Um Gottes Willen:
Aufgrund eines Trauerfalls in der Familie musste ich Mitte Dezember bis Ende Jänner, ständig von Österreich nach Deutschland fahren. Nicht auszudenken, ich hätte mich für jede einzelne Fahrt am Hauptbahnhof anstellen müssen, um mir eine Verbindung raussuchen lassen und ne Karte kaufen. (Die Fahrpläne der Bahn, die es natürlich gedruckt im analogen Zeitalter gab, sind leider bei Ländergrenzen und vor allem im Dezember (Fahrplanwechsel) nicht so wahnsinnig hilfreich und Tickets musste man eh am Schalter erwerben.
Die deutsche Bahn hat bei all den Fahrten nicht ein einziges Mal den sogenannten Fahrplan eingehalten, da waren Echtzeitinfos und WhatsApp um andere am Laufenden zu halten mehr als sinnvoll.
Ich hasse Synchronisationen, habe ich schon immer. Das hat dazu geführt, daß ich nur ein bis zwei mal im Jahr in meiner Jugend ins Kino konnte, nämlich immer dann wenn ich in England war. Dvds haben es dann schon leichter gemacht, aber Serien, Filme und jede Zeitung, die ich gerne lesen möchte, mit ein paar Klicks zur Verfügung zu haben, erfüllt einen meiner größten Kinderträume.
Ich will auch nicht wegen jeder kleinen Rechnung zu einer Bank hatschen müssen, um dann einen Erlagschein auszufüllen, nur damit ich schnell mal ein paar Euro überweisen kann.
Und mal ehrlich Corona war ja schon schlimm genug, das ganze aber ohne Internet, Streaming, WhatsApp, Videotelefonie etc, na Dankeschön.
WFH wäre ohne moderne Technologie nicht möglich gewesen und hat uns gleichzeitig endlich auch im Berufsleben nach Vorn gebracht.
Zitat von Dracarys: Beruflich ist es das Eine. Privat sieht es anders aus.
Hm, ja und zwar war beruflich es so, daß ich mit einem PC Tower und einem Festnetztelefon internationale Projekte verwirklichen sollte. Für mal eine Telefonkonferenz musste ich Anträge stellen, damit das erst bewilligt und dann der Call eingerichtet wurde. Wie gern hätte ich schon damals, mich mal mit den Möglichkeiten von Onlinetrainings oder Videos auseinandergesetzt, man will ja nicht nur Ü40jährige schulen.
Eine Arbeitswelt deren technische Möglichkeiten nicht die Lebensrealität vieler Menschen abbildet, kann nicht langfristig konkurrenzfähig bleiben.
Wie oft gab es früher nette Momente und keiner hatte eine Kamera dabei oder ständig mit drei Zetteln herum laufen, weil man den Titel des empfohlenen Buchs/films/Wein irgendwohin gekritzelt hatte.
Wie oft sitze ich mit Freunden da und wir plaudern über ein Thema und plötzlich entsteht ne Sachfrage, schnell nachschlagen und auf Grundlage des Nachgeschlagenen weiter plaudern, ist super. Denn ich hatte dann doch eher selten mein DTV Lexikon dabei.
Googlemaps ist ein Lebensretter, wenn man so viel Orientierungssinn wie ein Braunbär im Winterschlaf hat und klar gab es Stadtpläne, aber meisten hatte ich den, wenn ich ihn brauchte, nicht zur Hand.
Das Ding ist, ich glaube als Zwittergeneration habe ich jedenfalls einen sehr entscheidenden Vorteil, meine Nutzung orientiert sich absolut an mir und nicht umgedreht. Sonntags ist für mich meistens handyfreier Tag, das Ding liegt irgendwo in der Wohnung und ich schau am Montag drauf, was denn so war. Pushmitteilungen sind weitestgehend ausgeschaltet und wenn das Ding nervt, ist schnell mal der Flugmodus drin.
Es gibt zwei Dinge, bei denen ich glaube, daß diese einiges an Schaden anrichten: Die Verfügbarkeit von P*rn*graphie zum Teil sehr extremer und damit die Verfügbarkeit dieser für schon sehr junge Menschen. Und die Frage von Resonanzräumen. Es ist super, daß egal wo jemand wohnt, dieser Mensch übers Internet andere finden kann, die bestimmte Interessen teilen (Seidenmalerei in der Toskana oder der Braunbär im Allgäu um 1857), aber natürlich gibt es eben Gruppen, die sich in kruden Ansichten oder Theorien gegenseitig bestärken und damit radikalisieren, das kann schnell auch schief gehen.
Aber für mich unterm Strich überwiegen die Vorteile und ich finde auch, daß das sogenannte analoge Leben auch ganz schön romantisiert wird. Ferien auf ner Almhütte ohne Strom, fließend Wasser und ner Heizung für zwei Wochen im Sommer sind sicher toll, aber so möchte ich dann doch nicht die ganze Zeit leben.