Zitat:Ich habe die Möglichkeit, den anderen (neuen) Weg zu gehen - und davor hab ich gewaltig Respekt und kann Hilfe dabei gut gebrauchen und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir dabei helft.
Einen ersten Ansatz habe ich Dir gestern schon in Deinem Tagebuch-Thread versucht nahezubringen.
Da das offensichtlich zu abstrakt war (mea culpa!), hier nochmal am ganz konkreten Beispiel:
Dein Partner beschreibt und moniert ein wiederkehrendes Muster in Deinem Verhalten - nämlich dramatisieren, aus der Mücke einen Elefanten machen, alles bis ins Kleinste auseinandernehmen - Du selbst nennst es andauernd verstrickt sein in Gedanken und Gefühlen.
Deinen Partner stört dieses Muster sehr gewaltig, weil er das Bedürfnis hat bzw. die Notwendigkeit sieht, sich verstellen zu müssen, um nicht schon wieder ein Drama heraufzubeschwören. Keine wirklich gute Grundlage für eine Beziehung ... aber das weisst Du und möchtest es aus dem Weg räumen.
Gucken wir uns die Sache mal genauer an (Simplifikation: Bei jedem Ding die Frage stellen: Was ist es in sich selbst - was ist seine Natur? - Marc Aurel): In dem Du alles bis ins Kleinste auseinandernimmst, immer wieder durchkaust, hinterfragst und in Frage stellt, sabotierst Du Dich selbst. Das hat was (Selbst-)Zerstörerisches, was Selbstverletzendes - es verursacht Schmerz und Leid. Offensichtlich willst oder musst Du diese Schmerzen und dieses Leid haben. Das kann auch noch was von Strafe und Schuld haben - im Sinne von: Ich darf nicht glücklich sein (warum auch immer, aber das ist eine andere Frage).
Jetzt brauchen wir ein bisschen Lerntheorie: Ein Verhalten wird dann zu einer Gewohnheit oder einem Muster, wenn es positive Verstärkung erfährt, d.h. wenn positive Konsequenzen eintreten oder erwartete negative Konsequenzen ausbleiben.
Und jetzt die spannende Frage: Was hast Du Positives davon, wenn Du immer wieder zerstörst, wenn Du ständig hinterfragst, kritisiert, Dich selbst sabotierst? Welcher höhere Sinn kann dahinterstecken? Ja - die Frage ist paradox, aber die Antwort wird Dich bestimmt weiterbringen!
Und noch etwas: Dramatasieren bedeutet auch Inszenieren - sich in Szene setzen, sich eine Bühne geben. So eine dramatische Auseinandersetzung mit dem Partner ist ein eindrucksvolles Beispiel, wenn auch ein negatives. Auch der Umstand, dass Du Dich hier öffentlich im Forum mit Deinem Charme und Deiner Eloquenz mehr als so manch anderer inszenierst ist wahrscheinlich Teil dieses zweiten Musters. Bitte nicht falsch verstehen - keine Wertung, sondern nur eine Beobachtung! - Auch hierbei die Frage: Was ist die positive Konsequenz dabei?
So - und jetzt denke ich mal ein bisschen laut: Wie nennt man jemand, der im Licht der Öffentlichkeit für seine Sache, von er überzeugt ist, Schmerzen und Qualen erleidet? - Mir fällt da nur der Märtyrer ein.
Das was ich hier seit Tagen in Deinen Beiträgen lese, hat für mich in der Tat was von einem Martyrium. Und noch einen Schritt weiter: Es löst bei denjenigen, die es sehen bzw. lesen, etwas emotionales aus: Mitgefühl / Empathie, Anteilnahme, das Bedürfnis Trost zu spenden und/oder Hilfe zu geben. Und da sind wir schon meiner Ansicht nach schon sehr nah am Kern der Sache dran ... Sind das nicht die Bedürfnisse, die Du tief in Deinem Inneren hast? Die Bedürfnisse einer kleinen, zutiefst unsicheren Grace, die sich nach nichts mehr als nach Wertschätzung, Anerkennung, Geborgenheit, Wärme, Nähe und Zuneigung sehnt? - Warum braucht es dazu den zerstörischen Umweg über Dein Martyrium?
Und jetzt muss ich noch eins draufsetzen: Was zeichnet den Märtyrer noch aus? Durch das, was er tut, wird er gesehen, er beeindruckt, er wird für viele Menschen bedeutsam, er wird berühmt. - Musst Du Dich auf diese Weise so extrem von anderen bestätigen lassen? - Dem kann ich nur eins entgegensetzen (ohne gerade zu wissen, von wem ich es geklaut habe): Wir werden weniger wegen dem geliebt, was wir tun, als vielmehr dafür, wer wir sind - mit all unseren Schwächen und Fehlern.
Und jetzt zum Abschluss meine Empfehlung: Tu das, was Du Deinen Kindern gegenüber tust, auch mit Dir selbst! Kümmere Dich erst einmal um Deine eigene innere kleine Grace, die im Moment wahnsinnig leidet. Wenn Du Dir anschaust, was Deine Kinder brauchen, weisst Du im Grund auch, was Du selbst brauchst. Du liebst Deine Kinder doch auch bedingslos, mit all ihren Fehlern und Schwächen ... geht das auch mit Dir selbst?
Ich weiss, das war jetzt teilweise sehr offen und direkt - aber ich denke, Du kannst es aushalten