Ich schaffe es heute nicht wirklich meinen Verpflichtungen nachzugehen, alles was ich tue und mache erinnert mich an ihn. Egal was ich rieche, meine Nase verwandelt diesen Duft in sein Parfum, als würde er hinter mir stehen und mir zuschauen bei meinem Leiden. Ich kann kaum etwas essen, ich fühle mich so hintergegangen und schwanke zwischen Traurigkeit und Wut, gefolgt von einem Loch ohne jegliches Emotionsempfinden. Wie Abfall, der entsorgt wurde und jetzt in der Tonne weiter schimmelt. Für ihn ganz nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“, die Müllabfuhr wird‘s schon mitnehmen.
…daher beantworte ich eure Frage schonmal.
Das Verhältnis zu meinen Eltern ist in Ordnung, im Hintergrund laufen schon Vorbereitungen für meine eigenen vier Wände (wieder in meinem Heimatort). In der Kürze habe ich keine Leidenschaft für einen neuen Ort entwickelt können, ich bin auch nicht mehr ambitioniert bezüglich meiner Karriere. Ich finde das selbst tragisch wenn ich es so niederschreibe. Da ist nichts mehr, was ich mir erträume oder was mich begeistert, irgendetwas, was in mir Tatendrang auslöst. Meine halb (aus)gepackten Kartons stapeln sich in einem einzelnen Raum, ein Blick hinein löst ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend aus. Ich werde unterstützt, ja, doch ich werde auch kritisiert von meiner Familie. Dafür, dass ich so unbedacht mit meinem Chef zusammengekommen bin und ihm so schnell mein Herz samt Wohnungsschlüsseln geschenkt habe, das klingt „jugendlich und naiv“ hat meine Mutter belehrend gesagt, ich sollte es besser wissen. Ein bisschen wie „selbst Schuld“.
Ich verstehe die Stimmen unter euch, die dahinter stehen, ich hätte in der Wohnung bleiben sollen. Doch mein kleines Reich fing an zu verwahrlosen, ähnlich wie ich, nichts war mehr so wie ich es hergerichtet habe. Vorher habe ich mich sehr um meine Räumlichkeit gesorgt, am Ende blieb alles liegen. Fühlte sich fremd an, nicht mehr heimisch. Ich liebte die Wohnung ab der ersten Sekunde sehr, und doch habe ich kaum bemerkt, wie wahnsinnig doll sich mein Ex Freund nach Zuhause angefühlt hat. Und dann war er weg und plötzlich komme ich mir obdachlos vor. Er war ja fast zu Beginn an mit mir in der Wohnung, wir haben dort viel Zeit verbracht. Ich habe ihn bildlich vor mir gesehen wie er kocht, staubsaugt, die Tür hinein kommt, im Garten hilft. Aus „meins“ wurde „unsers“, und es war für mich unvorstellbar, dass ich im selbigen Umfeld heilen kann, in welchem ich krank geworden bin. Ich musste raus und weg, ich habe allerdings die Auswirkungen des Umzugs überschätzt und dachte, das würde viel mehr in mir bewirken. Ich glaubte fest, dass es gar notwendig sei, um dieses Kapitel abzuschließen. Im Nachhinein empfinde ich Reue und muss zeitgleich damit umgehen, nicht nur zwei Menschen verloren zu haben. Ich fühlte mich so unerwünscht, aber vielleicht, oder sogar mit Sicherheit, hätte ich meine Träume nicht aufgeben sollen.
Was besagte Freundin angeht, sie hat mich wochenlang weiterhin kontaktiert und versucht die Verantwortung von sich zu weisen in meterlangen schriftlichen Texten. Sie wollte mich felsenfest davon überzeugen, dass er auf sie zukam und nicht andersrum. Dabei ist es mir doch völlig egal, wer das ganze angeleiert hat. Und als gute Freundin, findet sie, sollte ich ihr das Glück auch gönnen und zurückstecken können, wenn beide glücklich sind. Meine Kündigung und den Umzug empfand sie als überaus dramatisch und kindisch, was sie mir nicht zugetraut hätte. Er habe auch über mich gesprochen und wäre dann zu dem Fazit gekommen, dass es mit ihr einfach besser passt. Mit ihm selbst habe ich keinerlei Austausch mehr gehabt. Als klar war, dass ich gehe, wurde alles abgeblockt. Als hätte es mich nie gegeben. So, wie er sich das gewünscht hat, bin ich verschwunden.
Mir fehlen selbst so viele Fakten. Wann genau ging es los mit ihr, wie lange geht das wirklich schon? Wie hat er das unter einen Hut gebracht? Dann noch die andere Frau auf Instagram, waren sie (noch) zusammen, sind sie es immer noch? Ich verstehe es einfach nicht. Ich kann mir kaum ausmalen, wie er das zeitlich organisiert und in welchen Momenten er mich belogen hat. Es erschließt sich mir kein großes Ganzes, hier und da fehlen essentielle wahrheitsgemäße Eckdaten. Und ich fühle mich, als würde ich nun nicht einmal die ganze Wahrheit mit zurück genommen haben und, auch wenn sie weh tut, würde ich sie gerne erfahren. Die andere Hälfte der Wahrheit ist noch dort drüben und niemand möchte sich ihr stellen, außer mir. Wie kann denn plötzlich alles weg sein, was ich mit ihm hatte und aufgebaut habe? Von einem auf den anderen Tag möchte er nichts mehr von mir wissen, legt einen verachtenden Abgang hin und startet glücklicher denn je ins neue Kapitel.
Bezüglich der Frage, wieso ich ihn nicht direkt mit der DM konfrontiert habe. Ich konnte das gar nicht fassen. Es war bildlich mit Fotos zu sehen, sein Verhalten spürbar abwesend und dennoch wollte ich schweigen und auf Besserung hoffen. Ihm sogar die Möglichkeit geben, dass er auf mich zukommt. Ich habe seinen Abstand falsch interpretiert, ich dachte, ihn plagt ein schlechtes Gewissen und er wird bald bestimmt bald platzen. Es findet sich schon noch ein richtiger Moment dafür, auf den ich vorbereitet sein wollte. Meine Belastung wuchs mit jedem Tag, ich schlief kurz und schlecht. Dann habe ich ja mit meiner „Freundin“ darüber gesprochen und anstatt dass es mir hilft, habe ich stattdessen, wie beschrieben, bemerkt, dass mit ihr ebenfalls etwas nicht stimmt. Ich hätte aber niemals an einen Betrug gedacht, ich war einfach völlig neben mir.
Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wünsche mir ihn nicht zurück. Das klingt absurd- ich vermisse ihn. Natürlich tue ich das, ich stecke mittendrin. Mein Blick gerichtet in die Vergangenheit, an die Zukunft kann ich kaum denken, ich plane momentan nicht weiter als einige Tage voraus. So wehleidig das klingen mag. Es erfordert ganz viel Kraft, ihn nicht zu kontaktieren. Um zu reden, zu fragen, ihn zu beleidigen, zu weinen. Ist es denn wirklich restlos vorbei? Es ist unbegreiflich für mich.