Ich lese nicht ganz bis zum Ende. Auch verwende ich nicht die gesammelten Zitate
@Martin123
Ich lese Dich als ein Mensch mit sehr überzeugten und markanten Sätzen, die dogmenhaft formuliert sind. Da gehe ich mit @eclaire mit, dass das eine Diskussion erschwert.
Zum einen- das was Du aus Deiner Historie berichtest, ist eine individuelle Lebensgeschichte. Daraus leitest Du allgemein gültig klingende Aussagen ab. Bestenfalls sind sie aber nur eine Meinugsäußerung. Ganz oft sachlich falsch.
Vorne anfangend. Nach Deinem Verständnis ist die Ehe 2.0 an Anknüpfen an bessere Zeiten. Das aber ist unmöglich, denn durch eine Affäre ändert sich alles in der Beziehung. Es ist aus logischen Gründen nicht möglich, anzuknüpfen, ohne die Affäre zu ignorieren. Das kann man machen. Ob es schlau ist, wage ich persönlich zu bezweifeln.
Ich gehe von der Prämisse aus, dass wir Menschen nicht gefühlskalte, Trieb gesteuerte Wesen sind. Allem voran haben wir eine andere Hirnstruktur als Tiere. Somit haben wir Menschen ganz andere Einflussmöglichkeiten auf unsere Emotionen und der gesamte Bereich Trieb, Beziehung, Liebe wird zu einer hochkomplexen Angelegenheit. Bei den meisten Menschen bringt eine Affäre eine Menge neuer Erfahrungen für alle Beteiligten. Diese Erfahrungen haben ganz zwangsläufig einen Einfluss auf das weitere Verhalten.
Deshalb gibt es nach einer Affäre eigentlich nur drei Möglichkeiten:
a) Trennung
b) Rückkehr bzw. Verharren in der alten Beziehung
c) Neuaufstellung, vulgo Ehe 2.0
Trennung- brauche ich nicht weiter eingehen.
Ich glaube, dass es bei Euch in Wirklichkeit auf die Rückkehr in die alte Beziehung hinausläuft. Ich habe bislang nichts davon gelesen, dass ihr beiden Euch komplett neu aufstellt. Sondern eher, dass Deine Frau für sich die Entscheidung getroffen hat, zu bleiben und glaubt, es sei super, den Kontakt eingestellt zu haben und on top- sie kann es auch nachweisen. (Ausflug: Man kann nicht beweisen, dass etwas nicht ist..)
Für Dich lese ich einen inneren Kampf heraus. Ich verstehe Dich so, dass Du zur Erkenntnis gekommen bist, dass Du noch nicht verstanden hast, was es bedeutet, zu verzeihen. Du beschreibst etwas, was eher ein sich damit abfinden ist. Aber vergessen ist da nichts.
Diese Kombination bedeutet für mich, dass ihr beiden Euch nicht stellt. Jeder will zu dem vor Affären Zustand zurück, aber das funktioniert nicht. Wenn Du schreibst, dass ganz offensichtlich deine größte Angst ein erneuter Betrug ist, weil
-Deine Frau das gemacht hat
-Damit eine Hemmung gefallen ist
-Die Statistik ausweist, dass ein Rückfall sehr wahrscheinlich ist
Nur einmal so ins blaue gefragt- wenn Du Angst vor einem erneuten Betrug hast- warum bist Du überhaupt geblieben?
Ein weitere Punkt ist die Sache mit dem Verzeihen. Auch hier fehlt Dir eine ganze Menge Wissen. Ich hole mal nur ein bisschen aus:
Das Verzeihen ist ein psychologischer Vorgang, der viele Aspekte beinhaltet. Aus Wikipedia:
Verzeihen ist ein inter- und intrapersonaler Prozess, der sich in einer prosozialen Veränderung von Affekt, Kognition und Verhalten gegenüber einem Schadensverursacher äussert. Verzeihen ist intentional, bedingungslos, nicht notwendig und geschieht nur in dem Bewusstsein, dass der Täter verantwortlich ist. Es ist nicht:
Vergessen – Die Verletzung wird nicht mehr erinnert.
Nachsicht – Die Verantwortlichkeit des Täters wird relativiert.
Akzeptanz – Die Verletzung bzw. deren Folgen werden akzeptiert.
Billigung – Die Person in Opferposition äußert Zustimmung oder Einwilligung.
Begnadigung – Eine vorgesehene/angedachte Strafe wird dem Täter erlassen.
Verleugnung – Unvermögen bzw. mangelnder Wille, eine Verletzung als solche wahrzunehmen.
Rechtfertigung – Die verletzende Handlung wird im Nachhinein durch Argumente gerechtfertigt.
Cool- und was ist das? Ich glaube außer @eclaire und ein paar andere verstehen die meisten Leute diesen Satz nicht und wenn- dann folgt sofort die Frage nach dem wie geht das denn?. Ich inklusive. Glaube mir 2019 hatte ich nicht den leisesten Schimmer was ich tun musste. Denn damals hatte ich den Wunsch zu verzeihen, wusste Ich verzeihe Dir funktioniert nicht (hatte ich getestet). Aber ich wusste schlicht nicht, was ich anstellen muss, damit das funktioniert. Wie das funktioniert- ich kann es nur für mich erklären. Letztendlich hat es lange gedauert- bis zum Sommer 22. Erst dann habe ich gefühlt, dass ich verziehen habe.
