Es ist beruhigend, dich so zu sehen: Emotional aufgewühlt und dennoch in der Lage sachlich zu betrachten und zu beurteilen. Und was ich am meisten an dir mag ist, dass du zwar BEURTEILST, aber nicht VERURTEILST. Du suchst nicht nach Schuld, sondern du bist klug genug, dich nach und nach auf die Suche nach Ursachen zu machen. Und was die Betrachtung dieser Ursachen dann für Konsequenzen haben wird, zeigt die Zeit.
Zeit heilt übrigens keine Wunden, auch wenn eine Deadline im Spiel ist. Wunden heilen musst du selber, das ist deine wichtigste Aufgabe. Aber die Zeit spielt dir dabei in die Hände, sie hilft dabei herauszufinden, was dich verletzt und was du dagegen tun kannst.
Zitat:Das mit der Deadline ist wirklich eine gute Idee. Es würde mir, glaube ich, jede Menge Druck nehmen. Mein Geburtstag nächstes Jahr wäre genau 6 Monate nach seiner Trennung...mit dem Gedanken kann ich mich anfreunden.
Schön, dann hast du genau in diesem Moment so etwas wie einen Perspektivwechsel. Du hörst auf, ausschließlich Opfer des Geschehens zu sein und beginnst, die neu gewonnen Freiheit so zu nutzen, dass es für dich Vorteile bringen kann. Das geht gaaaanz langsam, aber ich bin sicher, dass es Fortschritte dabei geben wird.
Zitat:Dass er jetzt nicht klar denken kann, das weiß ich.
Die Ohnmacht, die man in solch einem Moment empfindet, ist kaum zu ertragen, denn schließlich hat er 46 Jahre lang in der Überzeugung gelebt sein Leben in der Hand zu haben, zu planen und diese Pläne auch zu vollenden.
Nun ist sein wichtigster Lebensplan plötzlich beendet worden, und zwar durch ihn selber. Und glaube mir, ich weiß wie sich diese Ohnmacht anfühlt.
Da er aber (so scheint es) eher ein Macher ist, der das Heft in der Hand behalten möchte, hat er ganz schnell die notwendigen Konsequenzen gezogen, dich informiert, sich getrennt und die neue Lebenspartnerin insoweit mit hinein genommen, dass sie eine Zweisamkeit planen. Die haben sie aber noch nicht. Und so werden sie sich im vielzitierten Alltag erst dann kennen lernen und bewähren müssen, wenn einige Zeit vergangen ist. Und erst dann entscheidet sich, ob aus dem, was die beiden da im Hauruckverfahren begonnen haben, auch so etwas wie Liebe werden kann, ob es alltagstauglich werden kann und tragfähig. Das weiß zur Zeit niemand, egal wie brutal er die Weichen stellt.
Zitat:Sie hat sich auch von ihrem Partner getrennt, dem jungen Glück steht also erstmal nichts mehr im Weg. Wobei sie wohl Zuhause auch gerade nicht wirklich viel Verständnis entgegen gebracht bekommt. Aber was die 2 daraus machen, das steht in den Sternen...und bringt mich auch gerade nicht wirklich um den Schlaf.
Beide haben zu kämpfen, ihren Plan so umzusetzen, dass nicht verbrannte Erde zurück bleibt. Und dabei kann der eine dem anderen wenig helfen, vor allem bei dem räumlichen Abstand.
Ich weiß auch, dass es ihm gerade nicht gut geht...obwohl er hinter der Trennung steht. Aber er sieht natürlich auch, was er da erstmal für ein Leid angerichtet hat. Jeder, mit dem er spricht fragt ihn, ob er sich das wirklich gut überlegt habe...ob er sich klar darüber sei was er verlieren könnte.
