Liebe Uschi!
Ich weiss, wie ironisch und teilweise belastend, sich in deiner momentanen Situation gewisse Handlungen und all die Worte, gesagt oder geschrieben, anfühlen.
Nämlich ätzend! ;)
Ich vermag gar nicht mehr zu sagen, wie lange oder wie oft ich mich unter meiner Bettdecke verkrochen habe und nicht mal den Zeh ;) habe rausgucken lassen.
Immer wieder mit kurzen Unterbrechungen, bedingt durch schöne Erlebnisse (ein einsamer Spaziergang im kalten, sonnenbeschienen Winterpark), ein Telefonat oder Treffen mit meiner Freundin, gelegentliches Ausgehen, ein Spaß meiner Tochter, ein Essen mit einem sehr lieben Freund ect.
Aber ich habe gelauert und auf einen Tiefschlag meines Exmannes gewartet. Und wie sollte es anders sein? Er kam auch, wohl weil ich gerade darauf gewartet und regelrecht provoziert habe.
Da hatte ich wieder MEINEN Grund unter die Bettdecke zu flüchten und die ganze böse Welt zu vedammen.
Ich litt auch unter solchen gedanklichen Aussetzern, dass ich all den Menschen das Unglück und den grössten Herzschmerz an den Hals wünschte. Nur damit endlich mal die Einsicht kam, wie besch... es mir doch ging.
Die Einsicht, die ja da war, habe ich nicht sehen wollen, auch die Hilfsangebote, seien es tröstende Worte oder die Phrasen (Zeit heilt alle Wunden) habe ich nicht annehmen wollen.
Heute weiss ich immer noch nicht, was ich eigentlich von meinen Mitmenschen erwartet habe.
Eine Sache allerdings weiss ich hundertprozentig.
Hätte meine Mama noch gelebt, hätte ich mich viel mehr am sprichwörtlichen Riemen gerissen und somit wohl viel eher aus dem selbst gegrabenem Loch herausgefunden.
Sie war schwer krank und es bestand immer die Gefahr, dass sie bei erneuter Aufregung oder Sorgen einen erneuten Anfall bekam und es das Ende bedeutet hätte.
Ich habe mein Lebtag lang all meine Sorgen von meiner Mutter ferngehalten, vielleicht damit auch verleugnet, aber so habe ich mir eigentlich immer die Weitsicht erhalten, die ich mir sonst durch das Gejammer der letzten Monate verbaut hatte.
Liebe Uschi, ich möchte dir aber auch widersprechen in dem Punkt, das Liebeskummer mindestens ebensoschwer wiegt wie eine ernsthafte Krankheit. Das stimmt nämlich so nicht.
Sicher, alles hat irgendwo seine Ursachen und Symptome, aber es gibt schlimmeres.
Speziell ich, wie Gerd auch schon von sich erzählte, habe auch ein schwerwiegenderes Erlebnis hinter mir. Mit meiner Tochter.
Nach der Trennung lag sie im Krankenhaus, Verdacht auf Leukämie! Mit 4 Jahren!
Die Zeit bis zur endgüldigen Diagnose war die schlimmste und härteste Zeit meines Lebens.
In dieser Situation habe ich angefangen zu Gott zu beten und GEBETTELT, alles Leid dieser Welt auf mich zu nehmen, um ihr DAS zu ersparen. Auch heute sage ich, ich nehme täglich bis an mein Lebensende den schlimmsten Liebeskummer der Erde auf mich, nur um ihr das zu ersparen!!!
Dann, einige Monate später, geschah das Massaker in der Erfurter Schule. In der Nachbarstadt von hier.
Nun war der Punkt erreicht, wo ich ENDLICH begriff, ich bin nicht der Mittelpunkt der Menschheitsgeschichte.
All dieses Leid was da existierte war bedeutend schlimmer, als ich mich selbst fühlte.
Mein verloren geglaubter Stolz, er hat mich oft gerettet, erschien wieder und ich hob den Kopf, schaute nach vorn und begann endlich wieder zu *laufen*.
Ich begriff, ich tat es für mich.
Ich konnte und wollte nie wieder andere Menschen für mein Wohlbefinden verantwortlich machen. Das war schließlich ich ganz allein.
Wenn es mir besser gehen sollte, dann musste ICH etwas dafür tun.
Oder ich stand zu meinem *Loch* und verhielt mich dann aber still darin.
ICH bin ganz ALLEIN für mich zuständig.
Ob ich Hilfe annehmen wollte, endschied ich allein, aber wenn ich es dann tat, dann liess ich mir auch helfen und stiess die Menschen nicht mehr durch Abwehr vor den Kopf.
Ich WOLLTE wieder glücklich leben, also nahm ich es selbst in die Hand. Und mein Verstand sagte mir, dass ich das eben auch nur grösstenteils schaffen kann, wenn ich RAUS gehe und mich den Gefahren und Risiken des Miteinanders aussetze.
Mein Märchenprinz wird mich nie bei mir zu Hause unter meiner Bettdecke finden. Auch meine neuen Feunde, meinen grossen Bekanntenkreis, habe ich mir selbst aufgebaut.
Auch ich nehme es leider immer noch oft zu schwer andere Menschen an mich heranzulassen, sprich, kennenzulernen. Aber dafür können sie nichts, dass muss ich selbst regeln.
Klar kann ich nicht mit jedem gut auskommen, genausowenig, wie jeder mit mir klar kommt, aber ich versuche es und in mindestens 50% aller Fälle enstehen sehr nette Bekanntschaften.
Durch diese Kennenlernen durfte ich meine letzte, intensive Verliebtheitsphase erleben, und ich genoss es.
Durch diese Kennenlernen gehe ich öftes aus, treffe mich privat bei den Leuten zum gemeinsamen Kochen oder Reden, ich telefoniere usw.
Ich lebe wieder und fühle mich gut. Und ich weiss, dass eines Tages wieder die richtige Liebe auf mich wartet.
Nun bin ich seit gestren arbeitslos und as bereitet mir auch Kopfweh. Finanzielle Sorgen warten auf mich usw. Aber das ist alles nebensächlich.
Dafür lebe ich NICHT. Ich lebe für MICH.
Liebe Uschi, ich weiss, dass du die Kraft hast, nur nimm all deinen Mut zusammen und geh raus!
JA; das eventuelle Treffen wird heilsam sein, auf lange Sicht gesehen,. So läufst du nur davon und verschenkst die Zeit. Denn das Treffen wird eines Taes geschehen, also bringe es hinter dich!
Und noch zum Schluß, die kleinen Mutmacher wie Johanniskraut, sind manches Mal wahre Wundermittelchen. Sie helfen dir und machen nicht abhängig.
Suche dir ärztliche Hilfe, das ist keine Schande. Auch ich habe sie fast ein Jahr in Anspruch genommen. Denn gegen richtige Depressionen kommst du allein nicht an.
Liebe, liebe Uschi. Ich wünsche dir so viel! Aber zuallererst schenke ich dir eine ganz feste Umarmung und das WISSEN, du kannst es schaffen, wenn du es nur willst!
Viele liebe Grüße Nicole