Hallo liebe Community,
Ich weiß gar nicht so recht, warum ich diesen Text schreibe, aber vermutlich suche ich ein Ventil, um alles einmal aussprechen/niederschreiben zu können.
Zuallererst ich bin seit 18 Jahren verheiratet und seit über 20 Jahren mit meinem Mann zusammen. Er ist damals mein zweiter Freund gewesen und zu meiner großen Liebe geworden. Wir hatten und haben immer eine sehr harmonische und respektvolle Partnerschaft gehabt und ich bin ihm auch für sehr vieles sehr dankbar. Ich muss dazu sagen, dass ich aufgrund einer Behinderung nicht arbeitsfähig bin, allerdings stand das nie zwischen uns, sondern mein Mann hat mich immer so angenommen, wie ich bin und war. Wir haben zwei Kinder (20 und 18 Jahre alt) und sind trotz unserer jungen Elternschaft nie in Krisen geraten. Ich konnte meinem Mann den Rücken freihalten, während er studierte und arbeitete, was uns unser Auskommen sichern konnte. Klar ist es nicht immer leicht, nur die Person zu sein, die daheim sitzt und das Gefühl hat, nichts beitragen zu können, außer eben sich um das Heim und die Kinder zu kümmern/gekümmert zu haben. Ich habe zwar auch studieren können (Fernuni Hagen), allerdings weiß ich nicht, ob ich in meinem Beruf eine Anstellung finden werde, die mit meiner Einschränkung machbar erscheint (bin gerade selbst im Bewerbungsprozess).
Nun zu dem, was mich innerlich auffrisst. 2018 habe ich online jemanden kennengelernt, mit dem ich über 6 Monate schriftlichen Kontakt hatte. Es entstand ein merkwürdiges freundschaftliches Konstrukt, was mir irgendwie wichtiger wurde, als es mir damals so bewusst war. Wir schrieben täglich miteinander - über Gott und die Welt, doch als jener Mann auf einmal auf ein Treffen beharrte, lehnte ich dies, mit Hinweis auf meine Ehe, ab und er beendete von einem auf den anderen Tag unseren Kontakt. Es war komisch, als diese Person plötzlich weg war und ich fiel tatsächlich in ein Loch. Ich erzählte meinem Mann davon, vor allem, dass mich das irgendwie emotional mitgenommen hat, auch wenn da nichts Emotionales oder Intimes lief. Mein Mann war sichtlich getroffen, da ich ihm nicht schon vorher davon erzählt hatte, aber riet mir auch, das selbst nicht überzubewerten.
Ich wurde allerdings regelrecht depressiv und versuchte mich mit Hobbys, die ich umsetzen konnte, abzulenken, was mir nur halbherzig gelang.
Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, aber ich rutschte ab. Las mich in das Thema der emotionalen Affäre ein (scheinbar hatte ich diese, auch wenn es mir bis dahin nicht so bewusst war) und landete in einem Chat, wo ich über diesen Verlust schrieb und versuchte das irgendwie zu verarbeiten.
In meiner Ehe lief es weiter, als sei nichts gewesen und mein Mann verstand meine Verstimmungen nicht wirklich. In seinen Augen war ja nichts passiert.
Schließlich fühlte ich mich irgendwie sehr allein, die Kinder waren zu dem Zeitpunkt 15/17 und ich war vielleicht auch selbst in einer Sinnkrise gelandet - vor allem mit dem Gefühl überflüssig geworden zu sein, was mich auch heute noch sehr begleitet. Ich habe wohl ein Ventil gesucht und bin immer mehr in diese Welt des Chattens eingetaucht und habe wohl, rückwirkend betrachtet, eine gewisse Sucht dazu entwickelt gehabt. 2019/2020 schrieb ich also mit verschiedenen Menschen (auch Männern) und suchte scheinbar eine gewisse Anerkennung, die ich mir selbst nicht geben konnte. Ich hatte nie ein Treffen oder so, aber es gab durchaus auch intimere Chats und auch Telefonate.
Ende 2020 wurde ich wach, als mir meine Sucht bewusst wurde, denn das erste, was ich morgens tat, war, auf das Handy zu starren und meine Gedanken an diese Virtualität zu verschwenden. Ich ekelte mich vor mir selbst und löschte mein Profil und sämtliche Kontakte.
Seitdem quälen mich Selbstvorwürfe und ich fühle mich dreckig. Nicht nur, weil ich mich in dieser Zeit nicht selbst geschätzt habe, sondern auch meinen Mann aus den Augen verloren habe. Nun mag das für manche vielleicht lächerlich erscheinen, aber ich leide sehr darunter, zumal diese Geschichte nun zwischen mir und meinen Mann steht.
Ende letzten Jahres habe ich ihm versucht alles zu erzählen, weil ich der Meinung war, es müsse raus, damit es eben nicht mehr im Raum steht, aber er brach meine Erzählung relativ schnell ab und meinte, er wolle das nicht wissen und für ihn zähle nur, dass es nie Treffen gab und er würde mir eh alles verzeihen, weil ich nun mal sein Leben bin. Er ist seitdem auch nicht anders zu mir und wirft mir auch nichts vor, aber mich irritiert sein Umgang damit, denn ich hätte umgekehrt alles wissen wollen, auch um das Ausmaß zu kennen und um zu gucken, was vielleicht dazu geführt hat.
Abschließend kann ich sagen, dass ich mich damit sehr allein fühle und natürlich weiß ich, dass ich Fehler gemacht habe, aber ich bekomme auch nicht wirklich die Chance etwas gut zu machen. Ich liebe meinen Mann und verstehe auch nicht so wirklich, warum ich da so reingerutscht bin und stecke nun in einen Karussell von Selbstvorwürfen, aus denen ich keinen Ausweg sehe.
Ich erhoffe mir nicht wirklich einen Rat von euch, aber es tat gut, es einmal für mich aufzuschreiben und vielleicht für mich einige Aspekte zu reflektieren. Danke fürs Lesen.
09.05.2022 11:17 •
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