Zitat von vilrum:Ich frage mich, welche Rolle möchte ich haben. Der sichere Hafen sein, wo sie reumütig zurückkehrt, oder der wilde Schiff für die leidenschaftlichen Stunden des Lebens, an die man wehmütig erinnert. Sehnsuchtort oder Heimat.
Ich möchte keine von beiden. Wenn, dann nur beide zugleich: nicht mehr und nicht weniger.
Zitat von vilrum:Wie bei den Film Die Brücken am Fluss. Obwohl die Schlüsselszene am Ende auf die Entscheidung der Frau gespitzt ist, als Mann frage mich letzter Zeit öfter, in welchem Auto möchte ich sitzen.
In den letzten Tagen habe ich viel über diesen Film nachgedacht. Nicht wegen dem Thread hier, den habe ich gerade erst wiedergefunden, als ich schließlich in der Forensuche nach Brücken am Fluss schaute. Sondern weil ich morgens momentan immer an einem Stück Land vorbeijogge, das mich an eine abendliche Szene aus eben diesem Film erinnert.
Als Mann würde ich jemand wie Francesca
nicht begegnen wollen - weder als Ehemann Richard, noch als Lover Robert. Sie ist nicht nur ein Gefühlsmensch, sondern auch ohne eigenen Plan für ihr Leben. Im Grunde wiederholt sich mit Robert das, was zwei Jahrzehnte zuvor zwischen ihr und Richard abgelaufen war: Sie projiziert ihre (wie auch immer gearteten, denn einen Plan hat sie ja nicht) Jungmädchenträume und Hoffnungen auf ihn - und hofft, daß er ihr Glücksbringer ist. Damit übergibt sie ihm die Verantwortung dafür, statt sie dort zu lassen, wo sie hingehört: Bei sich.
Vermutlich war sie überhaupt nur mit diesen beiden Männern zusammen. Was Richard und die Idee vom Farmleben mit ihm betrifft war sie mittlerweile ernüchtert; mit Robert wiederum kam sie gar nicht erst über 24/3 hinaus und hatte insofern auch nie Gelegenheit festzustellen, ob es wirklich Liebe oder nur ein Verliebtheitsrausch war, der sie da so plötzlich überkam. Gut möglich, daß sie sowas bis dato auch noch nie erlebt hatte. Heutzutage haben die meisten das mit 20 hinter sich und sich auch ausgelebt diesbezüglich. Das ist zwar weniger romantisch, aber dafür schärft es den Realitätssinn...
Meines Erachtens war diese Affaire wenig alltagstauglich. Schon in den Lebensläufen der beiden zeigt sich deutlich ihre mangelnde Kompabilität. Für die paar Tage auf der Farm mag es genug zu reden und beizuschlafen gegeben haben. Aber Robert war ein klassischer Junggeselle, der
sein Fotografie- und Weltenbummlerding voll durchzog - und zwar aus
eigener Planung und Kraft. Francesca hingegen hatte (immer noch!) keinen
eigenen Plan, was
sie wirklich wollte - außer,
ihm zu folgen und
ihn machen zu lassen. Genau wie damals in Italien, als ihr der GI Richard begegnet war.
Sie stammte aus Bari - ein Kaff, das bis heute keine 3000 Einwohner hat. Italien war 1945 noch ein katholisches, erzkonservatives Land und man kann getrost davon ausgehen, daß es für eine äußerlich und intellektuell unscheinbare Frau wie sie einem Greencard-Lotteriegewinn gleichzukommen schien, den US-Soldaten Richard am Haken zu haben, der sie dann auch tatsächlich mit sich auf seine Farm in Iowa nahm. Natürlich gab es damals noch kein Internet, aber gerade von einer Lehrkraft hätte ich mir schon erwartet, daß Francesca sich zumindest erst mal ein wenig über Iowa informiert, um zumindest eine Idee davon zu erhalten, wie man dort so lebt - und sei es, daß sie Richard gründlich dazu befragt, wenn sich über den Buchhandel schon nichts machen läßt. Aber nein: Sie folgte ihm blind dorthin - um sich zwanzig Jahre später gleich beim ersten Abendessen mit Robert darüber auszulassen, wie eintönig das Landleben dort letztlich sei und daß ihre Hoffnungen sich nicht wirklich erfüllt hätten.
Was für Hoffnungen
hat man denn, wenn man einem Bauern in sein Kaff im mittleren US-Westen folgt? Also jenseits von:
- eine gesunde und zufriedene Familie zu gründen,
- sich gesund von dem ernähren zu können, was man selbst herstellt,
- viel mit Pflanzen und Tieren umzugehen,
- eine freundliche Ortsgemeinde vorzufinden, so daß man auch über die Kernfamilie hinaus noch ein paar Kontakte hat
- in einem Land leben zu dürfen, wo seit über 100 Jahren keinerlei Krieg mehr auf eigenem Boden auszuhalten war?
