Hallo liebe Mitleser,
mir schwirren zur Zeit so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich sie einfach loswerden möchte. Hier gibt es so viele gute Beiträge, mit denen man sich von unausgesprochenen, verborgenen Worten und Empfindungen nur durch bloßes Lesen ein Stück weit befreien kann. Zumindest mir aber bleibt ein gewisser Drang immer bestehen, den, egal wie viel ich rede und lese, nicht bändigen, ja nicht wirklich begreifen kann. Der Drang nach Glück und Ausgewogenheit, (Selbst-)Zufriedenheit, der Drang nach dem Gefühl: Alles ist genau so wie es sein soll, alles ist gut.
Ich habe so viel gegrübelt, habe versucht, meine Emotionen zu verstehen, mein Herz zu finden, hinter mich selbst zu schauen. Ich bin kein religiöser Mensch, habe Vergessen dem Vergeben stets eher vorgezogen und mich selbst damit lieber verdrängt, als mir zuzuhören.
Ich musste dieselbe Erfahrung erst immer und immer wieder machen, bis ich begriffen hab, warum ich denselben Schmerz immer und immer wieder zu ertragen hatte. Ich stellte mir immer wieder dieselben Fragen, ohne dass ich darauf überhaupt Antworten wollte. Und sie quälten mich vom Aufstehen bis zum Zubettgehen und selbst im Schlaf träumte ich davon. Warum passiert mir das? Warum bekomme ich nicht das von ihr, was ich brauche? Bin ich nicht liebenswürdig? Bin ich nicht so gut wie andere? Hat sie kein Herz? Warum ist das Leben so ungerecht?
So gut wie jeder stellt sich diese Fragen, wenn man sich von einem geliebten Menschen trennen muss und in dieser Ausnahmesituation spielt nicht nur das Herz, sondern auch der Verstand verrückt. Man fühlt sich machtlos, hilflos, allein, überfordert mit der Welt und sich selbst und man verzweifelt.
Man möchte alles dafür tun, dieser Situation zu entkommen. Die einen stürzen sich gleich auf den nächsten Partner, die anderen klammern an Erinnerungen und versuchen ihren Partner mit allen Mitteln wiederzubekommen. Es werden Briefe geschrieben, Nachrichten versendet, Schuldzuweisungen aber auch Entschuldigungen formuliert. Es werden Kontaktsperren eingerichtet, Wiedersehen tunlichst vermieden. Der Partner wird (indirekt) darüber in Kenntnis gesetzt, wie gut oder schlecht es einem ohne ihn geht. Möglichst schnell muss man dem Schmerz entkommen, möglichst schnell soll der reisende Fluss, der einen erfasst hat, überwunden werden. Und das kostet Energie, enorm viel Energie. Mit dieser wird der Fluss aber nicht gebändigt. Man kommt zwar ans andere Ufer, aber in nicht allzu großer Entfernung tobt der Fluss weiterhin.
Man wähnt sich in Sicherheit und doch ist diese so fragil, dass manchmal ein Wort, ein Blick, eine Erinnerung oder die nächste Erfahrung ausreicht, einen wieder ins Wasser zu werfen. Und dann beginnt das Spiel erneut.
Ich habe diese Strategie unzählige Male verfolgt und bin jedes Mal wieder in diesen Fluss gestürzt. Jedes Mal wieder spürte ich Angst und Verzweiflung und ich hatte das Gefühl, mit jedem Mal würde es schlimmer. Umso mehr ich das Gefühl hatte, diesen geliebten Menschen besser und besser verstanden zu haben, ihn immer mehr zu lieben, desto brausender wurde der Fluss, wenn mir diese Liebe entzogen wurde.
Irgendwann hatte ich die Kraft aber nicht mehr, ans andere Ufer zu schwimmen und habe mich treiben lassen - von dem Schmerz, der Wut, der Enttäuschung, der Angst. Und ich bin nicht im Niemandsland verschwunden, sondern bei mir selbst gelandet.
Und dort angekommen wollte ich wissen, woher kommt der Schmerz, die Wut, die Enttäuschung, die Angst? Woher kommt das Gefühl der Einsamkeit? Geht es eigentlich noch um die Person, die ich dafür als Auslöser sah, oder doch nur um mich?
Das erste, was einem klar wird, wenn man seine Gefühle zulässt und sich selbst zuhört ist: das, was passiert ist, ist passiert. Es ist jetzt in diesem Moment genauso, wie es ist. Das klingt banal, ist es aber ganz und gar nicht. Denn, wenn einem das bewusst wird, dann bedeutet es, man hat die Situation akzeptiert. Dabei geht es erstmal nicht darum zu wissen, wieso und weshalb, sondern einfach um die Akzeptanz einer Tatsache. Warum ist das wichtig? Weil man zu Beginn der Trauer die Situation nicht wahrhaben will und man vom Wollen zur Tat schreiten, und die Wahrheit manipulieren will - durch Flucht oder Bedrängung des Partners, etc.
Hat man seine Gefühle akzeptiert, fällt es leichter, auch über den Partner nachzudenken. Ich kenne das Gedankenwirrwarr: auf die Idealisierung des Partners über alle Maßen folgt mal Hass, Wut, dann wieder Trauer, dann wieder unendliche Liebe und von vorn. Hin und Her und am Ende weiß man nicht, ob man seinen eigenen Stolz verrät oder seine Würde verliert. Man weiß nicht, ob das alles gerade gut oder schlecht ist, wie man denkt und man macht sich darüber Gedanken, ob es angemessen, richtig oder falsch ist, so zu denken oder zu fühlen. Man versucht den Partner als Ganzes einzuordnen und schafft es nicht, weil man von den ganzen unverarbeiteten Eindrücken erschlagen wird. Fakt ist aber: der Partner ist präsent und um ihn kreist sich im Moment alles.
