Liebe Vollmond, liebe Vegetari,
danke für Eure Nachrichten.
Man kann es betrachten, wie man will: von irgendeiner Seite ist es immer genauso, wie Ihr es beschreibt. Aber: ich bin kein passiver Mensch (mehr), der sich in seinem Leid und Depression verkriecht. Ich habe zunächst einmal gelernt, mit der Situation überhaupt zu leben, ohne irre zu werden, habe nach Orientierung in dieser Situation gesucht. Ich habe im Berufsleben wieder ruhiges Fahrwasser erreicht, mit meinem Chef (der ansatzweise Bescheid weiß) Gott sei Dank einen Menschen, der mir in der tiefsten Phase vertraut hat, dass ich meine Schlagseite in den Griff bekomme. Diese Baustelle habe ich, so glaube ich zumindest, abgeschlossen. Morgen gehe ich mit ihm essen, da werden wir sicher noch ein paar Worte zu diesem Thema wechseln.
Mein befreundeter Arzt, zu dem ich in meiner Not nicht gehen mochte, weil die Verbindung in die Familie zu eng ist und ihn das sicher belastet hätte, ist in den Ruhestand gegangen. Nun konnte ich ganz normal zu seiner Nachfolgerin gehen und offen reden. Sie berät mich gut und hat mich medikamentös optimal eingestellt. Zudem ist sie eine Frau - ich weiß nicht warum, aber ich meine, dass eine Frau mir besser (therapeutisch) helfen kann, als ein Mann.
Unser Urlaub war einerseits vom Erlebnis her ein absoluter Traum - andererseits erkenntnisreich für den eventuellen Fortbestand unserer Ehe. Wir haben in Gesprächen im und nach dem Urlaub die Zukunft besprochen. Es ist nicht an einem Abend ausdiskutiert, hier werden wir noch viel zu tun haben. Ich habe ihr an meinem Geburtstag im Urlaub sehr deutlich gesagt, dass ich ihr für das vergangene, schlimmste Lebensjahr eine große Verantwortung zuweise und dass ich ein weiteres dieser Art nicht erleben will. Wie auch immer - aber anders! Wir wissen, dass wir neu anfangen müssen (und wollen), wir wissen, dass wir im Umgang miteinander jetzt an einem Punkt sind, wo wir nicht bleiben können und auch nicht wollen. Sie weiß, dass ich die derzeitige Situation nicht als zukünftiges Leben akzeptiere. Sie weiß, dass ich mich mittlerweile auch mit dem Gedanken des Loslassens beschäftigt habe und damit wohl auch leben könnte. Sie weiß, dass sie eine bewusste Entscheidung zu mir oder weg von mir (wohin dann auch immer) treffen muss. Ich weiß und will, dass es bei ihr eine Herzensentscheidung sein soll.
Das ist unser Status Quo. Wir versuchen derweil, unser Alltagsleben so zu führen, dass es den Anderen zum Bleiben verlockt. Ich nehme den Satz von ihr ernst, dass das Lachen bei uns verschwunden war. Ich habe es beim Nachdenkenüber die letzten 10 Jahre herausgefunden: Auch ich konnte nicht mehr mit und bei ihr lachen.
Nun, es ist zugegebenermaßen in dieser Situation schwer, auf unbeschwert und fröhlich zu machen. Aber ich schaffe es, mit meinem Leitspruch (gähn, weil Wiederholung ) Selbstlose Liebe, Blindes Vertrauen, Hoffnung, Verzeihen, Glaube sowie guten Medikamenten, ihr offen und freundlich gegenüber zu stehen. Ihre Versicherung, dass sie seit Anfang Mai den Kontakt zu ihm wie versprochen abgebrochen hat und er wohl auch beruflich mehr oder weniger dort nicht mehr in Erscheinung tritt, hilft mir auch, besser zurecht zu kommen.
Nun, es ist alles so gekommen, wie ich es gewünscht und gefordert hatte, als ich hier in meinen schwärzesten Tagen meine Gedanken und kühnen Träume niederschrieb. Es ist nicht das Ziel erreicht, und ob das je der Fall sein wird, kann ich nicht vorhersehen. Ich weiß aber, dass sie es wert ist, zu kämpfen: Eine Frau, die ich über 30 Jahre geliebt habe, die einen wesentlichen Teil unserer Familie gebildet hat und ausmacht, die an und mit mir ebenfalls gescheitert ist - und, die es ebenfalls mit mir noch einmal versuchen will.
Heute sage ich: wir sind uns gut, versuchen, Scherben aufzusammeln. Ob das reicht, für die Zukunft? Wir werden sehen. Auf alle Fälle kann ich dann Eines: mit jedem Ergebnis irgendwie leben.
Im September / Oktober werden wir nochmal eine Woche mit unserem Bus in die Berge fahren, um gemeinsam zu wandern. Ich würde das auch allein tun - es ist meine Wahl, so zu leben. Dass sie das mit mir teilt, darüber bin ich froh. Wir werden sehen, ob wir etwas daraus machen können.
Euch wünsche ich, dass ihr Frieden im Inneren findet. Wie auch immer Euer Weg verläuft, ich hoffe, dass Ihr wieder auf die Sonnenseite zurückfindet, allein, mit Euren Partnern oder neuen Gefährten. Ich freue mich, von Euch zu lesen und melde mich ganz sicher wieder. LG Ulle
17.08.2016 09:43 •
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