch schön.

17.04.2023 08:10 • x 2 #259


Heffalump
Deinen letzten Absatz, finde ich richtig gut. Es ist schön, das du trotz aller Widrigkeiten auch ein bisschen von deinem Jetzigen Ich zeigst.

17.04.2023 08:27 • x 2 #260


S
@Heffalump Danke! Ja, ich bin eigentlich nicht das Monster, als das man mich hier wahrnehmen wird. Was ihr hier lest, sind meine inneren Konflikte, die ich inzwischen ganz gut im Zaum halten kann. Nach außen hin funktioniere ich inzwischen wieder tadellos. Nur lasse ich mir eben nicht mehr alles bieten.

Ich distanziere mich z.B. von Menschen, die mich auslaugen und trage dafür die Konsequenz, dass unser Leben immer ruhiger und auch einsamer wird. So werde ich z.B. auch meinen Kontakt zu einer Freundin zurückfahren, die ich seit Kindertage kenne, die mich aber eigentlich nur noch benutzt.

Auch in der Nachbarschaft hat mein neues Selbstbewusstsein in der Vergangenheit schon zu Reibereien geführt. Wir wohnen ja in einer engen Reihenhaussiedlung. Die meisten Nachbarn sind in unserem Alter und es gibt noch sehr viele Nur-Hausfrauen hier. Wobei ich die wirklich nicht herabwürdigen will. Ich teile ja ihre Geschichte und konnte mich nur durch Zähigkeit und durch Inkaufnahme von sehr vielen Abstrichen wieder zurück ins Erwerbsleben kämpfen. Aber ich nehme für mich das Recht in Anspruch, nach Feierabend einfach mal in Ruhe im Garten einen Kaffee zu trinken, ohne von ihnen belästigt zu werden. Das stieß aber auf wenig bis gar kein Verständnis, so dass ich mich gezwungen sah, dies etwas deutlicher zu formulieren. Die Folge: Kontaktabbruch außer der Ansage der Tageszeit, wenn wir uns sehen.

Zuerst hat mich das sehr belastet und traurig gemacht, denn mit einigen dieser Frauen war ich fast sowas wie befreundet. Dachte ich jedenfalls. Inzwischen aber ärgert es mich nicht mehr. Ohnehin hoffe ich meinen Mann bald überreden zu können, das Haus entweder unserem Sohn zu überschreiben oder zu verkaufen und uns eine seniorengerechte Wohnung zu suchen. Die Erhaltung und Pflege von Haus und Garten überfordert mich jetzt schon. Das wird in Zukunft bestimmt nicht einfacher. Ja und wenn wir wegziehen, werden die Kontakte sich sowieso von alleine lösen. Da mache ich mir nichts vor.

Bis dahin aber will ich unseren Garten auch noch ein bisschen genießen und werde mich wehren, wenn auf der anderen Seite des Zaunes täglich gegrillt wird und der Rauch uns einen Aufenthalt unmöglich macht. Auch werde ich nicht mehr dulden, dass sich die Nachbarinnen ihr Gequatsche von Zaun zu Zaun quer über meinen Liegestuhl hinweg schreien, sondern werde sie höflich bitten, sich doch einfach zusammen zu setzen. Es interessiert mich nämlich schlicht nicht, was die sich zu sagen haben. Ich habe mit mir selbst und meinem Leben genug zu tun. Ebenso werde ich meinen wunderschönen Kirschbaum nicht mehr herunter stützen, damit der hässliche Sommerflieder nebenan Licht bekommt. Hört sich spießig an? Ja, willkommen in meinem Leben!

17.04.2023 08:49 • #261


Heffalump
Zitat von shedia11:
Ich distanziere mich z.B. von Menschen, die mich auslaugen und trage dafür die Konsequenz, dass unser Leben immer ruhiger und auch einsamer wird. So werde ich z.B. auch meinen Kontakt zu einer Freundin zurückfahren, die ich seit Kindertage kenne, die mich aber eigentlich nur noch benutzt.

Ich mache das auch so - und es ist deutlich besser geworden. Alles was nicht gut tut - kann weg.

Und Nachbarn kann man sich leider nicht aussuchen. Egal ob Haus oder Wohnung.
Wer weiß schon, wie arm deren Leben ist, wenn sie sich abends in deinen kleinen Garten einladen. Ob es Ihnen noch gegönnt ist, selbst mit dem Ehepartner auf der Terrasse zu sitzen, einen kühlen Schoppen zu genießen und einfach still den Grillen zu zuhören.

