Liebe Kinbakubi,
nun bist Du doch, so wie es aussieht, zumindest etwas gefestigter geworden. Allerdings scheint mir Deine Entscheidung immer noch offen. Das ist auch gar nicht zu beanstanden, es ist ganz allein Deine Entscheidung. Niemand hat Dich dabei zu beeinflussen. Weder die Therapeutin noch die User hier.
Ich finde es spricht für Dich, dass Du keine vorschnelle Entscheidung getroffen hast (bzw. triffst). Überlege es Dir wirklich gut, wie Du Dir Deine Zukunft vorstellst und welche Rolle darin eventuell Dein Mann spielen kann.
Wichtig finde ich nur, dass Du eben über den ganzen emotionalen Eindrücken die materielle Ausrichtung nicht vergisst. Einige werden das wiederum als „geldgeil“ kritisieren, aber der Ausgang ist offen. Auch Dein Mann kann sich zur Trennung entschließen und was nutzt es Dir dann, wenn Du da nicht vorgesorgt hast und am Ende mit nicht dem dastehst, was Dir zumindest anstandshalber zusteht?
So wie ich Deinen Zwischeneinschüben in Deinen Beiträgen entnehme, sind aber meine diesbezüglichen Ratschläge schon bei Dir angekommen und Du bist da bereits tätig .
Was die emotionale Ebene betrifft, so können wir Dir hier nur unsere Meinungen kundtun und die sind natürlich von unseren eigenen Erfahrungen oder Wertvorstellungen geprägt. Jüngere, die selber noch keine Erfahrung mit langjährigen Ehen mit Kindern vorweisen können, neigen dazu die sofortige Trennung als die einzige Entscheidung mit „Selbstwert“ darzustellen. Dies kann ich verstehen, als ich jung war, habe ich auch immer posaunt, dass wenn mich einer betrügt, er postwendend die rote Karte bekäme… (habe ich dann ja Gott sei Dank nicht gemacht).
Selbst Betroffene in ähnlicher Lage differenzieren dagegen bei weitem mehr.
Du kannst hier auch ohne die weiteren Threads zu lesen, leicht feststellen, wer seine Erfahrungen auf der anderen Seite einer Dreiecksbeziehung sammelte. Verlassene Geliebte hadern oft mit den Ehefrauen die ihren Mann nicht sofort zum Teufel jagen und zeigen wenig Verständnis für eine Neuausrichtung der Ehe. Das ist wiederum auch nachvollziehbar.
Du bist daher ganz gut unterwegs, wenn Du hier nicht sofort eine Richtung einschlägst bzw. Dir Zeit lässt und eigene Gedanken hierzu machst.
Ich möchte Dich nur dahingehend unterstützen, dass ich aus meiner Erfahrung heraus sagen kann:
Ein Neustart in der Ehe funktioniert, wenn einige Bedingungen erfüllt sind.
Das ist sicher nicht immer einfach und es gab auch bei mir Momente in denen ich zweifelte, ob ich mir damit zu viel zugemutet hätte. Aber das ist auch wieder ganz normal. Es ist sogar wichtig, den eingeschlagenen Weg immer wieder mal auf seine Trittfestigkeit und Zielrichtung zu überprüfen, sonst hätten wir aus der ganzen Misere ja gar nichts gelernt.
Ich habe bereits einmal erwähnt, dass mein Mann Deinem nicht so unähnlich ist. Auch er ist durch eine harte empathielose Herkunftsfamilie geprägt und im Geschäftsleben erfolgreich. Logisches Argumentieren ist seine Stärke ebenso wie das Unterdrücken von Gefühlen, was nur im Geschäftsleben eine gewisse Stärke ausmacht.
Daraus resultierte auch die damalige Aussage meines Mannes „was so ein bißchen Fremdf..en außerhalb von Ort und Zeit der Familie mit der Ehe und Familie überhaupt zu tun hätte“. Das sei reine Bedürfnisbefriedigung, die nach einer langen Beziehung dort halt nicht mehr so prickelnd funktioniere. Weil es praktisch sei, dafür nicht jedes Mal jemand neu suchen zu müssen und er dafür nicht bezahlen wollte (er hat es schließlich auch zur Bestätigung seines Ego getan), hat er sich eine Geliebte zugelegt. Das hat sich einfach so ergeben, weil die nämlich auch verheiratet mit Kindern war und auch unbefriedigte Bedürfnisse da waren. Wenn man so will, war das also eine reine Bedarfsgemeinschaft .
Diese „Rechtfertigung“ ist sicherlich nun mit jeder Menge Abmilderungsgründe bestückt aber sie enthält ganz gewiss eine wahre Kernaussage. Ich glaube es waren trauer37 und Ewa die das schon ganz gut beschrieben haben.
Wohlsituierte, intelligente, gepflegte Männer mit einem gewissen Machtpotential wirken sehr 6y auf Frauen und sind allein dadurch wohl schon etwas „gefährdeter“. Wenn sie dann noch zu denen gehören, die über einen höheren Testosteronspiegel verfügen (ist leider meist gepaart mit dem „Machtpotential“) liegt A nicht mehr weit von B entfernt….
Das soll nun keine Entschuldigung oder einen Freibrief darstellen. Auch diese Männer können „Nein“ sagen. Sie tun es nur nicht, solange sie keine direkte Notwendigkeit dafür sehen.
Du siehst also, Dein Mann tickt nicht allein so.
