Ihr Lieben da draußen,
ich habe mich erst kürzlich hier angemeldet, weil ich auf der Suche nach allen möglichen Hilfsmitteln bin, meinen Schock, Schmerz, meine Trauer über das Erlebte zu verarbeiten und einzuordnen und um zu lernen, mit meiner Hoffnung umzugehen.
Zunächst einmal habe ich viele Eurer Threads gelesen und musste feststellen, dass das, was mir passiert, vielen von Euch ebenso widerfahren ist. Es ist möglicherweise ein systematischer menschlicher Fehler, der Ehen und Partnerschaften immer wieder scheitern lässt. Bei meiner Ehe kann ich sagen, dass keiner von uns beiden das gewollt hat, wie es gekommen ist. Umso erschreckender ist es wohl, dass es so unausweichlich kommen musste:
Zunächst die lange Vorgeschichte:
Wir sind nun fast seit 30 Jahre verheiratet, haben erwachsene Kinder. Materiell fehlt es uns an nichts. Wir bewohnen ein schönes Haus, das wir selbst erbaut und gemeinsam bezahlt haben, unternehmen immer wieder schöne Reisen in die ganze Welt und sind gesund.
Beruflich lief es bei uns im Leben (einvernehmlich und leider alternativlos) wie bei Millionen anderen Paaren: Ich bin seit dem Beginn unserer Ehe arbeiten und Geld verdienen gegangen, konnte meine Ausbildung nutzen, um mich weiterzuentwickeln. Ich bin vorangekommen. Meine Frau wurde schwanger, gab ihren Job auf, gebar und erzog unsere Kinder und begann nach Jahren, sobald es halt möglich war, wieder stundenweise zu arbeiten, weil ihr das daheim sein so auf Dauer zu wenig war. Sie hoffte lange, einen echten beruflichen Wiedereinstieg zu schaffen. Es gelang ihr allerdings nicht, in einen entsprechenden Beruf zurückzufinden. Die Kindererziehung verlangte einen hohen Anteil ihrer Zeit und Kraft, also blieb ihr ein Sprung auf die sogenannte Karriereleiter versagt. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: sie wollte nicht zum Vorstandsvorsitzenden aufsteigen, sondern eine ihrer Ausbildung, ihres Alters und ihrer Intelligenz entsprechende Arbeit, die Raum für Entwicklung lässt. (Wir sind beide Ingenieure. Wenn man jahrelang nicht in seinem Beruf arbeitet, ist irgendwann der Zug abgefahren!)
Das ging viele Jahre so und wir hatten uns mit dieser scheinbar unabwendbaren Situation mehr oder weniger abgefunden. Es gab ja auch eine durchaus sehr positive Bilanz: unsere Kinder dankten uns die Zuwendung: bei ihnen ist alles perfekt gelaufen! Wir konnten uns das Haus und die schönen Reisen leisten, uns fehlte es an nichts – scheinbar.
Eines Tages beschloss meine Frau, doch noch einmal den Sprung zu wagen, was ich gern nach Kräften unterstützte. Sie fand eine Stelle, die ihrem Potenzial entsprach (außer der mageren Vergütung, was sie aber in Kauf nahm), und stieg dort mit Haut und Haaren ein. Mir verlangte ihr Einsatz höchsten Respekt ab. Sie arbeitete mit einem sehr hohen Einsatz, mit zunehmend sichtbarer werdendem Erfolg.
Auch mit dieser neuen Situation arrangierten wir uns, von außen betrachtet schien alles perfekt.
Im Sommer des vergangenen Jahres machte ich eine entsetzliche Entdeckung: meine Frau hatte ein Verhältnis mit ihrem knapp 20 Jahre älteren Chef. Ich war besinnungslos; Untreue war bei uns beiden immer ein unausgesprochenes No-Go gewesen. Ich musste oft mehrere Tage dienstlich weg, sie war allein zuhause. Nie gab es einen Zweifel daran, dass wir einander treu sein würden.
Wir hatten im Verlauf unserer Ehe auch Probleme, allerdings nach meinem (wohl falschen) Empfinden keine so gravierenden. Niemals zuvor hatte es bei uns Seitensprünge oder Affären gegeben.
