Liebes Forum,
zunächst vielen DANK - mein passives „Mitlesen“ und Teilhaben an euren Geschichten, Meinungen, Denkanstößen Diskussionen in den letzten Monaten hat mich durch die bisher vermutlich schwierigsten Monate meines Lebens getragen. Heute ist es irgendwie mal an der Zeit, meine Geschichte mit euch zu teilen. Was ich mir davon erwarte? Ich weiß es nicht einmal so richtig… Es ist eine Mischung aus etwas von mir (mit-)teilen“ sowie weiter an der Verarbeitung von etwas für mich Unbegreiflichem arbeiten wollen. und natürlich auch eigene Denkanstöße von euch zu bekommen.
Hinzu kommt, dass es sich gut anfühlt, in einem Kreis zu sein, wo ich davon ausgehe, dass mich eine ganze Menge von euch verstehen können… vor allem weil mir selbst weiterhin das volle Verständnis (oder vielleicht besser „ die Akzeptanz“) fehlt, weshalb ich überhaupt in diesem Forum gelandet bin, in dem ja „eigentlich keiner landen mag“, wie ich es hier schon öfters gelesen habe. Und richtig gut gefühlt habe ich mich schon lange nicht mehr - doch es wird Zeit!
A propos Zeit: Es könnte etwas länger werden - wer also keine Zeit hat… sorry dafür
Eine der wertvollsten Ratschläge, die ich hier aufgeschnappt habe, war nämlich das Führen eines Tagebuchs. Aus den zahlreichen Schnipseln der vergangenen 7 Monate, habe ich den folgenden Extrakt geschrieben und ich nehme es vorweg: es war wirklich nochmals wie das Durcharbeiten und -leben der einzelnen emotionalen Phasen mit allen auf und abs, auf und abs, auf uns abs…
Aber der Reihe nach:
Grillen im Mai
Es war ein Tag im Mai diesen Jahres, der alles, einfach alles veränderte und mich in eine tiefe tiefe Lebenskrise gestürzt hat. Wir (= meine NF ich (beide 38) und unsere beiden Jungs, 3 und 5 Jahre) waren beim Grillen bei Freunden. Irgendwie habe ich an diesem Tag dort gespürt, dass wir nicht (mehr) beisammen sind, bzw. konkreter: sie nicht mehr „bei mir“. Ich habe es einfach gespürt - einige von euch kennen das. Heute weiß ich auch, dass ich in der Zeit davor natürlich wahnsinnig viel verdrängt habe. Ich wollte (und konnte) es einfach nicht wahrhaben, dass sie sich schon eine ganze weile Stück für Stück von mir entfernte und es ist natürlich eine harte, harte Lektion zu wissen, dass auch ich Teil unseres kaputten Konstrukts war, in der es uns beiden wohl am Ende vor allem an Kommunikation gefehlt hat. Das Paradoxe: Vor allem zu Beginn unserer wirklich schönen und leidenschaftlichen Beziehung hat sich diese vermutlich vor allem durch unsere Kommunikation und unser echtes Interesse am anderen ausgezeichnet - das ist die Kernfrage: Wie konnte uns dies über die 13 gemeinsamen Jahre nur so verloren gehen?
Es war (und ist) einfach meine ganz persönliche innere Horrorvorstellung, dass meine eigene kleine Familie kaputt geht. Und doch wurde sie wahr Sicherlich im Nachhinein auch kein völlig gesundes Zeichen, überhaupt solche Ängste gehabt zu haben.
Abends habe ich noch die Kinder ins Bett gebracht und bin dann zu ihr auf die Couch. Als ich ihr in die Augen geschaut habe und diese tiefe Traurigkeit gesehen habe, wusste ich, dass es vorbei ist.
Auf ein „was ist los?“ von mir folgte genau ein Satz von ihr: „Ich glaube es ist kaputt - es tut mir so leid.“ Ab da begann der emotionale Wahnsinn und Ausnahmezustand… auch das kennen viele von euch.
Es ist alles in sich zusammengefallen. Mein ganzes Leben, meine Träume (ihre sicherlich auch) und es ging nur noch darum zu überleben - natürlich auch im Sinne meiner Jungs. Anfang April hatte ich noch meine Traumstelle bei einer neuen Firma nach langem Bewerbungsprozess bekommen - keine vier Wochen später spielte das von einem Tag auf den anderen für mich keine Rolle mehr.
Überleben im Sommer
Ich spule etwas vor: Im Sommer ging es für mich wirklich darum, nicht unterzugehen, vor allem emotional. Der Berg und der Schmerz schienen unüberwindbar.
