Hallo,
ich war sehr lange stille Mitleserin. Großartig, dass es solche Foren gibt, wo Menschen sich gegenseitig helfen und unterstützen. Mir ist mein Problem sehr peinlich, ich möchte mit niemanden in meinem Umfeld darüber sprechen. Vielleicht kann mir hier jemand helfen, oder mich zumindest ein bisschen verstehen. Ich entschuldige mich, wenn es länger wird, breche es mal auf das Wichtigste runter:
Als Teenagerin war ich ein schüchternes, stilles Mauerblümchen (Heute weiß ich, dass ich eine soziale Angststörung habe, offizielle Diagnose). In meiner Klasse gab es damals einen Jungen, der inoffiziell als der beliebteste Typ der Klasse galt - gutaussehend, sportlich, schlagfertig, selbstbewusst und nicht auf den Kopf gefallen. Ich hatte mir damals, mit meinem Selbstbewusstsein im negativen Bereich, keinerlei Chancen ausgemalt (warum sollte ein Typ wie er auf so eine Hässliche wie mich stehen?). Jedoch bemerkte ich, dass er mir öfter heimliche Blicke zuwarf (wenn ich es bemerkte, schaute er immer schnell wieder weg), dazu zufällige Berührungen, sich direkt in meine Nähe setzen, wenn sich die Gelegenheit bot, belanglose Gründe um mich anzusprechen, und zunehmende Nervosität, wenn wir allein waren (nervöses rumfummeln z.b. an den Schuhen). Sobald aber Andere dabei waren, war er wie ausgewechselt, und er benahm sich wie ein A*loch, auch mir gegenüber (fiese Sprüche ). Ich wurde nicht schlau aus seinem widersprüchlichen Verhalten. Wir haben in der gesamten Zeit nur wenige Worte persönlich miteinander gewechselt, aber (bitte verurteilt mich nicht) ich habe damals einfach irgendeine Verbindung zwischen uns gespürt, eine Art Vertrautheit, die ich nicht wirklich beschreiben kann. Als ob wir auf einer Wellenlänge wären. Die wenigen Infos, die ich über sein Privatleben hatte, haben mich in diesem Gefühl bestärkt (möchte das nicht zu sehr ausführen, sonst wird das wirklich noch ein Roman). Ich wollte ihn gern näher kennenlernen, aber meine Angststörung stand mir im Weg. Er hat auch nie einen weiteren Move (z.B. Date, oder mich angechattet) unternommen, was leider meine Zweifel stärkte. (Hab vor Kurzem meine alten Tagebücher gelesen, sein Verhalten sprach schon sehr dafür, dass er Interesse an mir hatte).
Auf unserer Abschlussfeier sprachen unsere Klassenkameraden über eine Party, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn, ob er auf dieser Party sein würde. Er bejahte schüchtern. Ich war keine Partygängerin (soziale Angststö. ach, ihr wisst schon), habe mich am nächsten Tag dort hingequält, weil ich endlich mit ihm sprechen wollte, ihn kennenlernen wollte.
. Ich habe seitdem (13 Jahre her!) nie wieder mit ihm gesprochen. Er war nicht auf der Party, jedenfalls sah ich ihn dort nicht (es waren zuviele Menschen dort), und es vergingen etliche Jahre, in denen ich ihn 2 mal von Weitem sah (Kleinstadt), und über soziale Medien herausfand, dass er mittlerweile in einer Beziehung war. Ich selbst habe auch Jemanden kennengelernt, habe meine ersten richtigen Erfahrungen mit diesem Mann gesammelt, und versucht die ganze Geschichte zu vergessen. Meine Beziehung lief irgendwann nicht mehr gut, ich wurde zunehmend unzufriedener (daran trugen beide Seiten Schuld), und je unzufriedener ich wurde, desto mehr dachte ich an diesen Jungen von damals. Ich träumte oft von Ihm, fragte mich, was aus ihm geworden ist, wie es ihm geht usw. Habe mich selbst dafür verurteilt und mich geschämt (mir selbst und meinem damaligen Partner gegenüber). Das was wäre gewesen, wenn. wurde immer stärker. Es ging ungelogen ganze 7 Jahre lang so, dabei kannte ich diesen Menschen nie wirklich , nur das, was ich damals in der Schulzeit mitbekam. Mein Hirn spinnte sich ein perfektes Bild von ihm zusammen, in dem ich mich verlor. Ich hatte noch sehr lange mit Dysmorphophobie zu kämpfen, hatte panische Angst davor, ihm irgendwo zu begegnen, und dabei Hässlich für ihn auszusehen (absolut bescheuert, ich weiss), mich zu blamieren, etc etc.