Auch dieses Erleben kenne ich sehr gut aus der eigenen Geschichte. Ich weiß aber auch aus unzähligen Begleitungen von Paaren in der Trennungszeit, dass der aktiv sich Trennende nicht weniger leidet als der Partner, der verlassen wurde. Denn er hat ja zusätzlich mit einer unüberschaubaren Zahl von Schuldgefühlen zu kämpfen, wenn er nicht völlig skrupellos ist. Die wollen angesehen, ernst genommen und bewältigt werden. Und jede Bemerkung eines (bis dahin) guten Freundes lässt einen über Rechtfertigung und Erklärung nachdenken. Da läuft man mit einem gewaltigen Rucksack durch die Weltgeschichte.
Das Risiko, dass ich mich von ihm abwende und irgendwann die Türe verschlossen ist geht er übrigens bewusst ein .Auch, dass die Chancen auf ein Happy End mit der Neuen eher gering einzuschätzen sind, ist ihm bewusst.
Bisher versucht er zwar Pläne zu machen, aber die bleiben oft im Versuch stecken. Wenn er Pragmatiker ist, findet er allerdings seinen Weg. Und dass deine Tür verschlossen bleiben könnte, musste ihm von der ersten Sekunde seiner Trennungsmitteilung klar sein. Vor allem, da es so scheint, dass du das alles sehr klar angenommen, erkannt und in Konsequenzen umgesetzt hast.
Zitat:Trotzdem sieht er keinen anderen Weg als die Trennung von mir. Er will jetzt einmal im Leben an sich denken...
Diese Formulierung ist in der MLC ebenso häufig, wie sie unzutreffend ist. Er hat sicher schon öfter im Leben an sich gedacht und man kann auch in einer guten Lebenspartnerschaft an sich denken. Man muss es sogar.
Zitat:Ich hoffe natürlich, dass er sich irgendwann doch wieder für mich entscheidet. Und ich hoffe auch, dass ich mich dann ebenfalls wieder für ihn entscheiden kann.
Ich möchte dich gern ermutigen, das, was du HOFFNUNG nennst, eher durch eine ganz besondere OFFENHEIT zu ersetzen. Denn Hoffnung bindet ebenso wie Liebe, Schuld und Hass binden. Du bist aber zur Zeit nicht gebunden, du bist FREI. Und du hast die einmalige Chance, diese Freiheit dazu zu nutzen, dein Leben wieder ganz neu zu gestalten. Dazu gehört auch die Möglichkeit, das unter besonderen Umständen mit ihm zusammen zu tun. Aber die Hoffnung ist besser in dem Bereich deines Fühlens aufgehoben, wo es darum geht, wieder GLÜCKLICH werden zu können. Hoffe also lieber, dass du wieder glücklich wirst, ob mit oder ohne ihn. Sei aber offen für alles, was nun auf dich zu kommt, Hauptsache es macht dich wieder glücklich.
Zitat:Ich habe damals gesagt: In guten wie in schlechten Zeiten...
Wir hatten wirklich jede Menge gute Zeiten, aber auch einige schlechte. das hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind.
Und darum spielt es auch keine Rolle, wer SCHULD am Status Quo sein könnte. Sondern ihr habt das, was jetzt vor euch liegt, gemeinsam erschaffen, ganz ohne Schuldzuweisung, jeder so, wie er/sie es konnte. Das hat euch jetzt in eine äußerst schwierige Situation gebracht. Die kann nun jeder für sich lösen oder vielleicht könnte ihr das sogar irgendwann gemeinsam. Hauptsache du bist offen für das, was auf dich zu kommt. Was ich aber noch erwähnen muss, dass dein Mann abseits jeder Schuld für das, was er da getan hat und tut, die VERANTWORTUNG übernehmen und tragen muss. Er bringt da Leid über die Menschen, die bisher die wichtigsten in seinem Leben waren. Un dafür trägt er die Verantwortung.
Zitat:Und ich sehe mich gerne im Spiegel an.
Der wichtigste Satz deines Beitrages. Denn du hast durch die Trennung keinen Cent an Wert verloren, du bist genauso wertvoll wie vorher, auch wenn du scheinbar im Leben deines Mannes wertlos geworden bist. Deinen Wert bestimmst du selber. Und dazu gehört eben vor allem dieser Blick in den Spiegel. Da mache ich mir wenig Sorge um dich.