Der neue Job (und ein wirklich tolles Team, das ich recht schnell eingeweiht hatte) hat mir dabei irgendwie dann zum Glück geholfen und aus heutiger Sicht bin ich auch ein wenig stolz, dass ich mich irgendwie über Wasser gehalten und mittlerweile dort gut etabliert habe. Anfangs wusste ich nicht, wie ich die Tage überstehen soll. Keine Konzentrationsfähigkeit mehr, dann noch internationales Umfeld, unterschiedliche Kulturen/Erwartungen. Es war eigentlich zu viel. Ich habe dann aber zunehmend gemerkt, wie wichtig es ist, noch mindestens eine weitere Säule im Leben zu haben, auch wenn mir keine so wichtig war, wie meine Familie. Gleichzeitig gibt es auch heute noch Tage, wo es mir schwer fällt, mich für irgendetwas zu motivieren und auch die Konzentrationsfähigkeit leidet noch sehr, zumindest so, wie ich das mal von mir gewohnt war.
Natürlich standen und stehen die Kinder seit der Trennung im Mittelpunkt (wir teilen sie uns nahezu 50/50 auf - ich habe sie meist Do oder Fr Abends und am WE) und auch wenn keiner von uns zu 100% in die Gedanken und Emotionswelt hineinschauen (und vor allem die Folgewirkungen solch einer gravierenden Veränderung abschätzen) kann, glaube ich schon, dass es ihnen gut geht und wir beide, jeder für sich, gute und liebende Elternteile sind. Von ihrer Seite könnten wir auch alles wie gute Freunde weiter handhaben. Frühstücken gehen und sich auf Spielplätzen die Zeit vertreiben. Versteht mich nicht falsch: Ich weiß natürlich, wie wichtig es ist, im Sinne der Kinder zu handeln. Aber es macht mich traurig und sprachlos, wie einfach sie offensichtlich von Family zu Friends umswitchen kann… Ich kann und will das nicht und das war auch ein Prozess bis dato - ich habe noch nicht mal eine genaue Zielvorstellung, wie unser Co-Parenting einmal aussehen könnte. Ich glaube, dafür muss noch viel Zeit vergehen. Auch wenn es hart klingt: ein Stückweit müssen die Kinder ja auch mit der neuen Realität konfrontiert werden, denke ich. Aber wir spielen keine Spielchen mit oder über sie, was schon mal ein Vorteil ist, aber die Sache und die Akzeptanz für mich dennoch nicht unbedingt leicht macht.
Aus heutiger Sicht, ist es natürlich auch erschreckend, wie abhängig ich von ihr und letztlich unserem Leben als Familie war (bin?) und dennoch habe ich da trotz (oder vor allem wegen der Zahlreichen Threads hier zu ähnlichen Fällen) keine 100% klare Meinung. Auf der einen Seite ist es natürlich gefährlich, sich selbst aufzugeben, aber ist es nicht so, wenn man „all-in“ geht für die Person die man liebt und vor allem die eigene Familie? Doof nur, wenn die einzige Mitspielerin einfach mitten im Spiel aufsteht und geht… denn so fühlt es sich gerade an: irgendwie haben wir alle verloren, keiner bekommt den Pott und es gelingt mir einfach noch nicht wirklich, einen Vorteil aus der Sache zu ziehen. Dafür ist der Verlust einfach (noch) viel zu schmerzhaft und ich vermisse den Kern unseres „alten“ Lebens noch nahezu jeden Tag.
Am Ende war es dann wohl einfach das fehlende Commitment ihrerseits - trotz für mich normaler Beziehungsthemen mit zwei kleinen Kindern war ich committed, das ganz sicher. Die für mich passendste Definition von Liebe (nicht Verliebtheit oder S.) kommt von Volker Busch, der in seinem Podcast davon spricht, dass Liebe vor allem ein Gefühl sei, dessen Sinn die soziale Verbindung mit einem Menschen ist, mit dem ich mein Leben verbringen möchte. Wir lieben, um uns zu verbinden.“ Tja, es ist schon eine harte, harte Lektion, wenn einem der Mensch, mit dem man sich am verbundensten fühlt, sagt, dass er die Verbindung - trotz zweier Kinder - nicht (mehr) spürt und gerne auflösen möchte. What the F+++?!