In der Zeit Nach meiner Trennung (es passte einfach nicht mehr), habe ich ihn dann zufällig mit seiner Freundin gesehen. Er sah in meine Richtung und. .drehte sich demonstrativ weg. Ich wollte einfach nurnoch abschließen, ich folgte ihm auf Social Media, und schrieb ihm eine unverfängliche Nachricht, alla hey, hab dich heute zufällig in XY gesehen, ist lange her, geht es dir gut?. Ich hatte einfach auf einen kurzen netten Austausch oder wenigstens eine harsche Abfuhr gehofft, die ihn für mich entzaubert. Ich hab mir nicht erhofft, dass es zu mehr führt, er war/ist schließlich vergeben, ich wollte einfach irgendwie abschließen. Wollte die Blase endlich zum platzen bringen. Er hat es gesehen. . und ignoriert, und ja, ich gebe zu, es hat verdammt wehgetan. Hab mir eingeredet der stand nie auf dich, du hast es dir nur eingeredet, oder der hat abgeschlossen. Aber: er verschwand trotzdem nicht aus meinem Gedanken, es hat mich förmlich wahnsinnig werden lassen, nennt es krank, nennt es Obsession, ich weiss es nicht. Und ständig dieses Angstgefühl, ihm zu begegnen. Wenn ich z.B. auf örtliche Volksfeste ging, bretzelte ich mich besonders auf, hoffte irgendwie ihn zu sehen und zu beeindrucken alla schau, was aus mir geworden ist, das hättest du haben können. einfach bescheuert.
Ich lernte meinen heutigen Partner kennen. Nach einigen Höhen und Tiefen kann ich sagen, dass ich diesen Mann einfach über alles liebe. Er hat seine eigenen Päckchen zu tragen, aber gerade seine Ecken und Kanten machen ihn so verdammt liebenswert. Der Junge von damals, mittlerweile ein Mann, war endlich aus meinen Träumen/ Gedanken verschwunden. Ich kann heute sagen, dass ich mich mittlerweile ziemlich gut gemacht habe (ein großer Teil meiner Selbstakzeptanz habe ich meinem Partner zu verdanken, der mir das Gefühl gibt, die schönste Frau der Welt zu sein). Ich habe einen gutbezahlten Job, immernoch ein gutes Verhältnis zu meiner Familie, bin im Gegensatz zu damals selbstbewusster, und werde häufig angeflirtet, was mich schmeichelt, ich aber immer höflich ablehne. Ich traf durch Zufall eine alte Klassenkameradin wieder, wir verabredeten uns auf einen Kaffee. Dort redeten wir natürlich auch über die Schulzeit, und was eigentlich so aus den Leuten geworden ist. Dabei kam leider auch ER zu Sprache. Sie erzählte mir, dass sie damals eine zeitlang befreundet waren, und wenn sie Kummer hatte, haben sie telefoniert, und er hat sie aufgemuntert. Dann hat er sich aber plötzlich verändert und nahm dieses Ar. Verhalten an. Hat mich geschockt, um ehrlich zu sein, weil es mein Gefühl von damals, dass er eigentlich ein netter Kerl ist, der es aber (aus welchem Grund auch immer) verstecken wollte, wieder bestätigt hat. Das Treffen hat leider wieder etwas in mir angestoßen. Er schlich sich wieder in meine Träume, von denen ich verstört aufwachte. Mein Unterbewusstsein hat anscheinend immernoch nicht abgeschlossen, auch nicht 14 Jahre danach. Ich kriege langsam wirklich eine Krise.
Ich mache mittlerweile eine Therapie, wegen der Angststörung, weil ich zum Teil noch Hemmungen habe. Es gab noch kein Klassentreffen, und selbst wenn es eines gebe, ich bin zu 100% sicher, dass er nicht kommen würde. Ich werde nie ein klärendes Gespräch haben, und selbst dann gibts keine Garantie, dass es danach aufhört. Ich bin glücklich mit meinem Partner, möchte eine Zukunft mit ihm, aber natürlich ist nicht alles perfekt, und das was es nicht ist, substituiere ich mit diesen Träumen über dieses Hirngespinst von ihm. Denn ich bin mir wohl bewusst, dass ich ja nicht mal weiss, was für ein Mensch er damals wirklich war und wie er sich verändert hat.
Heute habe ich erfahren, dass er seit mittlerweile 2 Jahren zu seiner Freundin in eine andere Stadt (4h Entfernung) gezogen ist. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Es mischt sich die Erleichterung darüber, dass ich ihm hier nicht mehr begegnen werde (außer er besucht vielleicht mal seine Familie), mit Enttäuschung, dass er nun weg ist, und damit auch die wohl letzte Chance, nochmal mit ihm zu sprechen.
Ich kann nicht mehr, wirklich. Egal wie sehr ich mir selbst einrede, dass er kein Thema mehr in meinem Leben sein sollte, die Gedanken, Träume und das Bereuen verschwinden nicht. Möchte es aber zu keinem Thema in meiner Therapie machen, weil meine anderen Baustellen Priorität haben (hab ja nur eine begrenzte Anzahl an Stunden).
Was kann ich noch tun? Es akzeptieren, dass er unfreiwillig irgendwie immer ein Teil von mir sein wird? Geht es vielleicht sogar jemanden hier ähnlich? Habt ihr Strategien dagegen? Ich bin wirklich nurnoch verzweifelt, dass dieser Mann noch Thema in meinem Kopf ist, obwohl er darin nichts mehr zu suchen haben sollte. Ich danke schonmal Jedem, der sich das hier alles freiwillig durchliest.
Heute 02:43 •
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