Wenn du das haus überschreibst, willst du dann dort leben bleiben? Es gibt ja das Nießbrauch-Recht - welches dir aber der Notar, der die Überschreibung vornimmt - bestimmt besser als ich erklärt.

17.04.2023 08:56 • x 1 #262


S
Zitat von Heffalump:
Wenn du das haus überschreibst, willst du dann dort leben bleiben?

Auf keinen Fall. Das Haus ist toll für junge Familien. Im Alter ist es ein Fluch, denn man verbraucht viel Zeit mit Putzen und viel Energie zum Heizen. Auch ist die anstehende Sanierung einigermaßen aufwendig. Nein, wir werden in eine hübsche, ruhige Gegend ziehen und das zur Miete. Hausbesitzer zu sein, ist heute nicht mehr erstrebenswert. Es wird Unsummen kosten, unser Haus zukunftstauglich zu machen und ich will nicht auf einer Dauerbaustelle wohnen. Nein, entweder wir selbst oder unser Sohn wird es verkaufen oder vermieten. Er wohnt ja lange schon nicht mehr in unserer Stadt sondern einige Autostunden entfernt. Wenn möglich werden wir es an eine junge Familie abgeben, die es gut nutzen kann und für seine Erhaltung und Sanierung sorgt. In den Garten gehört Kinderlachen und in die Zimmer muss wieder Leben einkehren. Für uns ist es zu groß geworden.

17.04.2023 09:06 • x 2 #263


Heffalump
Reihenmittel - oder Endhaus?

17.04.2023 09:14 • #264


S
Zitat von Heffalump:
Reihenmittel - oder Endhaus?

Mittelhaus leider. Aber somit in einem Budget, dass sich auch heute noch junge Familien leisten können müssten. Das ist wiederum ein Vorteil. Die freistehenden Einfamilienhäuser im Speckgürtel der Stadt kann man ja kaum noch bezahlen.

17.04.2023 09:14 • #265


B
Zitat von Insider:
Sie bekommt hier genau das, was sie möchte und so nötig braucht,

Toll. Dann hat das Forum doch genau seine Bestimmung erfüllt. Ein schöneres Kompliment gibt es kaum.

17.04.2023 09:15 • #266


Heffalump
Zum renovieren ja nicht ganz so teuer, als wenn es Endhaus wäre.
Du musst nur Vorder - bzw. Rückseite sanieren. bzw, der neue Besitzer.

Aber das weißt du bestimmt, ohne das ich da viel zu erwähne

17.04.2023 09:17 • #267


S
Zitat von Brightness2:
Toll. Dann hat das Forum doch genau seine Bestimmung erfüllt. Ein schöneres Kompliment gibt es kaum


Das sehe ich allerdings auch so. Wenn man nichts von seiner Energie geben will, warum schreibt man dann als Kommentator in einem solchen Hilfe- Forum? Das verstehe ich nicht!

17.04.2023 09:18 • x 1 #268


Heffalump
Jeder hat gründe - und nicht alle sind sofort schlüssig erkennbar.
Du weißt das doch selbst

17.04.2023 09:20 • #269


S
Zitat von Heffalump:
Zum renovieren ja nicht ganz so teuer, als wenn es Endhaus wäre.
Du musst nur Vorder - bzw. Rückseite sanieren. bzw, der neue Besitzer.

Aber das weißt du bestimmt, ohne das ich da viel zu erwähne

Nein, aber es wird schwierig werden, eine Wärmepumpe zu installieren und es gibt leider wenig Platz für eine Fotovoltaik. Auch müssten alle Heizkörper durch eine Fußbodenheizung ersetzt werden. Was das bedeutet, muss ich dir nicht sagen. In einem bewohnten Haus fast unmöglich. Dazu muss es einmal komplett leer geräumt werden. Tja und dann muss noch eine Wallbox in die Garage gelegt werden und neue Fenster braucht es auch. Ich will das alles nicht durchmachen müssen. Aber klar, es ist alles erschwinglich und machbar für ein Doppelverdiener-Ehepaar und wenn dann noch Eigenleistung möglich ist, weil man handwerklich begabt ist, umso besser. Wir sind dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage.

17.04.2023 09:23 • #270


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