Trockene Tränen im Herbst
So richtig emotional kann ich das ganze immer noch nicht an mich heranlassen. Ich spüre förmlich, wie ich alles mit dem Kopf reflektiere (nochmals sorry für den langen Text an dieser Stelle, falls ihr überhaupt noch dabei seid… , ich spüre auch Emotionen aber ich halte noch ganz schön viel von meinem innersten Kern weg. Ich habe einfach Angst, dass es mich komplett zerreisst. Ein Stückweit hilft das Funktionieren natürlich auch - es ist ein gefährliches Wechselspiel und für mich wirklich schwierig, die richtige Balance zu finden. Seit Ende August wohne ich in einer 2-Zimmer Wohnung - dort habe ich gelernt, den Schmerz Stück für Stück auszuhalten und zuzulassen. Manchmal überkommt es mich aber völlig - ich glaube, der ungesündeste Satz in meinem Kopf lautet: Und das soll jetzt dein Leben sein? Bitter…
Ich weiß selbst, dass dies nicht sonderlich förderlich ist, dennoch kommen genau diese Gedanken - nicht gerade selten. Manchmal packt es mich dann auch bei einem guten und emotionalen Song, und die Tränen kommen - in der Regel kommen sie aber einfach nicht. Es ist wie als fehlt mir (noch) die Verbindung zu meinen tiefen Emotionen.
Irgendwie bin ich da wohl aber doch auf dem Weg. Diesen bin ich zum Glück nicht alleine gegangen.
Eine weitere Säule, die mich in den letzten Monaten gestärkt hat, waren meine Familie und eine Handvoll richtig guter Freunde, die mich von Anfang an aufgefangen hat.
Das war und ist natürlich ein großes Glück, über das ich mir immer mehr bewusst wurde und auch heute noch werde. Ein wenig skurril war es dennoch, wie ich nach ca. zwei Wochen Schlafen im Nebenraum es nicht mehr im kaputten Zuhause ausgehalten habe, und mit Sack und Pack in mein altes Kinderzimmer bei meinen Eltern gezogen bin. Ich weiß aber von so mancher Geschichte hier auch, dass diesen „Luxus“ (damit meine ich emotional aufgefangen zu werden) nicht alle haben. Doch auch das kennen einige: Irgendwann beginnt man, sich selbst und auch das engste Umfeld mit den ewig gleichen Geschichten zu nerven (zumindest kann man sich selbst irgendwann nicht mehr hören).
Dies war auch der Grund, weshalb ich mir im Sommer dann auch professionelle Hilfe gesucht habe. Zunächst war ich bei der Ehe- und Lebensberatung (wirklich sehr zu empfehlen), habe mich dann sogar auf einen Therapieplatz für eine Verhaltenstherapie beworben, wo ich seit wenigen Wochen mit den ersten Sitzungen gestartet habe. Wenn schon Krise, dann schon richtig könnte die Devise lauten und es tut gut, auch wenn ich lernen muss, keine Wunder zu erwarten. Immerhin: die ein oder andere Träne ist auch schon gelaufen… ich komme mir also näher und auf die Spur!
Wellenreiten im Dezember
Tja… jetzt sitze ich hier und schreibe diesen Text. Ich glaube ich habe ihn mir mittlerweile 46 mal durchgelesen und irgendwie will er sich noch immer nicht so richtig wie MEINE Geschichte anfühlen. Bin das wirklich ich? Ist das wirklich meine Familie, über die ich hier schreibe? Das darf doch einfach nicht wahr sein! Wie konnten wir nur so. HALT! STOP! schreit dann eine andere innere Stimme! Akzeptieren, Loslassen, in die Zukunft schauen - darum geht es… und doch fühlt sich das manchmal gequält an, aufgesetzt, aber es geht wohl nicht anders. Das weiß ich mittlerweile und doch tut es gut, sich die Verzweiflung auch mal zu gönnen“ zwischendurch. Es geht in Wellen - wie oft habe ich das gehört und gelesen, auch hier… und genauso ist es, auch wenn mich keiner wirklich gefragt hat, ob ich überhaupt Bock auf Surfen habe. Aber jetzt, wo ich schon einmal draufstehe, kommt auch manchmal ein kleines Glücksgefühl, wieder eine Welle gestanden zu haben oder wieder schneller auf Board zu kommen, wenn einen die zu große Welle wieder umreisst… und warum nicht eigentlich das ganze auch mal auf Hawaii ausprobieren? Das liegt nun also in MEINER Hand und das ist seit langem, mal wieder ein gutes Gefühl. Geht doch! Wobei… ach egal Es bleibt einfach eine krasse und anstrengende Reise, noch ohne genauem Ziel und irgendwie gehört ihr, zumindest die ihr bis zum Schluss dabei geblieben seid, auch dazu. passiv oder aktiv. Dafür schon einmal vielen DANK und ich würde mich freuen, die ein oder andere Stimme zu hören! Kommt gut rüber ins neue Jahr!
26.12.2023 10:01 •
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