Denk mal anders rum und stell Dir vor, was geschehen könnte, wenn sie tatsächlich ihr Köfferchen packt, ihren Mann verlässt und vor Freude strahlend vor Deiner Haustür steht.
Bei Dir: Hormonrausch pur, Glücksgefühle ohne Ende, denn Dein sehnlichster Wunsch hat sich endlich erfüllt. Ein warmes Gefühl im Bauch macht sich breit, denn Dein Warten, Deine Geduld, Deine unendliche Langmütigkeit haben sich ausgezahlt. All das, was Du gehofft hattest, ist nun Realität geworden. Die Traumfee wird Bestandteil Deines Lebens.
Bei ihr: Auch Glück, denn sie hat sich nun endlich entschieden, für Dich. Wie schön! Auch sie ist glücklich, denn die Bürde, die die Affäre neben der Ehe für sie bedeutete, der ganze Gefühlsstress sind endlich Schnee von gestern. Die Heimlichkeiten, das Verbergen haben endlich ein Ende und sie sinkt in Deine Arme. Geborgen, geschützt vom Rest der bösen Welt.
Einige Monate später: Das Zusammenleben spielt sich so allmählich ein, aber so ganz einfach wie gedacht ist es ja doch nicht. Das Bild von der Traumfee bekommt erste Risse, denn sie kann schon auch sehr anstrengend sein und die Phasen ihrer Niedergeschlagenheit, die sie manchmal überfallen, sind für Dich beeinträchtigend und beängstigend. Wer weiß, was sie da wieder quält und beschäftigt? So ganz in sie dringen kannst Du nicht, denn sie bleibt irgendwie doch bei sich und das erhoffte Wir fühlt sich noch nicht so richtig als ein Wir an, sondern aus ein Konglomerat von zwei Menschen, von denen jeder die ersten Fehler und Angewohnheiten zeigt.Sie stört, dass Du immer wieder Deine getragenen Socken rumliegen lässt und Dich stört, dass sie jedes Krümelchen auf dem Tisch umgehend wegwischt. Mit dem Ordnungswahn und der Sauberkeit kann man es auch übertreiben.
Ja, und dann sind da eben noch die Altasten einer langen Ehe, die sie mit sich rumschleppt. Sie hat sich zwar getrennt, aber manchmal scheint sie zurück zu denken, denn eine langjährige Ehe bedeutet viel gemeinsam verbrachte Zeit. Es ist ein rechtes Kreuz mit den rechtlichen Dingen, mit Zugewinn, Versorgungsausgleich usw. Diese allzu lästigen Angelegenheiten kriegst Du nun hautnah mit. Ihre Stimmungen wechseln zwischen Glück und Freue über den Schritt, für den sie nun den Mut hatte und Nachdenklichkeit .... Der Ex. spukt wohl doch noch in ihrem Kopf rum ... dabei hatte sie es sich doch wirklich lange überlegt. Womöglich hat sie ab und an ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn nun sitzen lassen hat, einen einsamen Mann mittleren Alters, der nun alleine vor dem Fernseher sitzt, ein B. trinkt, um sich zu entspannen und allzu lange vor sich hin stiert, ins Leere.
Du hast sie zwar gewonnen, aber doch noch nicht so wie Du es Dir erträumt hattest. Blöde Welt, dass die Träume immer schöner sind als die Realität!
An seiner Misere hast Du Deinen Anteil, denn Du bist die Ursache für seine Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Manchmal denkst Du an ihren Ex. und Du fühlst ein kleines Quentchen Schuld. Dabei hast Du diesen Menschen doch all die Jähre tapfer ausgeblendet, aber manchmal denkst Du doch an ihn und er erinnert Dich an Dich selbst, als Du so lange allein warst. Immerhin bist Du der Auslöser für das Ende einer langen Ehe, das bedeutet auch Verantwortung.
Und der stellst Du Dich auch. Du wirst ihr beweisen, dass sie das Richtige getan hat. Du holst ihr die Sterne vom Himmel, Du flüsterst ihr süße Worte ins Ohr, Du sagst ihr immer wieder, wie prächtig es Dir geht, seit sie bei Dir ist.
