Die letzten Wochen habe ich in den guten Erinnerungen an ihn geschwelgt. Heute sehe ich, wie wertvoll er für mich war, gerade in dieser schwierigen Zeit. Ich habe ihn kennen gelernt, kurz nachdem mein Mann nach seinem schweren Schlaganfall ins Koma gefallen war. Er war bzw. ist Physiotherapeut in der Reha-Klinik, in der mein Mann nach seinem Krankenhausaufenthalt mehrere Wochen verbrachte. Fast jeden Tag kam er zu meinem Mann und bewegte seine Arme und Beine, zeigte mir geduldig alle Handgriffe, die ich bis heute täglich anwende, um Kontraktionen zu verhindern.
Als ich damals einmal unter Tränen zusammenbrach, nahm er mich in den Arm. Wir kamen uns näher - am Krankenbett meines Mannes. Wir verabredeten uns zum Kaffee in der Cafeteria, dann zum B. am Abend. Wir führten intensive Gespräche, denn auch er hatte seine Frau einige Monate zuvor verloren. Wir gerieten in einen Strudel der Gefühle, der uns schließlich im Bett landen ließ. Darüber waren wir beide zutiefst erschrocken. Es folgten Wochen der Distanz. Mein Mann kam in ein Pflegeheim in der Nähe unserer Wohnung, ich sah den Geliebten zunächst nicht mehr wieder. Dann jedoch meldete er sich wieder, der Strudel zog uns erneut in seinen Bann. So langsam gewöhnte ich mich an die neue Situation und ich fing an, mein aufregendes neues Leben zu genießen. Nur manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, meinem Mann gegenüber. Die Beziehung zum AM wurde kompliziert. Ein dauerndes Hin und Her zwischen Anziehung und Abstoßung. Ein ständiges Ringen um Nähe und Distanz. Ich begann, mir eine dauerhafte Beziehung zu ihm vorstellen zu können. Und er begann, sich mir zu entziehen. Dann der Schock: er eröffnete mir, er habe eine Beziehung zu einer anderen Frau.
Ich zog mich zurück und fiel in ein tiefes, sehr tiefes, sehr dunkles Loch. Bisher hatte der AM mich in der Trauer um den Verlust meines Mannes als meinen Lebenspartner begleitet und aufgefangen. Jetzt verlor ich auf einmal ihn als Freund und Partner und ich musste mich der Trauer alleine stellen. Ich versuchte, den AM zumindest als Freund und Vertrauten zu behalten. Ich stalkte ihn regelrecht. Manchmal wurde er weich und er antwortete meinen zahlreichen SMS. Einmal stimmte er sogar einem erneuten Treffen zu. Als seine Freundin das erfuhr, rief sie mich an. Beschimpfte und bedrohte mich. Es war furchtbar!
Dann wurde es still um mich. Irgendwie schaffte ich es nicht, diesen doppelten Verlust zu verarbeiten. Ich fiel in eine tiefe Depression aus der ich mich mit Hilfe von Medikamenten und Psychotherapie nur langsam erholte. Aber es ging langsam vorwärts. Schritt für Schritt kam ich zurück ins Leben. Dann der Schock als er sich erneut bei mir meldete. Die Freude darüber verflog schnell, als ich merkte, worum es ihm eigentlich ging. Nun er ist ein Mann, der wieder alleine war, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte. Außerdem hatte er als frisch gebackener Rentner plötzlich sehr viel Zeit. Was also braucht so ein Mann in seiner Situation dringend? Richtig, Säx und Selbstbestätigung. Beides erhoffte er sich erneut von mir. Das aber kann und will ich ihm nicht mehr geben. Es würde mich umbringen.
Er war damals mein rettender Engel, denn er hat mich durch die schlimmste Zeit meines Lebens getragen. Er hat mir gezeigt, dass ich zwar alt aber deshalb nicht weniger attraktiv und begehrenswert bin. Diese Seite an mir hatte ich fast vergessen und nicht mehr zu hoffen gewagt, sie wieder zu beleben. Aber wie sagt man so schön, auch der Herbst hat noch warme Tage! Die Erinnerungen daran wärmen mich heute noch. Dafür bin ich ihm zutiefst dankbar!
Aber ich habe meine alte Stärke wieder gefunden, in mir selbst war sie verschüttet. Er hat mir geholfen, sie frei zu legen!
Danke Geliebter! ... und leb wohl!
Pauline
24.09.2018 07:15 •
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