Wie ich Dir schon schilderte, kam ich bei meinem Exemplar zuerst mit Worten auch nicht weiter. Das perlte irgendwie immer an seiner logischen Argumentation ab. Erst als ich mein Statement und vor allem meine Empfindungen ohne Anschuldigungen und Vorwürfe schriftlich abgab und jegliche Gespräche mit ihm einstellte, kam eben Bewegung in ihn. Er musste eine Zeit lang alles alleine machen und auch die Kinder, die natürlich keine Details kannten sondern nur die von ihm ausgehende Unstimmigkeit spürten, rückten von ihm ab. Er bekam einen Vorgeschmack, wie es ist, wenn er nun von meiner Seite aus nichts mehr erhält. Kein Rat wie mit Problemen seiner Arbeitnehmer umzugehen sei, keine hilfreiche Unterstützung beim Bankengespräch, kein weiteres Wirken von mir in seiner Firma, kein Mitwirken meiner Person mehr an gesellschaftlichen Ereignissen auf seiner Ebene.
Ich habe mich ganz auf meine eigene berufliche Tätigkeit konzentriert und die sogar noch weiter ausgebaut (wollte schließlich im Fall der Fälle allein für mich und die Kinder ohne finanzielle Einbußen sorgen können).
Er stand insofern dann allein auf weiter Flur und da stellte er auf einmal fest, dass seine Familie ihm wichtig ist, dass ihn der Gedanke, ich könnte tatsächlich nie mehr für ihn da sein, schmerzte. Seine steinerne Fassade bekam Risse und er ließ sich dann, sozusagen schon über die Mitte seines Lebens hinaus, zum ersten Mal richtig emotional fallen.
Das war für mich dann auch irgendwie erschreckend anzusehen. Erst der direkt fühlbare Verlust hat ihn sich auf seinen Hintern setzen lassen. Da fing er dann quasi zu rotieren an und ich blieb zunächst für ihn „unerreichbar“. Erstaunlicherweise ging das bei ihm sehr schnell, dafür sehr heftig.
Er mutierte dadurch für mich wiederum zu einem Fremden. Dieser Fremde war aber dann nach seinem eigenen „Reifungsprozess“ für mich eine liebenswerte Person geworden und ich musste ja auch meinen Beitrag zur Misere (unterbliebenes Einfordern von Kommunikation bei Aufkommen von Unstimmigkeit) erkennen.
Von daher habe ich mich ihm neu zugewandt und es hat sich bis heute rentiert.
Die Veränderung bei meinem Mann hält übrigens nun schon über drei Jahre an. Er hat nun schon zum dritten Mal die komplette Nachbarschaft mit selbstgeschriebenen Weihnachtskarten und kleinen Geschenken bestückt, er hat bei manchen Berichten im Fernsehen nun näher am Wasser gebaut als ich, besucht ohne mich meine Verwandtschaft bei Klinikaufenthalten („weil er grade sowieso in der Nähe war“), kümmert sich vermehrt um die Belange der Kinder, ist mir gegenüber ständig aufmerksam und zärtlich und im Fall eines Streits stellt er sich dem vernünftigen Gespräch und ist kompromissbereit. Auch als Chef zeigt er nun mehr Verständnis für die emotionalen Belange seiner Arbeitnehmer, er ist quasi nicht mehr wiederzuerkennen bzw. so, wie ich ihn in ganz minimalen Dosen in unserer Kennenlernphase erlebt hatte. So als ob er nun nach dem „Crash“ (wie wir es nennen) seine Empathie aus dem Keller ans Licht geholt hat.
Das musste bzw. muss ich auch verdauen, denn nun bin ich auf einmal diejenige die oftmals rationaler unterwegs ist als er. Er kommt mir nun manchmal mit seinen über 50 Jahren wie ein kleiner Junge vor und auch die Kinder, beide voll in der Pubertät, schmunzeln öfters über ihren „kindischen“ Vater.
So wie es also aussieht, konnten wir durch unseren Neustart etwas Gutes erreichen, zumindest empfinden wir es beide so. Allerdings gibt es auf keiner Seite „dritte Personen“. Es war und ist eine meiner Bedingungen für einen Neustart, dass ich eine Exclusivbeziehung führen möchte. Eine offene Ehe oder akzeptierte Dreiecksbeziehung will ich nicht führen, forderte er auch nie und bisher hatte ich keinerlei Veranlassung daran zu zweifeln, dass wir „exclusiv“ sind.
Meiner Ansicht nach, ist die Gefahr, dass mein Mann dahingehend wieder tätig wird, nun geringer als bei einem, der es noch gar nicht ausprobiert hat. Er weiß nun genau, dass ich fähig bin ohne ihn auszukommen und wie sich ein eventueller Verlust für ihn anfühlen würde.
Eine Garantie für immerwährende glückliche Zweisamkeit gibt es allerdings nicht. Die gibt es nie, genau so wenig wie den perfekten Mann.
Also, Kinbakubi, vielleicht kannst Du aus meiner Erfahrung einen kleinen Denkanstoß mitnehmen und in aller Ruhe wirken lassen, ob das auf Euch überhaupt übertragbar ist. Ob Dein Mann fähig ist seine Emotionen bzw. seine Empathie auch noch hervorzuholen. Aber sei Dir bewusst, leicht ist so ein Neuanfang keinesfalls, man(n und frau) muss ständig aufpassen nicht wieder in alte Muster zu verfallen. Arbeit am Selbst ist angesagt, die sich allerdings auf jeden Fall lohnt.
Auch wenn es für einige unlogisch erscheinen mag, ich ruhe nun wesentlich mehr in mir selbst und habe ein stärkeres Selbstvertrauen als vor dem „Crash“. Das vermag mir keiner zu nehmen zumal mir heute ganz bewusst ist, dass dafür nur ich verantwortlich bin.
Ich wünsche Dir ganz viel Besonnenheit und Kraft bei Deiner Entscheidung. Du wirst schon spüren was sich für Dich richtig anfühlt und wann Du Dich zu stark verbiegen müsstest.
09.06.2016 11:36 •
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