Dann lächelt sie - scheinbar glücklich, aber schwingt da nicht doch eine kleine Traurigkeit in ihren Augen mit?
So ganz sicher bist Du Dir ihrer nicht, aber das wird, ganz sicher. Denn wer so lange wartet, der hat ein Happy-End verdient. Du und sie genauso.
Manchmal kommen so komische Gedanken bei Dir. Dass sie noch nicht so richtig bei Dir angekommen ist, ist das eine. Aber auch Dein Leben ist nun doch sehr anstrengend geworden, denn Du bist ständig im Zugzwang. Musst der Mann sein, für den sich ihre Entscheidung gelohnt hat. Du willst ihre Ansprüche und Wünsche erfüllen, der Bessere sein als der Ex, der immer noch präsent ist. Das Leben als Heilsbringer ist anstrengend und belastender, als Du es Dir vorgestellt hast. Hoffentlich bist Du gut genug für sie! Hoffentlich empfindet sie die Trennung als die einzig richtige Entscheidung! Hoffentlich vergisst sie den Ex. baldmöglichst!
Das Bild von der Traumfee bröckelt, denn sie hängt noch mit einem Bein in ihrem alten Leben. Herz und Kopf sind bei Dir, aber trotzdem, so ganz fertig ist sie mit der Vergangenheit noch nicht. Noch lange nicht.
Wieder ein paar Monate später. Du hast es nicht gebracht, sie packte wieder ihr Köfferchen und ging zurück zu ihm, dem Bewährten, dem Altbekannten, zur Sicherheit, zu dem, was sie gewohnt ist. Du bist am Ende! Deine ganze Mühe war umsonst, dabei hast Du Dich doch so angestrengt, ihr alles recht zu machen. Aber sie hat es nicht honoriert. Sie schafft es nicht, ihren Mann nach all den Jahren allein zu lassen, sagt sie. Sie konnte bei Dir nicht so sein, wie sie war, denn sie wollte Dir ja auch versichern, dass sie unumstößlich zu Dir steht. Aber das, was Du in ihr siehst, das schafft sie nicht. Sie wird dem Bild, das Du Dir von ihr gemalt hast, nicht gerecht, sagt sie. Deine Erwartungen sind so hoch, sie kann sie nicht erfüllen. Sie fühlt sich belastet und überfrachtet anstatt frei und lebendig so wie am Anfang.
Und Dü fühlst Bitterkeit in Dir und fühlst Dich missbraucht. Missbraucht als Test für ein anderes Leben, für das sie sich doch nie ganz entscheiden konnte.
Jahre gingen ins Land, während derer die Affäre bestand. Als Du noch der Träumer warst, der sie beglückte und ihr Urlaub von ihrem Ehealltag bescherte. Die neue Beziehung hielt nicht, was sie versprach. Die gegenseitigen Erwartungen waren zu hoch, die Ansprüche an das Glück, das nun einziehen würde, hoffnungslos überzogen. Glück für den Ex,, Pech für Dich! Diese gemeine Ratte, die sich Realität nennt, hat alles zunichte gemacht.
Das ist natürlich nur ein fakultatives Gedankenspiel von mir. Aber ich stelle es mir vor, wie es kommen könnte und vlt. gar nicht so selten kommt. Der eine Partner wechselt warm, wie man so sagt, fällt von einem Nest ins nächste, in dem er sich erst Mal einleben muss. Diese Umstellung ist nicht einfach und auch die Ablösung vom Expartner ist noch lange nicht geschafft, egal was er oder sie auch sagt. Und der Partner, der so lange gewartet hat, der ist nun auch in einer Bringschuld, denn er muss nun der ideale Mann für sie sein, damit es sich für sie geloht hat.
Aus Affären werden selten Alltagsbeziehungen und wenn dann scheitern sie oft an überzogenen Glückserwartungen bei beiden. Es gibt auch Gegenbeispiele, natürlich, denn es gibt alles. Aber es gibt auch die Statistik, die besagt, dass sich über 90 Prozent der verheirateten Affärenpartner nicht aus der Ehe lösen.
Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass Deine Träume einer gesunden Einstellung zur Realität Platz machen.Sie ist nicht das, was Du in ihr gesehen hast. Sie hat Dich all die Jahre bei der Stange gehalten, teilte Dir so viel an Nähe zu, dass Du ihr bliebst. als ein Platzhalter für ein schöneres Leben, von dem sie immer wusste, dass es nicht wahr werden konnte. Du warst ihre Anlaufstation, der Mann, der ihr eine Auszeit beschert hat vom Ehealltag und dem Alltag überhaupt. Sie hat Dich damit auch benützt und Dich hingehalten. Und Du warst zu vernebelt das zu erkennen.
Nun ja, es ist nicht zu ändern. Es geschah, was meist geschieht. Die Affäre zerplatzte und Du gehst als Verlierer hervor. Sie bliebt im gewohnten Leben, im sicheren Umfeld, das ihr mehr bedeutet als ein Experiment mit einem Mann, der sich ein Idealbild von ihr gemalt hat und kosmische Kräfte am Werk sah. Das war ihr dann doch zu viel.
Lasse Dich nie mehr mit einer verheirateten Frau ein, das lohnt sich nicht. Wer sich nicht innerhalb der ersten sechs Monate trennt, der tut es meist nicht. Ich hatte auch mal eine Affäre, ein gutes Jahr dauerte sie an, aber vom Rausch der ersten Monate blieb nicht mehr viel übrig. Er, der neue, war nicht als Glücksbringer für mich geeignet, dabei hatte ich ihn doch als meinen Traummann gesehen. Und eigentlich wollte er sich die Last auch nicht aufbürden, dass ich mich ihm zuliebe getrennt hätte. Diese Verantwortung, diese Bringschuld wollte er sich nie aufladen und damit hatte er auch recht. Heute, Jahre später wurde mir klar, dass ich den Absprung aus meiner Ehe nicht geschafft hätte, wenn der Affärenmann Druck gemacht hätte und eine Entscheidung gewollt hätte. Ich hätte auf Zeit gespielt, mir Geduld erbeten, um mir für eine Zeitlang beides zu sichern. Den Ehemann und den Affärenmann. Und wäre damit einer Entscheidung für einige Zeit wieder aus dem Weg gegangen.
Es kam anders. Irgendwie wollte er nur der Affärenmann sein, aber auf Dauer war er nicht mal mehr das. Er lebte sein Leben weiter und ich lief ihm hinterher. Das konnte ich bequem tun, denn mein Unterbewusstsein wusste schon immer, dass es umsonst sein würde. Er würde sich nicht als Glücksbringer verheizen lassen von mir.
Später, nach der Trennung, die er ausgesprochen hatte, hat er mir mal vorgeworfen, ich hätte ihn ausgenutzt. Ich wurde traurig und war betroffen. Ich ihn ausgenützt? Ich, die ich immer zu ihm gefahren war, die den Zeit- und Geldaufwand damit schulterte, nur um bei ihm sein zu können! Ich ,die ihm alles nachsah und trotz all seiner Eskapaden und seiner Lieblosigkeiten nicht von ihm ging! Ich habe es nicht begreifen können, damals. Heute schon. Er spürte, dass ich völlig überzogene Erwartungen an seine Person hatte, denen er nie gerecht geworden wäre. Und er spürte auch seine Rolle als Ersatzmann, als eine Art Urlaubsflirt aus meiner freudlosen Ehe.
Jahre später erkannte ich, was er gemeint hatte. Auch ich hatte ihn missbraucht und benützt und dafür schäme ich mich noch heute, auch wenn es unbewusst geschah.
Affären sind meist banal, aber doch sehr komplizierte Verflechtungen, die man nicht auf einen Blick entwirren kann.Es sind viele Kräfte am Werk, bewusste und auch viel ungewusste, die man zunächst nicht wahrnimmt, aber niemals kosmische.
Du hast jetzt jede Menge Zeit, dieses Knäuel für Dich zu entwirren und als Lehrstück des Lebens in Dein Leben zu integrieren. Es wird nicht einfach werden, denn so was wirkt lange nach. Aber Du bist um eine Erfahrung reicher geworden und davon kannst Du auch profitieren, Denn der Mensch profitiert nur von selbst gemachten und oft durchlittenen Erfahrungen.
Begonie
05.01.2021 12:30 •
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