Hat Francesca ihre Hoffnungen irgendwo im Film mal konkretisiert? Ich erinnere es jedenfalls nicht...
Irgendwann wäre auch bei Robert und ihr der Alltag eingekehrt. Vermutlich sogar noch rascher als seinerzeit bei Richard. Denn Robert hätte sich weitaus mehr daran gewöhnen müssen, jetzt eine Frau in
seinem Leben zu haben, die er mitfinanzieren und irgendwie in sein bis dato völlig freies Leben integrieren muß. Also eigentlich genau das, was
er nie wollte - sonst
hätte er längst so gelebt.
Francesca wiederum hatte vom ersten Moment an mit Minderwertigkeitskomplexen ihm gegenüber zu kämpfen. Nun bin ich nicht der Meinung, daß Land- oder Hausfrauen (oder in ihrem Fall beides) per sé weniger wert sind als Stadtfrauen, die eigene Karrieren hinlegen. Also als Menschen, meine ich. Doch hier geht es ja um die Frage, ob sie sich als Partnerin
speziell für einen Mann
wie Robert geeignet hätte.
Meine Antwort ganz klar: Nein. solchen Next-Beziehung hätten genau zwei entscheidende Dinge gefehlt: Echte Nähe (inkl. Offenheit und Vertrauen) und inspirierende Kommunikation.
Nähe: Gerade Robert hätte doch aus erster Hand gewußt, daß sie ein Schmetterling ist, der einfach weiterflattert, sobald eine Blüte leergetrunken ist und die nächste sich am Horizont zeigt: Vertrauensbildend ist das nicht wirklich. Er hätte ja nicht mal sicher sein können, ob sie die nächste Blüte nicht im gemeinsamen Apartment zu trinken beginnt, während er irgendwo in Afrika unterwegs ist, um Bilder für dessen Miete zusammenzuschießen... und schon gar nicht, ob sie ihm je eröffnen wird, das ihr Herz längst woanders hängt, statt ihm weiter freundlich ins Gesicht zu lächeln und so zu tun, als sei alles in Ordnung. Nichts anderes hat sie ja dann mit Richard noch jahrelang getan, nech?
Kommunikation:Spätestens wenn nach ein paar Monaten der Testosteronrausch vorüber und alle gemeinsamen Gesprächsthemen durchgekaut sind, hätte er sich mit ihr nicht nur gelangweilt, sondern sie vermutlich sogar als Ballast empfunden.
Nun werden einige sicher sagen: Aber sie hat doch geweint, als Jahre später die Kamera mit der Post kam. Zeigt das nicht, daß sie ihn immer noch liebte - und er sie umgekehrt auch?
Hab' ich auch lange so gesehen. Inzwischen bin ich überzeugt: Nein, es zeigt allenfalls, daß beide sich weiter an ihre Träume geklammert hatten - von einer Liebe, vor deren Umsetzung sie sich damals ebenso gescheut hatten wie nach dem Tode Richards. Warum sonst hatte Robert beim Abschied nicht mal eine Rufnummer hinterlassen? Francesca konnte ihn nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr erreichen.
Hätte sie nie wieder von Robert gehört, so wäre offen geblieben, ob er nicht doch noch das Glück fand, einer anderen Frau zu begegnen, für die er so empfinden konnte wie für Francesca in diesen wenigen Erstverliebtheitstagen. Im Klartext: Während sie noch immer auf der Farm sitzt und sich an die Vorstellung klammert, eine echte Liebe aufgegeben zu haben, hätte er sie womöglich eben doch noch vergessen. Diese Option bestand von dem Moment an dem er die Stadt schließlich verlassen hatte.
Durch das Zusenden der Kamera und die Verfügung, seine Asche über den Brücken ausstreuen zu lassen wurde klar, daß Robert zumindest diesem Gedanken nachhaltig entgegenwirken wollte. Ob er de facto nicht doch nochmal andere Beziehungen eingegangen war und mehr Testosteronräusche erleben durfte - das wissen wir letztlich nicht. Ist vielleicht auch besser so.
Ich fand den Film klasse - immer noch. Aber ein Liebesfilm ist es in meinen Augen nicht. Eher einer darüber, was für ein Abgrund jeder Mensch doch ist - und wie wenig man gerade solchen Leuten trauen kann und sollte, die besonders brav zu wirken wissen.