Warum? Seien wir ehrlich zu uns selbst und pfeifen erstmal auf unseren Stolz und unsere Würde. Uns kann es egal sein, was andere Leute darüber denken, wie wir warum empfinden und wir sind niemandem Rechenschaft schuldig, auch nicht uns selbst. Wenn wir immer noch an dem Partner hängen, dann gibt es kein Gefühlstabu. Es gibt kein Gesetz, das uns verbietet, den Partner zu lieben, obwohl er uns vielleicht Schlechtes getan hat. Wir bauen uns damit nur Blockaden auf, die uns schaden.
Also fragen wir ganz ehrlich, fernab von jeder Rechenschaft und Schuldzuweisung: Was war es, dass ich so an meinem Partner liebte? Was fand ich so besonders an ihm? Und wir fragen uns ebenfalls ohne jegliche Rechenschaft und Schuldzuweisung: Was hat mich an ihm gestört und zuletzt fragen wir uns: Was habe ich mir gewünscht, was brauche ich? Und: Was brauchte mein Partner und was wünschte er sich?
Es ist fundamental wichtig, bei diesen Fragen eben nicht zu hinterfragen, wer wem etwas nicht bieten konnte, oder wer nun Schuld hatte, dass jeder sich so verhielt, wie er es tat. Das klärt sich alles von ganz allein und intuitiv.
Wir stellen uns den Partner vor und wir fragen uns nach dem Kerngefühl. Ist es noch positiv, ist es negativ? Es ist in den meisten Fällen positiv, denn genau das ist es, was den Schmerz verursacht. Und das ist okay. Es ist gut so. Und es ist umso besser, wenn man im Guten auseinander gegangen ist. Denn das Gefühl ist schön. Es ist ein warmes Gefühl und wir sollten froh sein, das auch so annehmen und spüren zu können. Es ist so viel besser, als die Enge in der Brust und so viel wertvoller zu behalten als Wut und Hass.
Denn dieses Wärmegefühl ermöglicht etwas ganz Wesentliches: zu vergeben. Sich selbst zu vergeben, aber auch dem Partner zu vergeben. Denn Vergeben heißt Akzeptieren und ermöglicht es, abzuschließen. Warum? Weil eure Emotionen durch Vergebung ausgeglichen werden. Hass und Wut gleichen gar nichts aus. Sie verdrängen und schließen nicht ab und werden mitgenommen. Und jeder Blick, jedes Wort, jede Erinnerung wird sie wieder hochkommen lassen. Immer und immer wieder.
Wie viel schöner ist es, zu wissen, einen Teil in eurem Leben positiv abgeschlossen zu haben? Die Person, die euch so viel bedeutet hat, positiv in Erinnerung behalten zu können? Sie als einen Teil von euch selbst bis in alle Zeit bewahren zu können. Immer mit dem warmen Gefühl im Herzen: hier war mal etwas Besonderes. Und es bleibt besonders. Dieses Gefühl erleichtert, denn es die Umkehr des Verlustes. Es ist ein Gefühl des Gewinns. Und der Gewinn ist sehr groß: euer Charakter stärkt sich. Freut euch eurer Fähigkeit, lieben zu können und ihr könnt eure Liebe genießen, ohne dass sie an Erwartungen geknüpft ist. Das ist Ausgewogenheit, das ist Glück! Fühlt euch weiterhin verbunden, wenn ihr es wart. Daran ändert sich nichts.
Was ich damit sagen will ist: wenn die Trennung frisch ist, dann nehmt euch Zeit für euch selbst und startet keine wilden Aktionen, die etwas bei eurem Partner bezwecken sollen. Packt euch selbst an, bezweckt etwas in euch selbst! Dann gibt es auch keine Fragen mehr bezüglich Kontaktsperre oder anderen Strategien.
In meinem Fall war genau dieses „Zu dem Partner Hinarbeiten“, was alles schlimmer machte. Ich habe genau dieselben Sachen gemacht, die ich weiter oben aufgeschrieben habe. Texte geschrieben, Kontaktsperren eingerichtet etc. Und nie hab ich mich „satt“ gefühlt. Bis ich endlich mir selbst zugearbeitet habe. Und dann stellte sich die Frage nicht mehr: „Schreib ich ihr, schreib ich ihr nicht? Vermeid ich ein Wiedersehen oder nicht?“. Nein, das spielt keine Rolle mehr. Ich habe nicht mal ihre Nummer gelöscht. Und ich bin stolz auf mich, dass ich sagen kann: ich sehe Bilder von ihr und denke mit Freude an die schöne Vergangenheit und nehme diese Freude mit in die Zukunft. Wie die Erinnerung an ein schönes Geschenk, das ihr als Kind bekommen habt. Ihr habt das schöne Gefühl, dass euch jemand etwas Gutes tat, ob das Geschenk tatsächlich noch in eurer Wohnung steht oder existiert spielt dabei doch gar keine Rolle.
Es geht auch nicht darum, euren Partner schönzureden und alle negativen Facetten auszublenden. Im Gegenteil. Vielleicht erkennt ihr auch, dass sich euer erster Eindruck nicht bestätigt hat. Vielleicht habt ihr euch geirrt. In jedem Fall aber habt ihr dazugelernt, über euch und den Menschen, der euch dazu brachte.
12.02.2016 15:50 •
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