Aber ich halte mal fest: Ich WOLLTE verzeihen. Das war mein freier Willen. Und damit habe ich automatisch die daran geknüpften Bedingungen akzeptiert. Meine Frau HATTE KEINEN Anspruch darauf. Und es war eigentlich nicht notwendig- schließlich aber doch- weil ich wollte mich mit meiner Frau versöhnen.
Anfangs war ich nicht in der Lage, mir vorzustellen dass unsere Ehe zuende sei. Dann dachte ich- naja, es läuft ganz gut und irgendwie bekomme ich den Dritten auch noch als emotionalen Rückhalt integriert. Aber da hatte ich mich getäuscht. Ich musste zunächst lernen- und zwar sehr hart- dass ich durchaus alleine existieren kann. Nicht sooooo dolle, aber ich könnte. Dieser Lernprozess war schmerzhaft und dauerte ebenso die drei Jahre. Und es dauert immer noch weiter an. Ich bin immer unabhängiger geworden.
Meine Frau hat in dieser Zeit folgendes kapiert
a) Sie kann durchaus alleine zurecht kommen
b) Die Beziehung mit mir ist kein Zuckerschlecken- aber sie kann und WILL sie, ohne moralische Unterstützung
c) Der angebliche Seelenpartner ist eine Illusion. Auch ich bin es nicht. Ich bin ihr Freund, Ihr Liebhaber, Ihr Partner, der Vater ihrer Kinder, ihr Ehemann. Fertig.
d) Mit der Affäre hat sie die Familie zerstört und das nur aus purem Egoismus.
Die Erkenntnis zu Punkt d) hatte sie wirklich bis ins Mark erschüttert. War aber ein wichtiger Schritt. Sie hat damit die Erkenntnis gewonnen, dass Affären eher uncool sind. Ja es stimmt, dass die integer bleibenden Menschen vielleicht an dieser Stelle einen Wissensvorsprung haben. Aber mir persönlich war das wurscht. Denn ich lebe im hier und jetzt mit ihr. Und jetzt ist das anders.
Und damit komme ich zu der Ehe 2.0 Diese ist nämlich ein kompletter Neuanfang. Dieser beinhaltet auf jeden Fall eine Versöhnung und ein Neuaufsatz der Ehe. Eine Ehe 2.0 kann nicht funktionieren, wenn einer von beiden nicht willens ist, das alte hinter sich zu lassen und sich dem neuen zuzuwenden. Und dazu gehören Entscheidungen:
Die Entscheidung, den anderen zu lieben. ( Ich kenne die Auffassung, Liebe sei etwas unfassbares-. nein ist sie nicht. Dass was wir so landläufig als Wunder der Liebe sehen ist eine Folge der Entscheidung.)
Das bedeutet ausdrücklich nicht, ich könnte jeden lieben. Nein, das heißt es nicht, obwohl es auch sehr verbundene arrangierte Ehen gab.
Es gibt sehr viele philosophische, aber auch psychologische Abhandlungen dazu. Allen ist gemein- Liebe kommt nicht aus dem luftleeren Raum, obwohl die meisten Menschen das denken.
David Schnarch beschreibt die Differenzierung des Selbst als großen Schritt in einer persönlichen Weiterentwicklung. Der Begriff stammt allerdings nicht von ihm sondern von einem anderen psychotherapeuten namens Murray. Die Differenzierung es selbst wird dabei verstanden als die Fähigkeit, unabhängig zu sein. der Differenzierungsgrad ist ein Maß für die Fähigkeit des Gehirns, Emotionen zu kontrollieren und auch unter emotional schwierigen Situationen noch überlegt und rational zu handeln bzw. zu wählen, ob in einer bestimmten Situation eine eher emotionale oder eine eher rationale Reaktion angemessen erscheint. Anders ausgedrückt- es ist auch die Fähigkeit, den anderen stehen/sein lassen zu können.
und daraus folgt (David Schnarch) Bei Paaren mit einem hohen Differenzierungsgrad funktioniert Monogamie anders: Sie hört auf eine belastende Vereinbarung mit dem Partner oder der Beziehung zu sein, und wird zu einer Vereinbarung mit sich selbst. Die Beziehung lebt mehr von der persönlichen Integrität und gegenseitigem Respekt als von Deprivation und Brutalität. In einer solchen Beziehung ist eine Affäre mehr ein Selbstbetrug als ein Betrug am Partner (da man sich das Versprechen selbst und nicht dem Partner gegeben hat).
Dies falsifiziert deine These einmal Betrüger, immer Betrüger. Es kommt sehr darauf an, wie man und insbesondere der Betrüger mit dieser Erfahrung umgeht.
All- die Ehe 2.0 ist anders als Deine Aussage möglich und on top führt sie zu definitiven Glück. Ist so, kannst Du nicht negieren- weil Du damit dir anmaßt, über die Gefühlswelt des Gegenüber fundiert urteilen zu können.
Bei Euch- nur aufgrund der Schilderung - kann man auf gar keinen Fall von einer Ehe 2.0 sprechen. Dazu seid ihr beide nicht bereit, die entscheidenden Schritte zu gehen.
Ich finde damit Deine Strategie, einen Weg zu finden , dass Du zusammen mit deiner Frau mit der Sache zurecht zu kommen nicht so wirklich zielführend.
Abschließend noch ein Wort von Schnarch:
Nur wenige beginnen eine Therapie, um etwas an sich selbst zu ändern. Gewöhnlich suchen sie nach Möglichkeiten, ihre Situation oder ihren Partner zu ändern, während sie selbst so bleiben wollen, wie sie sind.