Sie erklärte mir, dass es dazu nur kommen konnte, weil ihre Liebe zu mir in den letzten 10-15 Jahren immer mehr abgekühlt und nun faktisch nicht mehr vorhanden sei. Sie habe bei und mit mir das Lachen verlernt - und er hat es ihr wieder gegeben. Dass ihre Liebe zu mir nicht mehr da sei, ist ihr erst bei ihm klar geworden. Sie habe sich mit allen Fasern gegen das Gefühl gewehrt, weil sie nicht fremdgehen wollte.
Nach der Aussprache rechnete sie damit, dass ich sie sofort rausschmeißen würde. Ich konnte mich dazu nicht entschließen, wollte die Aufarbeitung, Versöhnung, den Neuanfang, gemeinsame Sucher nach der verschütteten Liebe. Wir sprachen lange über die Ursachen und wie es dazu kommen konnte.
Beide wollten wir unser gemeinsames Leben nicht wegwerfen. Ich verlangte allerdings von ihr, dass sie die Affäre sofort beenden müsse, was sie auch tat. Den gänzlichen Umgang mit dem Mann konnte oder wollte ich ihr nicht „verbieten“ (sofern man das überhaupt kann). Das hätte bedeutet, dass sie ihren Job hätte aufgeben müssen. Somit wäre sie wieder in dasselbe Loch zurück gefallen, was wir beide nicht wollten.
Nach einem halben Jahr, in dem wir viel miteinander sprachen, ich an meinen Zweifeln und meinem Misstrauen arbeitete und ackerte, ich alles besser als zuvor machen wollte, alle Fehler auf einmal korrigieren wollte, ich sie auch mit Liebe über- und vielleicht zuschüttete, wir auch einen sehr schönen Urlaub verbrachten, merkte ich allerdings, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich musste im Januar feststellen, dass die Beiden die Beziehung wieder aufgenommen haben. Wir hatten eine sehr traurige und ernste erneute Aussprache. Sie gestand alles und sagte mir, dass sie von dem Mann nicht loskommt, das habe sie im vergangenen halben Jahr versucht – ohne Erfolg. Zu mir gibt es im Moment nur freundschaftliche Gefühle, keine Liebe. Ob die Beziehung zu ihm trägt, müsse sie nun prüfen. Ein erneuter Abbruch der Beziehung von außen erzwungen werde nichts bringen, der könne nur erfolgen, wenn der Entschluss aus ihrem Innersten von selbst kommt.
Ihr werdet es nicht glauben, aber selbst jetzt bringe ich es nicht fertig, sie rauszuschmeißen. Ich habe ihr eine Bedenkzeit von einigen Wochen eingeräumt, in der sie sich nun endgültig entscheiden muss, ob sie die Beziehung aufrecht erhält und wir uns trennen oder wir einen weiteren Versuch zur Rettung unserer Ehe unternehmen. Sie hat diese Bedenkzeit angenommen. Ich weiß nicht, wie ihre Entscheidung ausfallen wird.
Mich bringt die Ungewissheit schier um.
Wir erleben beide gerade eine schwere Zeit, das „Zusammenleben“ ist mehr als schwierig, da wir beide gegenseitige Verletzungen vermeiden wollen, aber auch nicht so tun können, als ob alles in bester Ordnung wäre. Ich bin mir sicher, dass ihr eine Entscheidung sehr schwer fällt. Hätte sie die Trennung von mir absolut gewollt, wäre schon alles gelaufen. Andererseits kommt sie von dem Mann nicht los und bei dem Gedanken an die Zeit mit mir „danach“ werden ihr wohl auch mehr Probleme als Lösungen einfallen.
Ich will diese Zeit abwarten und hoffe, dass sie sich für mich frei entscheiden kann. Was eventuell danach kommt, ist nochmal eine andere Geschichte.
Um mein Hirn zu überlisten, halte ich mich momentan mit lesen, schreiben, Beruhigungsmitteln, Terminen beim Psychotherapeuten und Sport über Wasser. Es gibt nichts, auf das ich mich freuen kann, meine Arbeit schaffe ich mit äußerster Anstrengung, Gott sei Dank habe ich einen verständnisvollen Chef, den ich im Groben eingeweiht habe.
Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels. Mein innigster Wunsch ist, dass es im Tunnel eine Kurve gibt.
Das war meine überlange, traurige Geschichte. Danke Euch fürs Zuhören. Ich wünsche Euch und uns Glück und Geduld beim Lösen der Probleme. Es gibt nicht DIE einfache Lösung. Wenn jemand einen Tipp hat, freue ich mich aufs Feedback.
Schönen Sonntag, Ulle
06.03.2016 16:43 •
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